Monthly Archives: September 2020

Perfekte Möglichkeiten

Natur fühlen – für manchen klingt das nicht erfreulich, denn wenn es kälter, nasser und nebliger wird, melden sich auch gern morsche Knochen. Die großen Wetterverschiebungen im Jahr machen sich bei empfindlichen Menschen bemerkbar, der Blutdruck schwankt und so mancher friert im Inneren.

Es kommt die Zeit der Teetassen, Wolldecken und Socken, auch wenn der Oktober durchaus golden und damit sehr warm werden kann. Leugnen lässt sich der Herbst nun nicht mehr, was wir am Farbspiel in der Natur gut sehen können. Vieles reift, gedeiht und wächst noch wie die Quitten, die jetzt fein zulegen dürfen.

Tage derzeit, die mich überraschen von dem, was die Menschen bewegt. Ich habe zur Zeit viele Aufstellungen in Einzelsitzungen, bei denen Menschen Themen angehen, die seit Jahren vor sich hinschwelen, nie greifbar waren und nun durch die Pandemiezeit hochdrängen und gelöst werden möchten. Das sind so wunderbare Momente, wenn klar wird, wie mancher Zusammenhang ist, wo was wie gelöst und damit auch wieder ganz werden darf. Sternstunden.

Solche Momente gibt es mit Paaren, denn die Zeit war für Paare kein Sonntagsspaziergang, bei aller Liebe nicht. Es geht um Kommunikation, Vertrauen, ein zueinander hinwachsen und die Möglichkeit, innerhalb von Beziehungen eigenständig bleiben zu dürfen und sich zu entwickeln. Das wird oft als Bedrohung empfunden, doch gehört Entwicklung zum Leben dazu und manchmal prescht halt der eine vor und der andere bleibt gefühlt zurück, doch jeder zu seiner Zeit. Es findet sich. Beziehungen haben oft ja was von Hase und Igel. Während der Hase sich hetzt, hat der Igel gute Ideen und chillt vor sich hin. Temperamente reiben sich an Temperamenten, ein Choleriker und ein Phlegmatiker sind einfach unterschiedlich, zusammen sind sie  ein Team mit einer super Spannweite – wenn man gelernt hat, den anderen mit seinen Eigenheiten anzunehmen und nicht zu versuchen, ihn oder sie auf die eigene Seite zu ziehen. Ein tiefsinniger und langsam voranschreitender Mensch wird kein Springinsfeld. Höchstens kurzfristig und ungern. Lassen wir also manche springen und andere schleichen, die Vielfalt macht die Welt erst bunt.

Wir freuen uns am Montag auf die GlücksWERKstatt, die erste seit dem 17. Februar. Wer mit dabei sein will, kann sich gern anmelden.

Mit Dankbarkeit gehe ich in diese Tage hinein, denn die Menschen, die herkommen und ihre Themen angehen, sind für mich die stillen Helden des Alltags. Sie suchen Wege, um ihr Leben zu gestalten, in den Griff zu bekommen, die Vergangenheit nicht die Zukunft bestimmen zu lassen. Stück für Stück arbeiten sie sich durch und wagen so manchen mutigen Satz hinein in ein neues Leben. Krisenzeiten im Außen sind perfekte Möglichkeiten, sich zu trennen von allem, was einfach nicht mehr ins Leben passt und sich mutig auf neue Wege zu begeben. Rein ins Abenteuer. Die Welt braucht kreative Lösungen und begeisterte Menschen, gerade in solchen Zeiten! Nutzen wir die ermutigende Zeit rund um Michaeli dazu gut aus.

Allen einen freundlichen und fröhlichen Jupitertag!

Danke an Sigrid für das feine Radfoto. Es freut mich, wenn Menschen mit der Kamera unterwegs sind und ein Auge für die kleinen zauberhaften Details am Wegrand haben. Und wir freuen uns alle mit.

Den Drachen bezwingen

Der Michaelitag liegt hinter uns. Michael verbinden wir oft mit dem Bild des Kämpfers gegen den Drachen und mit dem Bild des Seelenwägers, der nach dem Tod des Menschen die guten und schlechten Taten aufwiegt. Diese Idee findet sich schon in einem ägyptischen Totenbuch (Papyrus des Hunefer), das die Prüfungen der Seele nach dem Tod beschreibt.

Warum ein Drachenbezwingerfest zum Beginn des Herbstes? Das ist einfach. Wir gehen nun mit großen Schritten in die sogenannte keltische Nacht, die dunkle Jahreszeit. Ab der Nacht zum 1. November sind die Schleier zwischen den Welten offen und damit wir gut mit den Herausforderungen von Kälte, Dunkelheit und Nähe der Welten zurechtkommen, ist es hilfreich, die inneren Dämonen, die im Bild des Drachens zusammengefasst sind, im Griff zu haben. Selten wird der Drache in den Michaeldarstellungen getötet, er wird gezähmt, manchmal hält ihn sogar eine Jungfrau lose an einem Seil.

