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Lachende Pilze

Der Eiche Wachstum
wird oft frech vom Pilz verlacht,
sie braucht Dezennien,
er nur eine Nacht.

Joseph Freiherr von Auffenberg, 1798 – 1857

Der Fliegenpilz ist auf seine Weise eine sehr königliche Erscheinung im Wald. Maike würdigte ihn mit ihrem Foto. Danke!

Palliativ = Hülle geben

Dame Cicely Saunders ist leider nicht allzu bekannt hierzulande, dabei verdanken es Abertausende sterbender Menschen ihr und der Hospizbewegung, dass sie in Würde ihre letzten Tage verleben können. Die Ärztin, Krankenschwester und Sozialarbeiterin Saunders, die 1918 geboren wurde und 2005 starb, begründete die moderne Hospizbewegung und sorgte durch die Palliative Care-Regeln, die 1977 auch bei uns angekommen waren, dafür, dass bis zum Lebensende Würde und Selbstbestimmung am Krankenbett sowohl im außerhäuslichen wie im heimischen Bereich Einzug halten konnten. Bei uns ist das Gedankengut von Saunders zu wenig bekannt. Sterben gehört wie Krankheit generell, wie Alter und Behinderung, in unserer Gesellschaft zu den Tabuthemen. Das ist blauäugig, denn gerade beim Thema Sterben ist vermutlich bislang keiner ausgenommen.

Wie wenig auch Therapeuten das Thema auf dem Schirm haben, wurde am Wochenende deutlich, denn ein Abschlussarbeitsthema der Cardeaausbildung befasste sich mit Hospizarbeit, Palliativ Care und Leben am Ende des Lebenswegs. Die Kurskolleg:innen erfuhren jede Menge Neues, zum Beispiel über die Dignitiy Therapy, die Menschen am Lebensende viel Erleichterung verschaffen kann, wenn Dinge noch ausgesprochen werden können, die sonst vielleicht keinen Raum finden.

Wie viel eine Gesellschaft taugt, sieht man daran, wie sie mit den Randgruppen umgeht und Tabuthemen betrachtet. Nachdem jeder von uns mit dem Tod konfrontiert sein wird, ist mir unbegreiflich, wieso man dieses wesentliche Thema ausgrenzen kann. In der Therapie ist es unglaublich oft Thema und wenn dieses Fass aufgemacht wird, erkennt man auch erst einmal, mit wie viel Ängsten und Nöten alles überfrachtet ist. Wir haben keine Angst vor dem Tod, wir haben Angst vor einem schweren Sterben. Und genau deshalb ist es wesentlich – und nicht erst, wenn man an einer vielleicht tödlichen Krankheit leidet -, dass man sich mit dem Thema befasst, über Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, Grab, Art der Bestattung etc. Gedanken macht. Im Fall der Fälle müssen Angehörige in einer schwierigen Situation irgendwas aus dem Ärmel zaubern und am Ende ist es vielleicht nicht das, was sich die Person gewünscht hätte.

Gespräche über Mr X, wie manche Patienten den Tod gern nennen, sind mit die besten in meiner Arbeit. Sie sind ehrlich, tief und so voller Liebe und Lebendigkeit, dass wir beide beschenkt sind nach so einem Gespräch. Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, gehört zur Ars vivendi, der Kunst des Lebens, untrennbar dazu. Wenn wir im Januar unser LebensKUNSTseminar starten, werden das die Pole sein, zwischen denen sich der Kurs aufbaut, denn „wer nicht stirbt eh er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt“ (wird Abraham a Sancta Clara zugeschrieben). Wer ein gutes Leben leben will, muss bereit sein, das Tor, durch das er bei seiner Geburt hereingeschritten kam, auch wieder herauszuschreiten. Bei der Geburt freuen sich die Menschen, dass ein neues Leben hier angekommen ist. Vielleicht freuen sich beim Tod andere Wesenheiten, wenn der Mensch wieder nach Hause kommt von seinem Ausflug auf den blauen Planeten und dort von möglichst vielen bunten Abenteuern berichten kann, die er auf seiner Reise erlebt hat!

