Monthly Archives: Juli 2020

Wochenend-Nachdenk-Input

Der Dörrautomat ist im Einsatz. Der Apfelbaum wirft die überzähligen kleinen Äpfelchen ab, die er nicht alle großwerden lassen kann. Sie fallen einem direkt in die Hand und werden zu Apfelringen für den Winter verarbeitet. Es duftet herrlich, denn einige Aprikosen sind auch gleich mit in den Dörrautomaten gewandert. Es ist wunderbar, im Winter einfach ein Glas aus dem Schrank zu holen und man  hat die Sommerfreude vor sich. Das erste Jahr, in dem der Apfelbaum über und über mit Früchten ausgestattet ist. Ich hoffe, ich kann viel dörren und bin gespannt, wie gut die Sorte lagerfähig ist. Soweit waren wir nie gekommen, weil wir die wenigen Äpfel bisher immer zu schnell aufgegessen haben.

Am Wegrand blühen schon die Zichorien in ihrem erstaunlichen Blau. So viele blaue Blüten gibt es gar nicht in der Natur. Jedes Mal habe ich das Märchen des Mädchens im Kopf, die auf ihren Geliebten wartet und er kommt nicht, so verwandelt sie sich in die Wegwart. Das fällt mir ein, wenn ich Zichorien sehe und ich denke daran, dass die Wurzeln früher geröstet, gemahlen und in Kriegszeiten als Muckefuck genutzt wurden .

Viele haben nun in den Ferienmodus geschaltet. Das überrascht mich jedes Jahr, dass Ende Juli, Anfang August gefühlt alle in eine Art Sommerschlaf kippen und davon ausgehen, dass alle anderen das auch tun. Nein, tun wir nicht. Wir schreiben jetzt am Wochenende, an dem jetzt keine Kurse sind, unsere Facharbeiten fertig und Montag geht es ganz normal in der Praxis weiter. Wer die Ferienzeit nutzen will, um sich für den Herbst gut aufzustellen, hat jetzt die besten Möglichkeiten dazu. Wir haben gesehen, wie schnell wir erschöpft sind und gefühlt am Rad drehen, wenn die Welt anfängt zu stolpern. Und was ich so beobachte bei den Menschen, sind sie sehr erschöpft, nach wie vor verwirrt, aus dem Tritt. Viele sagen: „Bei mir ist jeder Dampf raus“, „ich komm gar nicht mehr rein in den Alltag“, „ich hab zu allem keine Lust mehr“ oder gar: „Wozu der Aufwand? Es ist doch eh alles sinnlos.“ Das ist erschreckend und auch nicht hilfreich.

Viele Schulleiterkollegen berichten mir, dass alles zäh ist, kaum in Gang kommt, alles auf Warteposition. Auf was warten wir denn? Dass Godot erscheint? Man kann sich an den Spruch halten „Der Eine wartet, bis die Zeit sich wandelt, der Andere packt sie an und handelt“. Klar kann man warten, ich frage mich nur immer, warum wir das tun. Das macht bei vielem Sinn, nicht aber bei der Frage, wie ich mich persönlich in meine Kraft bringe, dafür sorge, dass ich gut aufgestellt bin und eine gute Form der Selbstfürsorge entwickle. Welche Bildungslücken möchte ich schließen? Wo sehe ich die Möglichkeit, etwas zu lernen, was für die Zukunft hilfreich sein kann? Es macht mehr Freude, sich solche Fragen zu stellen, anstatt sich zu beklagen, dass alles ganz furchtbar sei, das Leben so schwierig, die Zukunft so ungewiss. Sie war nie gewiss, in keiner Richtung! Leben ist immer ein Abenteuer. Die Welt ist nach wie vor ein Wunder. Kinder werden geboren – wie sollen sie denn aufwachsen? In einer Welt der Verzagten? Hoffnungslosen? Ängstlichen in Bezug auf eine garantiert schlechte Zukunft?