Ein ähnliches Bild vermittelt das Labyrinth, in dessen Mitte sich der Minotaurus verbirgt, die maximale Konfrontation des Menschen mit seinen abgelehnten, verleugneten und ungemochten Seiten. Es beginnt nun die Vorbereitungszeit auf das Durchstehen der Dunkelheit und Kälte bis Lichtmess Anfang Februar, unterbrochen von der Geburt des göttlichen Lichts, des Mabonknaben, dem die Kirche später die Geburt Christi übermalt hat, um den „neuen Glauben“ besser annehmbar zu machen.

Unsere Schattenanteile steuern unser Handeln häufiger als uns lieb ist. Es ist hilfreich, sich seine Schatten anzuschauen, Licht in die dunklen Seelenecken zu bringen, damit sich dort nichts einnisten kann, was nicht hineingehört. Da verstecken sich so manche Dinge wie Neid, Missgunst, kleine Bösartigkeiten, die jede für sich klein scheinen mögen und doch wie ein Schneeball zur Lawine werden können. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen ist diese Vorbereitungszeit bis zum 1. November gedacht.

Früher gab es um Michaeli herum das Geld für die Jahresarbeit und viele Messen, die heute noch mancherorts Michaelimesse heißen. Dort konnte das verdiente Geld gleich ausgegeben werden, oft für Stoffe, um über den Winter neue Kleidung fürs neue Jahr zu nähen und alles auszubessern, damit man in der arbeitsreichen Zeit ab dem Frühjahr alles beisammen hatte.

Mir gefällt der Gedanke, jetzt aufzuräumen im Inneren, um mich bewusst der Dunkelheit zu stellen, den Fragen, die nie im Sommer, aber jetzt auftauchen, der geistigen inneren Arbeit, um im Frühjahr nach einer Reinigung das neue Jahr unter die Füße zu nehmen und frei von Altlasten zu gestalten.

Vieles von diesem großartigen Wissen, das aus dem Ablauschen der Jahreskreisläufe entstand, ist uns heute verloren gegangen, dabei brauchen wir in Zeiten wie momentan mit der Pandemie sehr wohl diese Besinnung, den Rückzug zum Aufräumen und das neu Durchstarten mit frischer Kraft, unbelastet von Altem aus dem Schattenreich. Wer sich für das alte Wissen interessiert – am 22. Oktober wird es einen Praxisvortrag zum Thema „Das Labyrinth als Symbol des Lebenswegs“ in der Praxis geben (bitte anmelden).

Allen einen guten Start in die innere Arbeit, holt euch Begleitung, wenn es nötig ist und stellt euch innerlich ruhig den starken Erzengel an die Seite, der euch schützt und führt auf der Reise zur „dunklen Seite des Mondes“. Keine Sorge, man kehrt sehr gekräftigt und sich ruhend daraus zurück.

Der Mittwoch steht unter dem Schutz des Merkurs – er ist also in allen Ebenen und Richtungen beweglich. I like to move it!

Steffi hat den herrlichen Herbstnebel eingefangen. Danke!

… zu tragen mich in mir

Natur, dein mütterliches Sein,
Ich trage es in meinem Willenswesen;
Und meines Willens Feuermacht,
Sie stählet meines Geistes Triebe,
Dass sie gebären Selbstgefühl
Zu tragen mich in mir.

Michaelistimmung aus dem anthroposophischen Seelenkalender von Rudolf Steiner

Die kleinen Bergtrolle aus Slowenien hat Rebekka im Sommer zum Plausch getroffen. Danke dir!

Von Pessimisten und Optimisten

Emanuel Geibel hatte offenbar Probleme mit dem Herbst, doch das Lied des Zugvogels erinnerte ihn daran, dass die Gedanken frei sind. Uns geht es oft im Leben so. Etwas bedrückt uns, engt uns ein, nimmt uns die Freude und wir fühlen uns quasi von allen guten Geistern verlassen, bis uns irgendetwas daran erinnert, dass wir die Entscheidung darüber treffen, wie wir uns fühlen. Der Zugvogel hat Geibel an die Gedankenfreiheit erinnert. Wir dürfen uns auch oft daran erinnern, dass viele unserer Probleme vom Vergleichen stammen, hier wir, die vom Schicksal Benachteiligten, auf der anderen Seite die Glücklichen, die auch noch im Lotto gewinnen und denen alles gelingt.

In meiner Arbeit sehe ich in viele Herzen und Familien hinein. Ich lehne mich sicherlich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass der Spruch „Unter jedem Dach ein Ach“ stimmt. Überall erkranken Menschen, sterben liebe Familienmitglieder, treten Behinderungen auf, werden Arbeitsplätze gestrichen, Wohnungen an andere vermietet, was immer an Ungemach einem im Leben widerfahren kann. Manchem ist das Glas halb voll, dem anderen halb leer und beide haben auf ihre Art und Weise Recht. Ich finde nicht, dass Optimisten mehr Frust bekommen, weil sie oft enttäuscht werden und Pessimisten mehr Bestätigung, weil ihre Sicht oft zutrifft. Es gleicht sich aus und ist manchmal reine Zeitvergeudung, weil die Dinge sind, wie sie sind, nicht so, wie wir sie gern hätten.