Tod ist nicht schrecklich, sondern gehört mitten ins Leben und dazu. Sonst entsteht Angst und das muss nicht sein. Menschen wie Dame Cicely Saunders haben ihr Leben dieser Aufgabe gewidmet, anderen Menschen zu einem würdigen und angemessenen Tod zu verhelfen. Jeder von uns kann etwas dafür tun. Tod kennt keinen Stand, kein Alter und er kommt zu einer Zeit, in der wir vielleicht nicht damit rechnen, dabei schreitet er sein Leben lang ruhig neben uns her, bis die Stunde gekommen ist.

Allen einen kraftvollen Marstag und – sorgt vor. Leben wir jeden Tag so, dass wir jederzeit abtreten könnten. Das ist eine sehr gewagte Idee bei all den Plänen, die wir dauernd und so gerne haben. Doch eines wissen wir, auch wenn uns das nicht bewusst ist: Leben ist deshalb so kostbar, weil es eben endlich ist. Carpe diem.

Steffi war im Wald unterwegs und hat dieses tolle Bild mitgebracht. Dankeschön!

Du wirst Bedeutung haben

Du zählst, weil du du bist. Und du wirst bis zum letzten Augenblick deines Lebens eine Bedeutung haben.

 

Dame Cicely Saunders

 

Den Blick auf die letzten Oktobersonnenstrahlen hat Katja durch die Blätter hindurch eingefangen. Danke!

Geschenke-Tag

Manche Wochenenden sind besonders. Dieses war so eines. Zwei Jahre Ausbildungszeit sind für die jetzt frischgebackenen Cardea-Therapeutinnen zu Ende gegangen. Das Abschlusswochenende gehört ganz den Kursteilnehmer:innen, denn da werden die Arbeiten vorgestellt, die jeder im Lauf dieser zwei Jahre schreibt. Hier erleben wir alle von einer ganz neuen Seite – denn jeder schreibt über sein Herzblutthema und zeigt dabei ganz viele Facetten von sich, die bislang vielleicht noch nicht aufgeschienen sind. Das ist besonders. Berührend, bewegend, großartig, einmalig.

So eine Ausbildung geht sehr tief. Wir bilden Menschen aus, die mit Menschen arbeiten, das ist mitunter unfassbar schwer und belastend, manchmal unglaublich bereichernd und ein Geschenk, wenn beide an das Feld angedockt sind, das man nicht beschreiben kann und das alles miteinander verbindet. Schön erklärt ist dieses Phänomen im Film „Die Legende von Bagger Vance“. Dort zeigt Bagger dem Protagonisten, wie ein erfolgreicher Golfer Kontakt mit dem Feld aufnimmt und dann zum Schlag ausholt. Bagger bezeichnet den großartigen Schlag als „den authentischen Schlag“. Genau darum geht es uns in dieser Ausbildung. Zwei Jahre arbeiten wir daran, dass jeder in der Cardea-Ausbildung seinen authentischen Ton in der Therapie findet und verstanden hat, was es bedeutet, am Feld anzudocken.

Wir haben Abschlussarbeiten der Spitzenklasse gehört mit Beiträgen unter anderem zur Arbeit im Hospiz/Palliativ Care, zu Reittherapie, zu Heilpflanzen, zu Biografiearbeit gleich mehrere Vorträge. Wir haben eine Reise in die Schnittstelle von Psychologie und Philosophie auf den Spuren der Frage: Was ist Bewusstsein gemacht und uns angeschaut, was Wahrnehmung ist und wie Wahrnehmungsfähigkeiten in zwei Jahren wachsen können. Eine krasse Reise, die wir miteinander absolviert haben! Ich wünsche euch allen von Herzen beste Arbeit mit euren Klienten und eine gute Lebensreise. Willkommen im Team der Cardeafamilie und willkommen zu den Aufstellungen, bei denen ihr eure Nachfolger:innen unterstützen dürft als Mentor:innen. So wachsen alle gut zusammen, das freut mich von Herzen!