Allen ein Wochenende, an dem sie Mut fassen, Veränderungen anzugehen. An dem ein gutes Buch auf den Tisch kommt. Eine Wanderung in der Natur. Ein Gespräch mit Menschen, die gestaltungsfreudig sind in Bezug auf das, was kommen kann. Sich daran erinnern, wer sie inspiriert und begeistert. Lassen wir uns rote Backen vor Freude zaubern. Erleben wir das gute Gefühl, dass wir handlungsfähig sind, uns auf den Weg machen können und dürfen und dass wir zu jeder Zeit jede Menge Wahlmöglichkeiten haben. Nur Mut! Und losgehen. Der Weg entsteht stets nur beim Gehen.

Fröhliches Wochenende!

Die Jungfer im Grünen, ein Hahnenfußgewächs, hat sich für Sigrids Kamera schön gemacht. Danke!

Spazierengehen

Ich gehe viel spazieren, einmal einfach, weil strahlendes Wetter ist, dann auch, weil ich die kommenden Herbststürme vorausahne. So nutze ich wie ein Geizhals das aus, was Gott mir schenkt.

Marie de Sévigné

Die einladende Bank im erholsamen Grün hat Sigrid entdeckt! Danke!

Freitags-Nachdenk-Input

Selbstbeherrschung, die Albert Schweitzer anregt in seinem Zitat – eine sehr hohe Kunst, die zudem nochmal schwerer ist, wenn man eher zum sanguinischen oder cholerischen Temperament gehört, da zischt dann schon mal schneller etwas heraus, bevor das Gehirn gefiltert hat. Gestern Abend ging ein wunderbarer Eurythmiekurs zu Ende und wie üblich haben wir uns danach noch ordentlich verschwätzt. Da ging es unter anderem auch um die Frage der Disziplin und ob das ein Wert sei. Für einige Menschen ist das ein höchst negativer Begriff.

Grundsätzlich stammt Disziplin von disciplina ab, was Lehre oder Schule heißt und manchmal auch mit „Zucht“ übersetzt wird. Der Begriff ist natürlich negativ verbunden mit „Zuchthaus“, „Zucht und Ordnung“ und da schwingt jede Menge schwarzer Pädagogik mit.

Selbstdisziplin ist durchaus ein beachtlicher Wert, wie die Dunedin-Studie von 2011 belegen kann. Darin wurde geprüft, ob bestimmte Aspekte von Selbstkontrolle in der Kindheit wie Selbstdisziplin, Gewissenhaftigkeit, aber auch Ausdauer auf ein späteres erfolgreiches Leben Auswirkungen haben – sie haben es in den Bereichen Gesundheit, materiellen Wohlstand und Zufriedenheit, ganz frei von sozialem Stand und Intelligenz. Wer als Kind gelernt hat, auch mal an etwas dranzubleiben, sich durchzubeißen, sich geübt hat, nicht dauernd alles und sofort haben zu müssen und zu wollen und angehalten wurde, auch zuverlässig zu sein, tut sich später leichter.

Ein hervorragendes Hilfsmittel zum Erüben dieser Werte stellt das Erlernen eines Instruments oder einer Sportart dar. Denn all diese Dinge wie Gewissenhaftigkeit, Ausdauer und Selbstdisziplin werden hier ganz selbstverständlich erübt. Nehmen wir Kindern diese Entwicklungsmöglichkeiten, ist das schade. Viele Erwachsene bedauern es sehr, wenn sie kein Instrument spielen können und je nach Sportart kann der Mensch bis ins höchste Alter hinein beweglich sein und wird so auch seinen Geist beweglicher halten.