Die spannende Frage ist: Warum gelingt es manchen Menschen scheinbar besser als anderen, mit schwierigen Lebenslagen klarzukommen? Die Antwort ist schlichter als man meint (wie immer): Sie wissen, dass du mal der Baum und mal der Hund bist. Wenn sie der Baum sind, ertragen sie es und wissen – es geht vorbei. Wenn sie der Hund sind, pinkeln sie ungeniert und wissen: auch das geht rum. Es ist ein Annehmen und das ist etwas ganz anderes als wenn wir mit Erwartungen in Situationen gehen. Ich erwarte dieses und jenes. Ich erwarte, dass ich immer gesund bin. Ich erwarte, dass der Partner mich immer liebt. Und was geschieht? Anderes. Das Problem ist nicht, dass sich Dinge anders entwickeln, sondern unsere enttäuschten Erwartungen. Wie das Wort schon sagt, sind Enttäuschungen vielleicht das Ende von Täuschungen. Wie oft lügen wir uns selbst in die Tasche, malen in Gedanken tiefschwarze Dinge rosarot mit Rüschen und wünschen uns, dass unsere Fata Morgana niemals weggehen möge und doch müssen wir eines Tages schmerzlich erkennen: das war leider nix.

Menschen, die gelernt haben, die Welt zu nehmen wie sie ist, den anderen zu akzeptieren, wie er ist und Teile an ihm gut finden können und andere eben nicht, kommen einfacher klar. Sie haben mehr Gelassenheit, weil sie ihre Erwartungen los-ge-lassen haben, sie sind viel näher an der Realität, weil sie auf irgendwelche Brillen verzichten, sondern klar und ruhig hinschauen.

Ob wir es wollen oder nicht: der Herbst kommt, der Winter naht. Und sie gehen vorüber und dann kommen Frühling und Sommer auch wieder. Kein Grund zur Panik also. Geld ist auch nicht weg, es ist halt leider oft woanders. Aber wir, wir sollten immer an genau einem Ort sein: in diesem Körper, den wir haben und zwar hier und jetzt. Nicht mehr, nicht weniger. Frohes Üben. Schönen Marstag!

 

Zur Zeit stellen wir viele Themen in Einzelarbeit mit Kissen oder Figuren, dem Familienbrett etc. auf, denn viele Menschen nutzen diese Tage, um einen Berg an Fragen zu klären, die das Jahr aufgedeckt hat. Ein Vorteil von Corona: nix passt mehr unter die Teppiche. Alles ist nach oben gekehrt und möchte gern weggeschaufelt werden. Beste Chancen, das zu tun! Respekt allen, die derzeit so super Klarheit in ihrem Leben schaffen. Willkommen!

Zugvogellied

Ich sah den Wald sich färben,

Die Luft war grau und stumm;

Mir war betrübt zum Sterben,

Und wusst’ es kaum, warum.

Durchs Feld vom Herbstgestäude

Hertrieb das dürre Laub;

Da dacht’ ich: Deine Freude

Ward so des Windes Raub.

Dein Lenz, der blütenvolle,

Dein reicher Sommer schwand;

An die gefrorne Scholle

Bist du nun festgebannt.

Da plötzlich floss ein klares

Getön in Lüften hoch:

Ein Wandervogel war es,

Der nach dem Süden zog.

Ach, wie der Schlag der Schwingen,

Das Lied ins Ohr mir kam,

Fühlt ich’s wie Trost mir dringen

Zum Herzen wundersam.

Es mahnt’ aus heller Kehle

Mich ja der flücht’ge Gast:

Vergiss, o Menschenseele,

Nicht, dass du Flügel hast!

Emanuel Geibel, 1815–1884

Die farbstarke Kombination hat Stephanie fotografiert, vielen Dank!

Ahnenforschung

Heute löst sich von den Zweigen, was der Wind herunterrüttelt. Der Regen lässt die Quitten wachsen, das ist sehr gut.

Ein erstaunliches Wochenende. Die angehenden Heilpraktiker für Psychotherapie haben sich mutig in den zweiten Kurstag gestürzt, der erste mit „Vokabelkunde“. Da wird man das erste Mal mit den Fachbegriffen konfrontiert und bekommt eine Ahnung, wie die nächsten Monate werden. Spannend auf jeden Fall.