In 13 Tagen startet die nächste Gruppe mit dieser Ausbildung, die uns durch die Welt der Gesprächspsychotherapie, der systemischen Arbeit und der Hypnotherapie führt. Wir freuen uns auf die neue Gruppe und heißen euch jetzt schon in der ständig wachsenden Cardeafamilie willkommen. Ein Platz ist hier noch frei, also schnell anmelden, wer mit dabei sein mag.

Im November startet der Rogers-Kurs über Empathie, Wertschätzung und Authentizität, der bereits ausgebucht ist, ein Platz ist dafür noch im neuen „Meine innere Mitte finden“-Kurs frei. Plätze gibt es auch noch beim Einzelkurstag über Aromapflege und Räuchern (mit „Geheimnis der Rauhnächte“). Herzlich willkommen! In der Alten Synagoge in Kitzingen wird es im zweiteiligen Seminar am 16. und 23. 11. darum gehen, wie es gelingt, Veränderungen im Leben auch umzusetzen und nicht nach drei Tagen guter Vorsätze ins Leere laufen zu lassen – hierfür bitte direkt bei der VHS Kitzingen anmelden!

Alle Infos zu den Kursen, Termine, Kosten etc. wie immer auf der Homepage unter www.seelengarten-krokauer.de

Allen einen wunderbaren Start in die neue Woche!

Ist das nicht zauberhaft? Die Cardeas haben mir zum Kursabschluss diesen wunderschönen Haussegen von Jwala Gamper geschenkt! Ich danke euch von ganzem Herzen!

Över de stillen Straten

Över de stillen Straten
Geit klar de Klockenslag;
God Nacht! Din Hart will slapen,
Un morgen is ok en Dag.

Din Kind liggt in de Weegen,
Un ik bün ok bi di;
Din Sorgen un din Leven
Is allens um un bi.

Noch eenmal lat uns spräken:
Goden Abend, gode Nacht!
De Maand schient op de Däken,
Uns‘ Herrgott hölt de Wacht.

Theodor Storm

Steffi hat die stille Straße mit den vernebelten Windrädern heute fotografiert! Lieben Dank!

Schluss mit Angst

Der Herbst ist da und damit droht eine neue Welle aus Angst und Druck auf die Menschen. Grundsätzlich kann jeder Mensch Viren übertragen und ohne das zu wissen andere anstecken, auch wenn er selbst vielleicht nicht erkrankt. Was sich aber wahrhaft seuchenartig ausbreitet, ist Angst und das bedeutet: Wer Angst hat, schwächt per se sein Immunsystem. Wer Angst hat, steht unter Stress, Stress ist gesundheitlich ein unglaublich negativer Faktor. Wer Angst hat, hält sich nicht für handlungsfähig, schätzt die Zukunft negativer ein als ohne Angst und rutscht bei kollektiver Infektion mit dem Panikprogramm rasch in ein Gefühl von Sinnlosigkeit. Damit hätten wir die wesentlichen Kriterien der Salutogenese – Sinn, Machbarkeit und Verständnis – ad acta gelegt. Willkommen in der Welt der Pathogenese, das ist die Lehre darüber, wie man krank wird statt gesund. Wir lernen gerade in diesem Bereich sehr viele Lektionen. Meistens ohne dass wir darum gebeten hätten.