Was das bringt, sieht man erst viel später. Ich bin schon mit drei Jahren ins Ballett gekommen, das waren früher noch ordentliche Drilleinheiten. Was habe ich mitgenommen aus fast 13 Jahren Ausbildung? Ein sehr breites Repertoire an Musik und Choreographien in meinem Kopf. Ein enormes Maß an Disziplin. Die Fähigkeit, mich komplett in mir selbst auszubalancieren. Aufrichtekraft und Haltung. Tiefen Respekt vor Menschen, die gute Selbstbeherrschung haben. Und allertiefsten Respekt vor der Leistung vieler Sportler, Musiker, Tänzer und aller, die immer wieder entweder ihren Geist dehnen oder sich selbst herausfordern, um im Grenzbereich flexibel zu bleiben. Und ein ganz tiefes Wissen darüber, dass wir immer und immer üben dürfen, denn etwas darf in Fleisch und Blut übergehen, sonst ist es nicht „verinnerlicht“.

Allen einen freundlichen und wertigen Venustag.

Das herrliche Bergseefoto stammt von Katja. Ich hatte beide Fotos nebeneinander und fand es sehr erstaunlich, wie anders ein Bergsee wirken kann. So hat jeder Fleck auf dem Planeten seine ganz eigene Schönheit. Danke für das Foto!

Seslbstbeherrschung

Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.

Albert Schweitzer

Gabi war am Staffelsee und hat dieses Bild mitgebracht. Dankeschön!

Donnerstags-Nachdenk-Input

Ich bekam eine tolle Mail. Eine Familie ist von Garmisch Partenkirchen bis Meran gewandert – 13500 Höhenmeter. Eine grandiose Leistung und mit Sicherheit ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Über 200 Kilometer ist die Strecke lang. Das ist in der Ebene gut machbar, aber nicht quer über das Gebirge.

Das erinnerte mich an eine Geschichte über Sebastian Kneipp, der einmal eine Anfrage von einem kranken Mann bekam, ob er nach Wörishofen kommen könne zur Genesung. Kneipp schrieb, er könne kommen, wenn er zu Fuß ginge. Der Weg war weit. Sehr, sehr weit. Als der Mann ankam, waren die meisten der Beschwerden verschwunden, so zumindest berichtet es die Geschichte. Ob sie wahr ist oder nicht, weiß ich nicht. Mir gefällt sie, weil sie die Aussage stärkt „Der beste Weg zur Gesundheit ist der Fußweg“.

Heute wurde ich nach Tipps fürs Immunsystem gefragt.Da gibt es viele Möglichkeiten. Die einfachsten Mittel sind: ausreichend schlafen. Viel bewegen. Singen. Tanzen. Tief in den Bauch atmen. Sehr gut und bewusst essen. Ein gutes Stressverhalten üben. Mit freundlichen Menschen arbeiten. Zu sich selbst freundlich sein. Genügend Wasser trinken. Einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Die Natur schützen, anderen dienen. Schauen, was im Garten oder am Wegrand wächst, es könnten die Heilmittel der nächsten Woche sein. Sich jeden Tag aus tiefstem Herzen freuen. Musik! Kunst! Und jede Woche mindestens einmal die Hände tief im Erdreich haben, um den Boden zu spüren. Sich mit möglichst vielen Pflanzen umgeben. Den Platz zwischen den Ohren freihalten von Hass, Neid, Zwietracht, Gier und Bösartigkeit. In Summe müsste das ausreichen, um gut aufgestellt zu sein. Für alle Fälle.

Allen einen freudigen und immungestärkten Jupitertag!

 

Für eine wahre Augenweide sorgt Steffis Foto! Danke dir!

Sommermorgen

An einem Sommermorgen

 

An einem Sommermorgen

da nimm den Wanderstab,

es fallen deine Sorgen

wie Nebel von dir ab.

Des Himmels heitre Bläue

lacht dir ins Herz hinein

und schließt, wie Gottes Treue,

mit seinem Dach dich ein.

Rings Blüten nur und Triebe

und Halme von Segen schwer,

dir ist, als zöge die Liebe

des Weges nebenher.