Am Samstag sind wir tief in die Familiengeschichte abgetaucht, denn eines der Kinder sammelt Unterlagen für einen Stammbaum. Es ist erschreckend, wie wenig wir manchmal über unsere Vorfahren wissen und wie viele Irrungen und Wirrungen es geben kann. Wir haben in der Ahnenreihe Hofmann, eine Generation zuvor steht dann in den Urkunden Hoffmann. Sigried oder Sigrid? Beide Male die gleiche Person, in Urkunden verschieden notiert. Puuh! Wenn das immer so ist, lassen sich viele Menschen gar nicht mehr nachforschen, weil durch Schreibfehler aus einem Hof-Mann ein Hoff-Mann geworden ist, was nicht nur sprachlich einen gewaltigen Unterschied ausmacht.

Auch spannend, wie eng die Umkreise früher waren zum Heiraten und wie weit entfernt heute die Ehepartner aufgewachsen sind, der modernen Zeit geschuldet. In der Ahnenforschung wird einem bewusst, was Wanderungen, Vertreibungen, Kriege mit Familien machen. Uralte Fotos haben wir angeschaut, weit über 90 Jahre alte Bilder. Manches wurde durch die Kriege durchgerettet, fand in Koffern eine Heimat und da sitzt man und überlegt: wer ist das? Menschen verändern sich im Lauf ihres Lebens, die einen mehr, die anderen erkennt man von Kindheit an und sie bleiben gefühlt konstant in der Optik, sie werden nur älter. Das ist erstaunlich, wie stark die Lebensereignisse auf Menschen unterschiedlich wirken.

Es ist tragisch zu sehen, wie junge Leben durch Kriege ausgelöscht wurden, Jungs, die gerade mal die Schule fertig hatten, dann den „Heldentod“ gestorben sind und es die „traurige Pflicht“ ist, der Familie selbigen Heldentod mitzuteilen und dass es kein Grab gibt (nicht schwer vorstellbar, was übrig blieb nach einem Bombenangriff, wenn man nichts mehr bestatten kann). Nicht einmal ansatzweise können wir uns heute diese Momente vorstellen, in denen Eltern solche Post bekommen mit dem Hinweis „die wenigen Hinterlassenschaften Ihres Sohnes gehen Ihnen auf dem Postweg zu“.

Es finden sich andere Dinge: eine Elektrikerrechnung über 6 Mark. Die Feststellung, dass ein Schuppen projektiert wird, die Genehmigung dazu und dann die Mitteilung in Sütterlinschrift, der Schuppen sei nach seiner Projektierung jetzt fertiggestellt und seiner Bestimmung zugeführt worden. Da hat er sich vermutlich gefreut, der Schuppen, über seine „Bestimmung“. Wenn schon Schuppen Bestimmungen haben, was haben dann wir Menschen? Na also, think big.

Zeugnisse aus alter Zeit. Menschen werden wieder ins Bewusstsein gerufen und wir merken – wie weit reicht unsere Erinnerung zurück? Mancher kannte keine Großeltern, geschweige denn Urgroßeltern, es sind Namen aus Berichten der Altvorderen, die man Jahre nicht angehört hat, weil nervig und uninteressant, doch irgendwann stellt man fest – jetzt weiß keiner mehr was über Namen, Schicksale, Wohnorte. Spaßig: das ist doch der und der! Nein! Doch! Auf keinen Fall, das ist der Cousin! Welcher Cousin? Das ist der Neffe von xy. Nein, der Bruder von Z. Nach langem Puzzle: Jeder hat ein wenig recht. Je nachdem, von wo aus man schaut, kann jemand sehr wohl Bruder, Cousin, Neffe und Großvater sein.

Familie. Ein Geflecht über Jahrhunderte, verwoben mit Landschaften. Auch spannend – Bauern und Hofbauern, so weit das Auge reicht und Einträge über Konfessionen. Ein Ehevertrag vom Ende des 19. Jahrhunderts! Offenbar sehr moderne Vorfahren.

Wir haben gesehen: Schnell schwinden Erinnerungen. Menschen leben in den Genen weiter und ein paar Generationen lang in Erzählungen, dann verschluckt sie der Lauf der Zeit. Wenig überdauert, wobei Kriege ihr Übriges dazu getan haben, dass gar nichts mehr da ist. Was ist Heimat, was sind unsere Wurzeln und welche Bindungen stellt Familie her?

Allen einen guten Start in eine Woche voller Momente, in denen wir uns vielleicht über Familie freuen, daran denken, etwas von den Vorfahren zu notieren für spätere Generationen und uns bewusst werden, dass wir ein Wimpernschlag in der Geschichte der Menschheit sind. Und doch kommt es auf jeden Wimpernschlag an. Gerade jetzt.

 

Den Apfel zwischen dem Herbstlaub hat Gabi entdeckt. Danke!

Dies ist ein Herbsttag!

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.

 

Christian Friedrich Hebbel

Einmal im Jahr muss das wunderbare Gedicht von Hebbel sein. Das Herbstfoto hat Katja für uns gemacht! Lieben Dank!