Was hält denn nun gesund? In allererster Linie Menschenverstand. Wer krank ist, kuriert sich daheim im Bett aus. Händewaschen ist wichtig. Sich supergut ernähren macht richtig viel Sinn. Jeden Tag an der frischen Luft bewegen ist essentiell. Abhärtung ist die halbe Miete. Gut und ausreichend tief schlafen! Lebensfreude und Freude bei dem, was man tut gehört zu den Monsterboostern. Funktionierende Sozialkontakte, Beziehungen aller Art stärken den Menschen. Und ein Gefühl von Gemeinschaft – wir schaffen die Dinge miteinander, aber nicht im gegenseitigen Beäugen, Bespitzeln, Beschuldigen und Schüren von Angst. Ein gerüttelt Maß an klarem Menschenverstand, Verantwortungsgefühl und guter Lebensstruktur ist hilfreich im Bereich der Lebensordnung.

Es ist die Aufgabe  jedes Einzelnen, für seine Gesundheit die Verantwortung zu übernehmen, denn wohin es führt, wenn wir diese wesentliche Aufgabe outsourcen, dürfte inzwischen ersichtlich sein. Es ist die Aufgabe derer, die ein Land führen, klare Informationen zu geben, Ruhe zu bewahren und aufzuhören, Angst zu verbreiten. Ein System, das zu Angst bei seinen Mitgliedern führt, ist kein dauerhaftes, denn Menschen möchten keine Angst haben müssen, sonst reagieren sie mit Ausbruch. Wir müssen keine Angst haben, wenn wir in Ruhe und vor allem mit klaren Informationen agieren. Im Moment trudeln wir relativ kopflos von einer Krise in die nächste und die wahren und wesentlichen Aufgaben bleiben außen vor:

  • Anleitungen für die Menschen, wie man gesund bleibt (inzwischen gehört das mit zu meinen Hauptaufgaben, Menschen in den Bereichen Körper, Seele und Geist fit zu machen)
  • Klare Sachinformationen, so erklärt, dass man sie begreifen kann
  • Einfache Regeln, die nachvollziehbar sind, dann werden sie eingehalten
  • Ins Auge fassen der wahrhaft drückenden Probleme: Umwelt und Klima, Entwicklung von Arbeit und Wirtschaft, Internationale Zusammenarbeit in allen wesentlichen Fragen, Pflege, Krankenhäuser, Senioren- und Behinderteneinrichtungen mit ausreichend Personal und Gehalt ausstatten, Bildungssystem auf gute Füße stellen etc. pp.
  • Ende der Angstmacherei, stattdessen Unterstützung für alle Programme, die dazu dienen, Menschen lebensfroh und verantwortungsbewusst zu machen
  • Dankbarkeit gegenüber all den Menschen, die jetzt geduldig seit Monaten alles mitgemacht haben, bereit, für die Gemeinschaft alles zu geben und die sich jeden Tag so vernünftig wie möglich verhalten, das sind viele Menschen! Sie testen sich oder sind geimpft je nach Ansicht, sie achten auf ihre Gesundheit, nehmen Rücksicht etc. und werden doch kollektiv in die Verantwortung gestellt. Wer einen hohen Antikörperwert hat, braucht eine angemessene Aufklärung, was wirklich nötig ist
  • Sicherstellung von Strom, Gas, Wasser für den Winter und die
  • Erinnerung daran, dass wir alle fehlbare Menschen sind, die täglich ihr Bestes geben, man dieses Beste aber nicht ausnutzen sollte.

Bitte verhalten wir uns vernünftig, sprechen wir ruhig, klar, verständlich, geben zu, dass wir nicht alles wissen und können und überlegen wir gemeinsam, was gute Wege sein können durch diesen nächsten Winter. Beenden wir die Panikmache und Drohungen aller Art in jedwede Richtung. Angst macht klein und schürt letzten Endes Aggression, die sich auf ungute Weise entladen kann – bauen wir auf Vertrauen, Menschlichkeit und Freundlichkeit. Dann haben Menschheit und Planet trotz und mit Viren Zukunft. Wir sind das allen Lebewesen schuldig, die jetzt mit uns diesen Planeten bewohnen und allen Lebewesen, die nach uns kommen. Beenden wir Hass und Angst. Laden wir das Leben freundlich ein und begegnen wir uns mit Respekt, Wertschätzung und dem Wissen, dass wir alle versuchen, das Beste zu geben. Und der Bereitschaft, voneinander stets zu lernen und anzuerkennen, wenn jemand eine bessere Idee hat – es geht ums Ganze, nicht um Profilneurosen.