So heimisch alles klingt

als wie im Vaterhaus,

und über die Lerchen schwingt

die Seele sich hinaus.

Theodor Fontane, 1819–1899

Die herrliche Artischockenblüte hat Manuela fotografiert. Vielen Dank!

Mittwochs-Nachdenk-Input

Aussichten – manche sind schön, andere werden „wenig rosig“ genannt. Uns Menschen sind Aussichten wichtig, denn sie sind zum einen mit Hoffnung verknüpft (die Aussichten stehen gut) oder mit Weite (Fern-, Übersicht). Nachdem nun in den meisten Bundesländern Ferien sind und dieses Jahr vieles anders sein sollte, aber nicht ist, werden wir mit anderen Aussichten konfrontiert. Wer jetzt vielleicht landschaftlich noch tolle Aussichten hat und genießt, kehrt vielleicht heim und hat unerwünschte Mitbringsel, die zu schlechteren Aussichten für viele führen könnten.

Vernunft wäre das Gebot der Stunde. Ich kann verstehen, dass Menschen gern reisen und der tiefe Wunsch nach Erholung vorhanden ist. Viele haben weder Garten noch Park oder Möglichkeiten, aufs Land in der Nähe zu fahren. Dass da die Sehnsucht nach der Ferne groß ist, ist nachvollziehbar. Es ist die Frage, ob wir gerade als Kollektiv im Moment richtig handeln oder manches falsch eingeschätzt haben könnten. Bislang hielt ich die wirtschaftlichen Folgen für den Herbst für beachtenswert, nun kommen andere Fragestellungen erneut in den Blick.

Allen Urlaubern gönne ich jede Feriensekunde, jeden Strandmoment, jede Auszeit. Ich würde mir wünschen, dass eine erneute Beschäftigung mit der Pandemie an sich anstatt mit ihren leider noch ins Haus stehenden Folgen nicht notwendig wird. Die Frage ist, was wir aus den Frühjahrserfahrungen gelernt haben und Viren richtig einschätzen, denn sie sind fix in der Anpassung und Veränderung, das unterscheidet sie von manchen Menschen.

In der Praxis werde ich jeden Tag mit den Folgen der Pandemie konfrontiert. Es gibt ein Vorher und ein Nachher, aber kein Zurück. Das vergessen wir gerade ein wenig. Ich sehe das jeden Tag und es ist tiefgreifend.

Allen Urlaubern schöne Ferien mit Erholung in dem Rahmen, der möglich ist. Allen, die nicht wegfahren können – machen wir das Beste daraus. Auf Schusters Rappen durch die eigene Heimat zu gehen zeigt uns oft, weshalb Menschen aus anderen Regionen bei uns Ferien machen. Wir haben viel zu entdecken, das direkt vor unserer Türe liegt. Jenen, die durcharbeiten – Danke. Es macht Sinn in diesem Jahr, die Welt mit neuem Blick zu betrachten und mit den veränderten Koordinaten unseres Systems umzugehen.

Ob uns das gefällt oder nicht, besteht die Kunst im Leben oft darin, die Dinge zu nehmen, wie sie sind und zu versuchen, damit klarzukommen. Es wird wieder viel mehr die eigene Kreativität, die Kraft unserer Phantasie gefragt und die Fähigkeit, die den Menschen auszeichnet – Menschlichkeit. 2020 brauchen wir dazu eine gehörige Portion Besinnung darauf, wie wir uns selbst gut aufstellen, uns körperlich und vor allem mental gut versorgen, um für die nächsten Monate gut gerüstet zu sein. Nutzt die Ferienzeiten dazu. Wann, wenn nicht jetzt? Und wer, wenn nicht du?

Einen schönen Wochenteilungstag allen.

Die Morgenstimmung hat Theresa 2019 irgendwo auf dem Jakobsweg eingefangen. Danke dafür.