Treibgut des Lebens

Ich staune, was alles angeschwemmt wird im Lauf des Tages im Lebensmeer. Anfragen, Terminwünsche, Klagen, Beschwerden, Bilder, Ungerechtigkeiten und Freudiges. Leid und Laster, Liebe und Leidenschaft in allen denkbaren Lebensvarianten. Quer durch alle Altersklassen geht es – vom Baby bis zum hochbetagten Senior, wo ich gefragt werde, was denn die Medikamente auf der Liste bedeuten (fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker? Nein, lieber mich). Ich bin jeden Tag in Kontakt mit allen Varianten des Menschseins, vom tiefsten Hass über Ängste bis hin zu „ich habs geschafft!“ bei Prüfungen oder „Wir heiraten!“ Ist das nicht großartig? Ich bin dran am Menschen und drin im Leben. Meine Rolle ist oft die des Beobachters, des Metaebenen-Bewohners, der mit Abstand anders sieht und manches auch perspektivisch wieder geraderücken kann, wo es vielleicht angebracht wäre.

Doch es ist nicht nur die Rolle, die meine Arbeit in der Praxis vorgibt, es gibt auch die Rolle des Dozenten, der Kurse hält und konzipiert. Skripten schreibt, updated. Der das Gemüse für das Mittagessen schnippelt und den Kaffee kocht. Der die Tische hinstellt, misst, dass Abstände korrekt sind, nach Kursende die Waschmaschine surren lässt, damit alles wieder frisch ist am nächsten Kurstag. Ich bestelle Brot und Kuchen, kaufe ein, mache sauber. Ich schreibe Werbetexte, sorge dafür, dass sie erscheinen und achte darauf, dass auf der Homepage immer die aktuellsten Sachen zu finden sind. Das Drucken von Skripten gehört ebenso zu meiner Arbeit wie das Schreiben derselben, das Falten von Mappen am ersten Kurstag und das Dekorieren der Arbeitsmaterialien auf den Schreibtischen. Ich koche den Tee, der in der Kanne ist.

Dann gibt es die Rolle der Verwaltung. Ich mache Aquise und sorge dafür, dass Kurse beworben und gefüllt sind oder entscheide, sie abzusagen, zu verlegen und sonstiges. Ich schreibe Verträge und Praxisrechnungen. Mit der Abwicklung am Ende, dem Überprüfen der Konten habe ich nichts mehr zu tun, worüber ich so sehr dankbar bin.

Es gibt die Rolle der Mutter, der Ehefrau, der Lernenden (wir machen immer irgendeine Ausbildung, damit wir bestens aufgestellt sind und zudem unser Gehirn permanent gefüttert wird und gar nicht auf die gruslige Idee kommt, Rost anzusetzen). Und es gibt die Rolle der Tochter und Schwester, was, je älter die Familienmitglieder werden, desto umfassender werden kann.

Vieles von unserer Arbeit ist unsichtbar. Wir machen sie, weil wir unsere Arbeit sehr lieben und freuen uns, wenn das wertgeschätzt wird. Es soll hier bei uns ein Ort sein, an dem Menschen gern sind. An dem sie wissen, dass sie sein dürfen, wie sie sind. Aufgehoben, behütet für die Zeit des Aufenthalts. Begleitet, gestützt und rechtzeitig losgelassen, damit sie in ihre eigene Kraft kommen.

So schweben wir gemeinsam mit vielen Tausenden von Menschen in diesen Tagen durch das Alltagschaos, erleben die Umbrüche sehr bewusst, hören viel, sehen viel, lesen viel, denken viel und doch lässt es sich auf wenig herunterbrechen, das essentiell ist: Respekt, Achtung, Wertschätzung. Liebe, Freundlichkeit, Höflichkeit und Rücksicht, Schätzen der Vielfalt der Meinungen und Menschen, Lebensformen und Standpunkte und lernen, lernen, lernen. Wir wissen, dass wir in einer Zeit leben, in der wir die einmalige Chance haben, die gesamte Welt auf gute neue Wege zu bringen. Wenn wir nie aus den Augen verlieren, dass das bedeutet: Im Fluss des Lebens sein, Gestalten in Freiheit, Lauschen mit Liebe, Lernen vom Fremden und nicht aufgeben, sich im Hass verlieren, die Energie für Nebenkriegsschauplätze vergeuden. Sein! Mit allem, was wir sind. Das ist das Thema. Egal, an welchem Platz wir stehen im Leben und welche Rollen wir ausfüllen. Die Rolle des werdenden Menschen ist unsere wichtigste.

Allen ein schönes Wochenende mit frischer Luft und den ersten Kastanien.

 

Steffen hat diesen magischen Abendhimmel in der Rhön mit der Kamera für uns alle gemalt. Danke!

Gipfelstürmer

Wie komme ich am besten den Berg hinan?

Steig nur hinauf und denk nicht dran.

Friedrich Nietzsche

Stephanie hat die blauen Berge festgehalten. Wie klein wirkt da selbst das Schloss Neuschwanstein dagegen!