Allen ein angst- und virenfreies Wochenende.

 

An diesem Platz, den Katja für uns fotografiert hat, könnte ich vermutlich Tage sitzen. Danke!

Durch die Meere der Zeit

Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen.

Francis Bacon, 1561 – 1626

Dieses Boot ist schon winterfertig und kann nun vor sich hinträumen bis zur nächsten Saison. Katja hat es für uns fotografiert. Vielen Dank!

Was es manchmal braucht

Manchmal ist uns nach lichter Weite, nach Höhe, um den Blick in die wunderschöne Welt schweifen lassen zu können. Manchmal sehnen wir uns nach dem An- und Wegrollen der Wellen am Meer mit dem Geruch nach Tang, Seewasser und der frischen Brise dort. Manchmal braucht es ein warmes Bett, um sich behütet und geborgen zu fühlen.

Kein Tag ist gleich, kein Moment gleicht dem anderen, alles ist beständig im Wandel begriffen. Leben ist ein Kommen und Gehen. Türen öffnen sich und schließen wieder. Wege enden im Nirgendwo und wir suchen lange verzweifelt, wo dieser Weg denn weitergehen könnte, denn auch Rückwege können versperrt sein. Nicht immer scheint die Sonne, manchmal frisst sich die feuchte Kälte förmlich in die Knochen, bläst der Wind, knirscht Schnee unter unseren Füßen oder locken bienendurchsummte sonnensatte Wiesen.

Wenn uns immer wieder bewusst wird, dass sich alles ständig verändert und nichts bleibt, wie es ist, können wir in negativen Zeiten darin Trost finden und in den schönen Momenten erkennen, dass wir auch sie loslassen müssen, sie deshalb wahrhaft genießen dürfen.

Das Rad des Lebens dreht sich, es wartet nicht, was wir möchten und ersehnen, es dreht sich und der ist gut aufgestellt, der mit diesem Lebensatem und Rhythmus mitgehen kann, denn jedes Dagegenstellen kostet übermenschliche Kraft und ist zudem ganz sinnlos.

Gehen wir bewusst in die dunklere Jahreszeit nach der Uhrumstellung und atmen wir bewusst die Frische, die Kühle, die jetzt draußen ist, den Geruch nach nassen Blättern, feuchter Erde und Übergang in die kalte Jahreszeit. Genießen wir die Momente des nach Hause Kommens mit warmem Tee und Gemütlichkeit, mit Kerzenschein und Büchern, die aufs Lesen warten. Nehmen wir jeden einzelnen Moment so, wie er ist – mit seinem Angebot an uns, das Leben im einzig lebbaren Moment wahrzunehmen: jetzt, in dieser Sekunde IST Leben. Das einzige Leben, das du leben kannst.

Allen einen freundlichen Venustag!

 

Maike hat diese zauberhaften Herzen vor blauem Himmel für uns fotografiert! Herzensdank!

Tiere als Lehrer

Bei den meisten Dingen waren die Tiere unsere Lehrer. Die Spinne lehrte uns das Weben. Die Schwalbe die Baukunst, die Nachtigall und der Schwan das Lied.

Demokrit

Stephanie hat das Spinnennetz entdeckt!

Wasser ist Leben

Wasser ist Leben. Ohne Wasser wären wir sehr schnell am Ende unserer Existenz angelangt. Umso beeindruckender, wenn man Quellen besucht, die tief versteckt im Wald aus Felsen entspringen. 1457 wurde der Ort Katzbrw das erste Mal genannt, und heute steht in der Einöde Katzbrui noch immer eine uralte Ölmühle, in der man hervorragend speisen kann.