Dienstags-Nachdenk-Input

Sommerzeit ist Erntezeit. So mancher wird vom Erntesegen etwas überrascht. Manche Jahre sind für bestimmte Pflanzen nicht gut, es wächst wenig. Unser Quittenbaum trug letztes Jahr Unmengen, der Apfelbaum gar nichts, dieses Jahr ächzt der Apfelbaum unter seiner Last. So langsam hole ich den Dörrautomaten hervor, damit wir im Winter ausreichend Apfelringe am Start haben. Dafür bin ich so dankbar, dass wir solche Dinge selbst im Garten haben.

Jetzt ist auch wieder die Zeit der freundlichen Anfragen, ob man eine Zucchini wolle. Die hat dann meist die Größe, um eine Fußballmannschaft zu verjagen. So werden Zucchini, seit sie bei uns heimisch wurden, überall versteckt. In Salaten, in Kuchen, in Muffins, in Lasagne. Überall findet man etwas, das bei genauerer Betrachtung durchaus mal eine 50 Zentimeter-Zucchini gewesen sein könnte. Ich mag gern Zucchini, denn sie sind relativ geschmacksneutral und drängeln sich nicht in die erste Reihe. So gefühlt eine pro Woche von 15 Zentimetern Länge und doppelter Bratwurstdicke jedenfalls.

Schwemme – das Wort taucht dann wieder auf. Es bezeichnet ein Übermaß. Mir gefällt das Wort Fülle viel besser. Im Erntekorb die Fülle feiern, das hat was. Alles im Garten hat seine Zeit. Die Johannisbeeren sind ebenso wie die Stachelbeeren durch, jetzt reifen die Brombeeren heran und werden uns sehr erfreuen. August ist Saftkochzeit bei uns und dazu brauchen wir die Brombeeren sehr notwendig. Sie ergeben so einen herrlichen Saft. Dann folgen hoffentlich die Holunderbeeren, damit wir im Winter gewappnet sind und die letzte Verarbeitung vor den Schlehen wird Quitten gewidmet sein, deren feines Aroma Ende Oktober die letzten Wespen vor das Küchenfenster lockt.

Dieses Mitleben im Jahresrhythmus finde ich wichtig. Wir lernen daran wie nebenher, dass alles zu einer bestimmten Zeit gesät, gepflanzt werden will, reift und geerntet werden kann. Es hat alles eine große Ordnung, spannt einen Bogen zwischen Werden und Vergehen. Uns fehlt das Miterleben des Jahreskreises enorm, denn wir wären insgesamt wesentlich stabiler und besser aufgestellt, wenn wir uns eingewoben fühlten in diesen Atemzyklus der Erde. So erleben wir uns oft wie abgetrennt. Gehen wir ruhig mit dem Jahr. Essen wir jetzt die Brombeeren. Die Zwetschgen und frühen Äpfel.

Allen eine frohe Erntezeit und guten Genuss.

Sigrid hat die Zucchini im Garten fotografiert. Danke dafür!

Blumen und Straßen

Die Normalität ist eine gepflasterte Straße. Man kann gut darauf gehen, doch es wachsen keine Blumen auf ihr.

Vincent van Gogh

Wenig Maler hatten so ein Verhältnis zu Sonnenblumen wie Vincent van Gogh und daher ehren wir ihn mit Sigrids wunderschönem Foto, Danke!