12 Minuten

Walter Moers Werke schaffen es, mich an die schönsten Kindheitsstunden zu erinnern (die Welt von Zamonien ist mindestens so spannend wie Hogwarts). Der Moment, in dem man einen Buchdeckel aufklappt. Du hoffst darauf, dass das Buch dich nach zwei Zeilen bereits in seinen Bann zieht, der Deckel über dir zuklappt, du im Buch bist und ganz sicher für die nächsten Stunden von nichts auf der realen Welt, der zu entfliehen es sich häufiger lohnt als dort zu verweilen, erreicht werden kannst. Was habe ich mir anhören müssen, ob ich taub sei, erst heftiges Rütteln trennte mich aus der Buchwelt und schoss mich in die Realität zurück.

Natürlich war ich nicht taub. Ich lauschte lediglich lieber allem, was im Buch geboten war. Was habe ich meine Kinder um Harry Potter beneidet! All die großartigen Kinderbücher der Neuzeit las ich mit ihnen und hatte die gleiche Freude, als wäre ich selbst Kind und fand es absolut selbstverständlich, dass sie damals mit Hexenhut und kostümiert um sechs Uhr morgens vor dem Buchladen standen, da wurde sondergeöffnet für die neuesten Bände der Reihe aus Hogwarts. Abends waren sie endlich durch, egal wie dick der Band war. Und dann kam die Nacht und meine Lesezeit, gggrrr, so lange warten.

Die Kinder kamen regelmäßig zu Besuch zu mir auf die Buchmesse, Jahre stand ich dort für die Verlage, für die ich lektorierte. Wir besuchten unsere Lieblingskinderbuchverlage. Wir denken gern daran, als Jean Claude Lin vom Verlag Freies Geistesleben bemerkte, dass die Kinder durch seinen Stand gingen und sagten „Das haben wir auch“, „das war sooo ein tolles Buch“ oder „das möchte ich wieder mal lesen“ und „guck mal, das haben wir noch nicht“. Er sprach die Kinder an, ob sie denn wirklich all diese Bücher gelesen hätten. Entrüstung! Natürlich! Und wie ein Springbrunnen berichteten sie. Das freute ihn riesig und sie waren stolz, dass sie ein Sudokubuch geschenkt bekamen. Das war damals gänzlich unbekannt und heute kennt es jeder. Die Bücher von Urachhaus und Geistesleben sind jeden Tag in meiner Arbeit eine Empfehlung für Familien, vor allem die Werke von Rosemary Sutcliff.

Bücher sind ein Paradies. Die größte Enttäuschung: wenn es schlecht geschrieben ist. Langeweile aufkommt. Man merkt, dass der Autor am Ende keine Ideen mehr hatte und das Projekt nur noch beenden wollte. Wechsel im Leben des Autors merkt man dann, wenn sich die Sichtweise der Protagonisten plötzlich verändert und keiner weiß weshalb. Hässliche Titelbilder, schlechte Bindung, grusliger Buchsatz mit Schusterjungen und Hurenkindern, wie es heute üblich leider üblich ist. Bücher, deren Rücken zerfallen nach drei Mal aufmachen. Farbige Umschläge, die das Auge foltern. Über all diese Äußerlichkeiten lässt sich notfalls hinwegsehen (es kommt nicht immer wie einst bei Suhrkamp darauf an, dass die Buchrücken einen Farbkreis ergeben müssen oder – schlimmste aller Qualen! – dass Bücher aus dem gleichen Themenfeld leider massiv unterschiedliche Höhen haben und so die Sortierung wahrhaft ein komplexes Unterfangen ist – alphabetisch? Inhaltlich? Nach Höhe?), aber nicht über einen schlappen Inhalt.

Dass wir alle jeden Tag unsere Form haben oder eben nicht haben, liegt in der Natur der Sache. Schreiben ist eine einsame Tätigkeit, obwohl ich natürlich erlebe, wie Autoren heute manchmal vorgehen. In 14 Tagen ist ein Buch geschrieben, weil es „geistig“ schon 20 Jahre bewegt wird. Manchmal denke ich – wie wäre das Buch geworden, wenn es 14 Monate oder 14 Jahre gewachsen wäre?

Manchmal werde ich gefragt, warum ich kein Buch schreibe. Nun, ich habe so viele Bücher geschrieben, was kaum einer weiß. Im Lektorat erlebt man vieles und als Ghostwriter ebenfalls. Das bleibt im Verborgenen und ist gut so. Vielleicht kommt das noch, das Leben liegt mit seinen Möglichkeiten täglich neu mit 24 Stunden vor mir. Bis dahin stelle ich mir jeden Tag den Wecker auf 12 Minuten für meinen Blogeintrag. Und weil er gerade geklingelt hat, die Zeit also um ist, gibt es heute nur noch eines zu tun: einen Punkt zu setzen und allen einen wunderbaren Venustag zu wünschen. Was würde die Liebe heute tun?