Rund um die Mühle entspringen den Felsen Quellen, stürzt das Wasser den steilen Berg hinunter. Köstlich schmeckt das Quellwasser direkt am Felsen. Wir Kneippschüler wurden hervorragend begossen, vor allem von oben, als wir auf den Spuren Kneipps in Stephansried waren, einem winzigen Ort, in dem der berühmte Sohn des Dorfes aufgewachsen ist. Kuhglockengebimmel begleitete uns bei unserem Marsch zum Denkmal an der Stelle, an der das Elternhaus Kneipps stand, das mitsamt seinen Ersparnissen, die ihm das Studium ermöglichen sollten, abgebrannt ist, bevor er studieren konnte. Dennoch gab Kneipp seinen Traum, Priester zu werden, keine Sekunde lang auf und schaffte es, das Gymnasium in Dillingen zu besuchen und dann Theologie zu studieren. Kneipp gab nie die Hoffnung auf, dass sein Traum, Priester zu werden, erfüllt werden würde. Er überwand sogar Lungentuberkulose auf dem Weg zu seiner Priesterweihe.

Im strömenden Regen pilgerten wir nach Stephansried und besuchten die Basilika in Ottobeuren, dann eine Wanderung durch den Forst bei Katzbrui. Eine Landschaft, die im Sommer superschön ist, im eisigkalten Novemberregen zeigt, wie stark man sein muss, wenn man hier gut leben möchte. Dass der junge Kneipp einst staunend in der rund vier Kilometer entfernten Basilika in Ottobeuren stand, wundert mich nicht. Das muss dem Kind wie ein Blick in den Himmel vorgekommen sein. Mancher Kursteilnehmer war begeistert von so viel Barock, ehrlich gesagt fand ich die Minikirche in Stephansried deutlich schöner.

Landschaft prägt uns sehr, schreibt sich ein in unsere Art, die Welt zu sehen. Das Allgäu ist eine wasserreiche Gegend, fast immer sieht man dort grüne Wiesen, nicht so verdorrte Grasbüschel wie bei uns hier in der Weinbaugegend. Doch auch hier regnet es – wie heute Morgen, als wir im Stockdunkeln im Schlafanzug mit Mantel drüber durch die klitschnasse Wiese stapften und unisono befanden: langweilig! Ja, es war uns fast zu warm heute Morgen draußen, denn unsere Füße sind das angefrorene Wörishofer Gras gewohnt gewesen in den letzten Tagen. Das Wasser in der Fußbadewanne hingegen, das seit einigen Tagen draußen steht, war dann schon eher frisch zu nennen. So einfach kann man Kneippanwendungen in seinen Alltag einbauen, wer einen Garten hat, kann morgens aus der Bettwärme raus Tautreten und danach bitte für warme Füße sorgen durch Bewegung! Ihr werdet rasch merken, wie frisch das macht und was euch fehlt, wenn ihr es nicht macht. Frohes Probieren!

Der Wald um die Mühle Katzbrui mit einem der zahllosen Wasserläufe dort.

Reinige die Hütte!

Sie [Die Anwendungen] wirken nicht nur auf den Körper allein, sondern ganz besonders auf den Geist. Ist der Körper die Hütte, so darf man annehmen, dass es dem Geist wohler ist, wenn eine Hülle gereinigt und von krankhaften Stoffen befreit ist.

Sebastian Kneipp, 1821 geboren

Das ehemalige Badehäuschen, in dem Pfarrer Kneipp seine berühmten Güsse verabreicht hat.