Montags-Nachdenk-Input

Not-wendige Wandlung. Auf welches Jahr würde es besser passen, oder? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass immer mehr Menschen verstehen, was Wandlung meint. In einem alten Kirchenlied heißt es „Ändert den Sinn“. In den Heilungsgeschichten des Neuen Testaments lesen wird „Steh auf, nimm dein Bett und wandle“. Darüber denke ich seit Jahren nach und lese es so: Jesus geht nicht hin und „macht etwas“. Er sagt: „Steh auf“. Für jemanden, der bettlägerig ist, ist das eine erstaunliche Ansage. Ich interpretiere das so: Wenn dir etwas wichtig ist zu tun, dann musst du auch aufstehen und handeln. Bleibst du liegen, lässt du geschehen, auch eine Entscheidung. Aber für das, was wir wahrhaftig wichtig, was wesentlich ist, wirst du nicht umhin können als aufzustehen, einzutreten dafür, Flagge zu zeigen. Und es ist die erste Ansage des Satzes. Für mich bedeutet es: Es ist stets deine Entscheidung, ob du für etwas auf/einstehen willst oder nicht. Aber wenn Veränderung geschehen soll, musst du aufstehen. Und zwar alleine. Denn du musst begreifen, dass die Verantwortung für dein Denken, Fühlen und Wollen ganz bei dir alleine liegt. Stand by your man.

„Nimm dein Bett“ – wenn wir das wörtlich nehmen, wäre es in meinem Fall ein massives Holzbett, 2 Meter auf 2 Meter, plus Matratzen und allem, was dazu gehört. Die Vorstellung, das „mal schnell zu nehmen“, hat was. Ich übersetze das so: „Es riecht nach Arbeit.“ Da ist also was zu tun, von alleine wird’s nicht laufen. Herrlich! Es zeigt klar auf: Veränderung ist mit Arbeit verbunden und nicht zu knapp. Und es könnte so richtig anstrengend sein.

„Und wandle“ – wandeln hat viele Bedeutungen. Im antiken Griechenland gab es die Wandelhallen, die Menschen gingen dort philosophierend umher, den Umstand nutzend, dass gleichmäßiges Dahinschreiten eine echte Denkhilfe ist. Ich bin Langsamlerner, ich lerne immer laufend und nutze das Prinzip des „in Fleisch und Blut“-Übergehens wörtlich. Die Peripatetiker wandelten und kamen zu guten Erkenntnissen. Also könnte es in Bezug auf unsere Fragestellung bedeuten: Mach dich auf den Weg der Veränderung! Wandeln bedeutet aber auch wirklich ver-wandeln. Aus etwas Negativem etwas Positives generieren. Verändern. Beides: gehend verändern. Procedere heißt voranschreiten – Heilung als Prozess. In einem einzigen Satz zusammengefasst, genial.

Was mir daran auffällt: Das ist eine klare Ansage. Die bräuchte es oft, wo Flauschiges gern das Auge täuscht. Es ist eine knappe Gebrauchsanleitung für das Leben insgesamt. Und es ist eine Aussage in größtmöglicher Freiheit – Jesus verlangt nicht, dass jemand etwas tut. Er stellt es dem Menschen vollkommen frei, aufzustehen oder es bleiben zu lassen. Er vertraut dem Menschen, den er anspricht, dass er die für ihn richtige Entscheidung trifft.

Wann immer mir dieser Satz in den Sinn kommt, begeistert er mich.

Allen einen guten Start in eine neue Woche, in der wir aufstehen (zu uns stehen, uns über uns klar werden), unser Bett nehmen (bereit sind, an uns zu arbeiten) und wandeln!

Das wunderschöne Foto hat Ursula gemacht, Dankeschön.

Wandeln

Wandlung ist so notwendig wie die Erneuerung der Blätter im Frühling.

Vincent van Gogh

Manuela hat die Blätter fotografiert. Vielen Dank!

Wochenend-Nachdenk-Input

Das letzte Kurswochenende vor den Sommerferien in Bayern steht an. Die angehenden Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie (so der volle „Name“) werden den Kurs abschließen und fein lernen bis zur Prüfung. Die angehenden Cardea-Therapeuten haben einen neuen Kursteil über den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper, Mind-Body-Medicine. Da gibt es viele Zusammenhänge, denn wenn wir körperlich nicht fit sind, sind wir es mental auch nicht und umgekehrt. Unsere Lebensführung steht dem oft entgegen. Die meisten Menschen haben nicht mal ansatzweise eine Ahnung, dass viele Depressionen und Verstimmungen ihren Ursprung in Leber, Galle und Darm haben. Man kann Körper, Seele und Geist nicht trennen.