Steffi hat dieses herrliche betropfte Blatt im Wald gefunden. Regen, ein Versprechen der nächsten Tage, wie ich hoffe.

Funkelnde Zeichen

Ich erblickte das Alphabet der Sterne. Ein Firmament voller funkelnder Zeichen, eine unlesbare, aber wundervolle Schrift aus Licht, so alt wie das Universum.

Aus: Walter Moers: Das Labyrinth der träumenden Bücher

Das reale Labyrinth hat Stephanie fotografiert. Vielen lieben Dank!

Wider Misstrauen und Angst

Am Abend mache ich gern eine kleine Rückschauübung. Ich gehe in Gedanken den Tag rückwärts bis zum Aufwachen. Ganz ohne Wertung, einfach nur Hinschauen, was war. Erst bei diesem Rückwärtsanschauen wird mir bewusst, was alles in diesen Tag hineingepasst hat. Manchmal hat man ja das Gefühl, dass wenig geschafft worden ist, aber es ist nicht wenig, es waren vielleicht viele hundert kleine Handgriffe, Telefonate etc., die etwas bewirkt haben, aber quasi vor großen Themen wie untergehen.

Wie wichtig diese ganzen „kleinen“ Handlungen sind, erfahre ich oft erst Jahre später. Ich habe in dieser Woche mehrere Mails bekommen, die begannen mit: „Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern, ich war vor x Jahren mal bei Ihnen“. Ich erinnere mich. An Menschen, die vielleicht nur ein einziges Mal da waren und dieses Gespräch hat ausgereicht, um manches in Bewegung zu setzen. Jetzt stehen neue Themen an, es braucht einen Blick von außen und die Menschen melden sich.

Das sind Geschenke, die mir klarmachen, wie bedeutsam auch die kleinen Dinge sind. Manchmal steckt in einer Mail, einem Satz am Telefon eine Botschaft, die etwas wie umwenden, neu erkennbar machen kann.

Dabei hat mir diese schlicht anmutende Übung sehr geholfen, die aufzeigt, was alles in einem Tag geschieht, wie viele unterschiedliche Menschen andocken und wegschweben, welche Vielfalt des Lebens jeden Tag vor mir ausgebreitet wird. Von unglaublichen Schicksalsschlägen höre ich, von Meistern der Lebenskunst, vom Scheitern, vom auf die Welt kommen und sterben. Voller Respekt bekomme ich diese Lebensgeschichten berichtet, versuchen wir gemeinsam, die daraus resultierenden Aufgaben mit Würde bestmöglich zu formulieren und Schritte zu erarbeiten, die möglich sind, um mit allem gut umgehen zu können.

Oft sind es kleine Unachtsamkeiten im Alltag, unbewusst etwas gesagt, gemailt, geappt, die Verletzungen setzen. Oberflächlich mag es rasch heilen, doch unter der Wunde setzt ein Zerstörungsprozess ein, der den gesamten Organismus vergiften kann. Achten wir auf die kleinen Dinge. Schicken wir keine Mail im Zorn und voller Ärger. Reagieren wir nicht auf etwas, sondern lassen es erstmal stehen, damit wir in den Agieren-Modus kommen, anstatt wild Bälle abzuwehren, die vielleicht nicht einmal uns selbst galten!

Eine Runde Staunen in Respekt vor dem, was geschieht und voller Wertschätzung für die großartigen Lösungen, die wir finden können. Stellen wir uns auf die Seite der Resilienz in diesen Tagen, in denen die Pandemie erneut dazu führt, dass Maßnahmen ergriffen werden, um Menschen in die Vereinsamung zu bringen, Drohgebärden erkennbar sind. Menschen kommen mit unglaublichen Maßnahmen zurecht, wenn sie notwendig sind. Voraussetzung: Sie sind restlos aufgeklärt über die Fakten und darüber, ob man sie einschätzen kann oder nicht. Schwarmwissen muss nicht negativ sein. Ganz im Gegenteil. Wer Bescheid weiß, alle Fakten kennt, kann sehr kreativ werden, so entstehen vorher gänzlich unerwartete Lösungen. Angst und Vertuschung, Lüge und Bedrohung schwächen die Moral, töten das Vertrauen und erleichtern Ungutem aller Art, vor allem dem Einschüchterungsvirus und dem Misstrauensbakterium, das Eindringen und Zerstören in vormals gesunde Strukturen.

Allen einen Jupitertag, der seine freudige Energie großzügig und weise ruhig verteilen kann.

 

Dieses zauberhafte Bild verdanken wir ebenfalls Stephanie! Ist das nicht großartig?

Morgendämmerung

Prosa kann Abend und Mondlicht malen, aber um die Morgendämmerung zu besingen, bedarf es der Dichter.

George Meredith, 1828 – 1909

Diese Farbherrlichkeit hat Steffi am frühen Morgen für uns aufgezeichnet. Dankeschön!