Tipps gegen Stress

Nachdem unser Gehirn mit der Ausstattung des Frühmenschen auf Stress reagiert, als wären der Telefonanruf, die Ansage vom Chef, der Straßenlärm oder was immer uns nervt der Säbelzahntiger, der unser Leben bedroht, müssen wir an anderen Stellschrauben drehen, wenn wir mit Chaos im Leben klarkommen wollen. Sprich: Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass unser jüngster Hirnteil, der präfrontale Kortex, unterscheidet zwischen überflüssigem Anschiss und Lebensgefahr, sondern müssen vorher das System entspannen (davon mal ganz abgesehen: Ein dauergestresstes Gehirn KANN nicht mehr unterscheiden!).

Wie geht das? Pfarrer Kneipp vertrat da ziemlich hochmoderne und hilfreiche Ansichten. Er propagierte eine kräftige, einfache, saisonale und regionale Küche. Tägliche Bewegung an der frischen Luft war ihm ebenso wichtig wie der Einsatz von Heilkräutern (auch als Küchenkräuter oder Tees), über allem schwebte die gesunde Lebensordnung (die hochmodern ist übrigens) und der bekannteste Teil der Kneippanwendungen, der Einsatz von Wasser.

Was hilft bei Stress? Wie wäre es, wenn du morgens aus dem Bett mit gut gewärmten Füßen kommst und dann als erstes ein paar Schritte übers nasse Gras im Garten gehst? Alternativ kannst du im Zimmer bei geöffnetem Fenster Zimmergymnastik betreiben. Am Mittag nach dem Essen könntest du dir einen Leberwickel zur Verdauungsförderung gönnen mit Schafgarbentee oder besser noch kalt aufgelegt und nachruhen (entgiftet und ist ein Geheimtipp vor allem bei depressiver Verstimmung) oder ein Armbad nehmen, was als Kneippespresso gilt und am Abend bringt dich nichts schneller in den Schlaf, als mit warmen Füßen einen kalten Knieguss zu nehmen oder den gesamten Körper in wenigen Minuten mit kaltem Essigwasser abzureiben und danach gleich  ins warme Bett zu steigen – das Kopfkino hat dann Pause.

Wer nicht rechtzeitig für seine Gesundheit sorgt, braucht später viel Zeit fürs Kurieren von Krankheiten. Kneipp hat Hilfen für zahllose Lebenslagen entwickelt – allesamt höchst wirksam und hilfreich, auch im Hinblick auf die Stärkung unseres Immunsystems. Einfache Sachen, die jeder selbst daheim machen kann, denn einen Wasserschlauch hat jeder oder eine Dusche, an die man ein Gießrohr anbringen kann. Wir werden in Zukunft wieder sehr viel mehr selbst für unsere Gesundheit tun müssen, weil die Kassen überlastet sind  und wir lernen dürfen, dass Gesundheit zunächst ein Thema jedes Einzelnen ist. Dann kann man es doch auch mit bewährten, schlichten und höchst alltagskompatiblen Dingen versuchen, oder? Wir werden euch immer wieder hier hilfreiche Tipps dazu geben, die jeder selbst problemlos in den Alltag einbauen kann, denn die Anwendungen Kneipps sind in aller Regel Sekunden- bis Minutensachen.

 

Mal für euch hier eine meiner Zeichnungen, die die Lernenden bei uns oft genug tapfer erdulden müssen – der Mensch der Frühzeit war sehr oft in Lebensgefahr. Bei Stress reagiert unser Gehirn nach wie vor wie damals – Angreifen oder Flüchten waren die Alternativen.

Dann kommt das Ach und Weh

Alles will gesund und kräftig sein und lange leben, aber tun will man nicht; da lässt man alles gehen, was dazu verhelfen, könnte; so töricht lebt und handelt man. Wenn dann aber das Übel da ist, wenn einem das Messer an der Kehle sitzt, dann kommt das Ach und Weh.