Unsere Facharbeiten schreiten voran. Am Sonntag ist kein Kurs, da werde ich mich an die Korrekturen meiner Arbeit setzen und hoffen, dass ich keine allzu großen Fehler übersehe. Wenn das geschafft ist, geht es los mit dem Zusammenschreiben des Lernstoffs für die schriftliche und mündliche Prüfung. Am Freitag kamen die Prüfungstermine. Irgendwie sind die sehr bald :-), jetzt hat alles ein konkretes Datum, bis wann der Lernstoff drin sein muss. Für mich als ewiger Leser, Rausschreiber und Zusammenschreiber ist das immer wieder ein Akt, mich vorzubereiten. Ich schreibe, verdichte und erst dann geht es ans Lernen. Ich beneide manchmal Menschen, die was anschauen und merken es sich oder hören es und wissen Bescheid. Bei mir geht das nie. So bleibt man sich selbst immer wieder im Leben ein großes Fragezeichen. Ehrlich gesagt – das finde ich schon spannend.

Viele berichten mir, dass sie nun doch in Urlaub reisen. Man weiß ja nie, sagen sie, was kommt. Nun – das wissen wir nicht mal für die nächsten drei Minuten. Reisen scheint ein tiefes Bedürfnis der Menschen zu sein, aber es geht ihnen meist gar nicht um das Entdecken fremder Kulturen, Kunst, Bauwerke, das Üben anderer Sprachen oder den Genuss unbekannter Speisen, dem Lauschen ungehörter Klänge und das Eintauchen in die Bilderwelt der Gastgeber! Es geht um Handtuch auf Liege, um All-inclusive-Buffetsy. Oder sie erschrecken Kühe (!) oder meinen, ihre Hinterlassenschaften an unberührten Orten sei eine Ehre für das derart verletzte Land. Da bliebe mancher lieber daheim, anstatt dass er heilige Orte entweiht, Tiere in ihrer ohnehin kaum vorhandenen Ruhe stört oder sonstwie schmarotzend unterwegs ist.

Wie viele haben denn die Riemenschneidermadonnen in unserer Gegend gesehen oder sind die Rhön durchwandert, den Steigerwald mit seinen zauberschönen Ecken oder das Taubertal? Instant-Ferien. Kurzeindruck. Nix Land und Leute.

Vielleicht wird uns in diesem doch eingeschränkten Reisejahr wieder ins Bewusstsein getragen, was Heimat sein könnte. Im Sinne von „lerne die Welt kennen, in der du lebst und andere Urlaub machen“. Mit dem Rad, der Bahn, auf Schusters Rappen. Die Vorstellung, mit Massen in einem Flieger abtransportiert zu werden, am Urlaubsort ausgespuckt, in Hotels kaserniert und dann das Land nicht kennenlernen, weil mein Ziel eine Liege am Hotelpool ist, ist mir reichlich fremd. Mir reicht mein Kneipp-Gießrohr vollkommen, denn jetzt beginnt bald die Verarbeitungsphase der Sommerernte. Das Gefühl eines gefüllten Vorrats kann kein Urlaub toppen, denn an meinen Säften habe ich täglich über Monate Freude (es reicht meistens für ein Jahr komplett), wo gibt es das sonst!

Allen ein schönes letztes Wochenende vor dem Beginn der Sommerpause. Wer nicht verreist, möge sich nicht grämen. Nichts bleibt, wie es ist. Und wer weiß, was nun zu entdecken ist in diesen Sommertagen.

Herzlichst Danke an Steffi für das sonnenwarme Foto.