Sebastian Kneipp, 1821-1897

Pfarrer Kneipp, vor 200 Jahren geboren

Achte den Genius loci

Kälte unter den Menschen ist ein schwerwiegendes Problem. Einsamkeit wird wie körperlicher Schmerz verarbeitet und Kälte schließt aus. Kälte entsteht, wenn Menschen Mobbing erleben, wenn Kinder nicht mitspielen dürfen, wir ausgegrenzt werden. Wärme entsteht, wenn sich Arme, Herzen oder Türen öffnen, wir uns willkommen fühlen und aufgenommen.

Es kann so einfach sein, sich wohl zu fühlen. Natürlich verwirren uns Menschen, die anders denken, sprechen oder leben wie wir. Das liegt in der Natur der Sache. Wir kennen ihr Leben, ihre Sprache, ihr Land, ihre Religion vielleicht nicht oder haben nur etwas darüber gehört, was wenig nutzt. Etwas hören heißt nicht, etwas zu wissen, sondern sorgt oft genug für Fehleinschätzungen. Wir glauben auch oft, wir müssten andere Menschen verstehen, um mit ihnen arbeiten und leben zu können. Ich fürchte, dass wir dieses Kriterium an unsere Zeit anpassen müssen. Wir werden nicht mehr warten können, ob und bis wir alle anderen Menschen, um mit ihnen über die Zukunft des Planeten zu sprechen.

Was braucht es? Die Bereitschaft, Menschen zu belassen, wie sie sind. „Urteile erst über einen Menschen, wenn du drei Monde in seinen Mokassins gelaufen bist“, heißt es in einem sehr hilfreichen Sprichwort. Wer nicht drei Monde Zeit hat, darf den Gesprächspartner einfach mal so nehmen, wie er ist. Jeder ist jenseits aller Religion, Sprache, Kultur etc. schlichtweg Mensch mit vergleichbaren Bedürfnissen, eben geprägt durch den genius loci, den Geist des Ortes, wo er lebt und agiert. Wir kennen das oft nicht, sondern brauchen einen offenen Geist, um miteinander die übergeordneten Weltthemen zu besprechen.

Vorschlag: Der Planet hat nicht mehr alle Zeit der Welt, um erhalten zu bleiben. Wie wäre es, wenn wir unsere Befindlichkeiten im Großen (damit ist die weltpolitische Bühne gemeint) und im Kleinen (das gilt für jeden Einzelnen von uns) beiseite schieben, weil sie nicht lösbar sind (wenn wir warten, bis Länder die Menschenrechte anerkennen, Kriege beenden etc. werden wir niemals vorankommen) und uns den übergeordneten Themen des Planeten zuwenden? Wenn wir da auf guten Wegen sind, haben wir die „Fremden, Anderen“ vielleicht schon etwas besser kennengelernt, falls nicht, wäre dann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen, von anderen zu lernen, zu hören und zu staunen, wie sie mit Dingen umgehen.

Für uns sind Kartoffeln ein Alltagsprodukt, in anderen Ländern ein kostbares Geschenk der Pacha Mama, der Erdmutter, die unzählige Sorten wachsen lässt – allein an diesem Beispiel können wir so vieles voneinander erfahren, neu Respekt erleben, den Horizont erweitern und erleben: So hab ich das noch nie gesehen, das ist ja interessant! Dann verändern sich auch unsere Scheuklappen, sie werden weit, im Idealfall fallen sie ganz ab.

Wärmen wir unser Herz. Sorgen wir für warme Füße und Hände und öffnen die Herzenstür für die Menschen, die Begegnung brauchen, um aus der Erstarrung zu kommen.

Allen einen kraftvollen Dienstag!

 

Das Foto zeigt die Steinstelen im Sonnenlicht. Großartig, wie sie Landschaft prägen und rahmen.

Sei herzlich!

Viel Kälte ist unter den Menschen, weil wir nicht wagen, uns so herzlich zu geben wie wir sind.

Albert Schweitzer, 1875–1965

Die Rose im ersten Frost des Herbstes – zauberhafte Glitzerdiamanten im frühen Morgenlicht.