Für Männer mittleren Alters

Lavendel, Minze, Salbei, Majoran, / die Ringelblum‘, die mit der Sonn‘ entschläft / und weinend mit ihr aufsteht: Das sind Blumen / aus Sommers Mitte, die man geben muss / den Männern mittlern Alters.

William Shakespeare, Das Wintermärchen IV, 3./Perdita

Den Lavendel jedenfalls hat Sigrid schon mal aufs Beste festgehalten. Danke!

Freitags-Nachdenk-Input

Gestern bekam ich ein Päckchen (ich liebe es!), ganz unerwartet. Mit köstlichem selbstgemachtem Gebäck. Einfach so, ganz liebevoll verpackt und die Post hat es ausnahmsweise weder gerührt noch geschüttelt, alles war unversehrt. Diese „einfach so“-Momente des Lebens bringen Sonnenschein in unser Herz. Sie freuen den, der das Päckchen packt und den, der es bekommt. Dazu muss es nicht immer ein Päckchen sein.

Wir freuen uns über liebe Grüße auf einer selbst bemalten Postkarte, in einem handgeschriebenen Brief und auch in einer liebevollen Mail, wenn sie unerwartet eintrudeln. Sie zeigen: jemand denkt gerade liebevoll an uns und wir sind es diesem Menschen wert, dass er sich einer Mühe unterzieht und uns das wissen lässt.

Meine Klienten, denen es oft wirklich schlecht geht und die sich auch entsprechend fühlen, bekommen die Aufgabe, sich ein „Freuerle“ im Tag zu suchen. Jeden Tag, ohne Pause. Und zwar eines, das NICHT für sie selbst ist, sondern für einen anderen Menschen. Es ist ganz egal, aus was diese Freude besteht. Ganz sicher nicht aus materiellen Gaben, sondern der Nachbarin im Haus den Wasserkasten hochtragen. Mindestens drei Leute freundlich grüßen. Jemandem einen Kaffee bezahlen, den man gar nicht kennt (oder mindestens einen zahlen in Geschäften, wo das geht, für Menschen, die sich keinen an diesem Tag leisten können). Danach dürfen sie sich ein „Freuerle“ geben, meistens in Form einer guten Tasse Tee aus ihrer Lieblingsschale.

Winzige Dinge verändern die Welt und bringen Glück. Wir meinen oft, das Glück werde frei Haus geliefert und sei so groß, dass es für den Rest des Lebens reicht. Finde den Fehler! Glück sind diese vielen kleinen Momente, in denen wir anderen einfach von Herz zu Herz begegnen. Ihnen damit ein Stück ihrer Würde wiedergeben. Nichts erwarten. Etwas geben freut uns sehr, wenn wir sehen, dass der Beschenkte angenehm überrascht ist. Und wenn es ein Smiley am PC des Bürokollegen ist, das wir „anonym“ hinhängen und uns innerlich wegkugeln, weil er ewig überlegt, wer das hingehängt hat.

Werdet zum Detektiv der Freude! Virginia Satir, die große Familientherapeutin, wünschte sich als Kind nichts mehr, als „Familiendetektivin“ zu werden, um herauszufinden, was Familien zerstört. Ich mochte das Wort sofort. Detektiv der Freude sein finde ich mindestens so spannend. Auf der Pirsch sein im Auftrag der Begeisterung, der Freundlichkeit, der Fröhlichkeit, der Leichtigkeit und letztlich der Liebe, die nicht fordert, nur ist. Deshalb heute zum Venustag der Woche eine freudige herzliche Umarmung an alle und die Einladung, eure Momente der Freude heute einfach mal zu teilen. Wir haben in den letzten Monaten so viel Virenpanik erlebt. Wie wäre es also heute mal mit einem Lächelvirus und einer hohen Ansteckungsrate der Freude?

Fröhlich auf der Leine trocknen derzeit Schafgarben, Pfefferminze, Melisse, Salbei, griechischer Bergtee und Johanniskraut.