Freut euch vor – bald gibts was Neues!

Wenn sich vier Menschen zusammensetzen, die enorm kreativ und engagiert sind und gemeinsam das Jahr überdenken und was es braucht – ratet, was geschieht! Genau! Heraus kommen eine geballte Ladung Energie und krass gute Ideen, die in den nächsten Tagen und Wochen Gestalt annehmen werden. Ich sags mal so – haltet euch den 27. 11. nachmittags frei. Bald mehr zu diesem Projekt, von dem wir denken, dass es euch genau da abholen kann, wo wir in diesem Chaosjahr stehen und euch mitnimmt in eine Zukunft, die mächtig viele Chancen am Start hat, denn auch das ist so! Freut euch schon mal vor.

Zwei Riesenkisten Äpfel sind nebenher eingemacht – im Winter muss ich nur ans Regal und habe mit einem Handgriff herrliches selbstgemachtes Apfelmus als Nachtisch für die Kurse. Oder wahlweise Zwetschgenkompott. Hach! Da ich gerade so gar keine Zeit habe, war das erstmal ein „oh nee, wann soll ich das noch machen?“, aber wenn alles dann fertig im Regal steht, ist es schon super.

Ich höre, dass der Herbstäquinox einen Wetterumschwung im Gepäck hat. Ich sage es so – alle Sonnenjünger können auch 2020 nicht meckern. Jetzt dürfen sich die Menschen freuen mit mir zusammen, die auf wallende Nebel stehen. Die das elegische Geräusch kleiner Wassertropfen lieben, die aus Spinnennetzen weinen. Das leise Plopp, wenn eine Quitte vorzeitig herunterfällt. Morgens gibt es endlich Tau fürs Tautreten. Zwischen den in allen Violetttönen prunkenden Herbstastern spannen sich die Altweibersommerfäden glitzernd im Morgenlicht. Abends früh dunkel, morgens lang dunkel bedeutet – maximal am Mittag ist es heiß. Nach einem superheißen Kurs letztes Wochenende freue ich mich auf Unterrichtstage, an denen der Regen die Scheiben herunterrinnt. Wolken werden dick und schwer und schwarz über den Himmel eilen. Die Schlehen reifen gemütlich. Der Feuerdorn glüht im Grau. Hach. Sinkende Temperaturen. Die Aussichten – der Winter naht! Ehrlich, was gibt es Schöneres als den Geruch nach Herbst, das Sammeln von Kastanien, das Leuchten der Blätter in allen zauberhaften Herbstfarben! Die ersten Schals, die ersten Teetassen. Endlich wird das Leben schön. Die letzten Rosen fallen ab, wenn man sie ins Haus mit nimmt, Kürbisse leuchten mit Lampionblumen um die Wette. Die Schleier zwischen den Welten werden feiner. Wir hören andere Geräusche, es wispert und knistert in den Ecken, die Holzgeister richten sich auf den Winter ein. Die Natur legt sich schlafen und das Geistige erwacht. Zeit des Traums, der Amulette und Schutzgebete, des Abschließens und vor allem – und das ist das Beste überhaupt – der Neuorientierung!

Ach, was habe ich darauf gewartet, dass Nächte wieder herrlich eiskalt werden, wenn man am offenen Fenster steht und in der endlich klaren Luft die Sterne wie gemeißelt stehen, der große Wagen derzeit so nah, dass man meint, einsteigen zu können und wie der kleine Häwwelmann davonzubrausen. Jetzt wird es wieder flauschig. Die Luft wird feucht, morbid, eine Mischung aus welken Blättern, Stürmen und viel Nässe von oben, der Boden darf sich vollsaugen, endlich, die Brunnen füllen sich und der Wind pfeift. Oh wie schön ist Panama, heißt es bei Janosch. Ich freue mich vom ersten warmen Sommertag an auf den Tag, an dem man das erste Mal frei atmen kann und es riecht so, wie es nur im Frühling auch an nur einem Tag ist. Der Herbst verspricht Erntedank. Vollreife. Rückzug. Besinnung. Klugheit und Klarheit, Kälte und Reinheit. Wandern zwischen den Welten. Ahnengrüße dringen durch, wir werden sehr bewusst und die Sehnsucht nach geistigem Tun wächst. Schatten in den Ecken zeigen unsere Schattenseiten und laden uns ein, zu lernen, zu forschen und die richtigen Fragen zu stellen, um über den Winter in die Antworten zu wachsen.

Ich weiß, dass die meisten von euch den Sommer lieben. Das ist euch auch in jedem Jahr sehr gegönnt. Jetzt kommen eben die Herbstfreaks wie ich auf ihre Kosten. Winde, die losgelassen werden. Blätter, die sich färben, schweben, fallen. Kastanien und Nüsse, Schlehen und Mispeln in Warteschleife. Ernte der Trauben, Äpfel, Quitten und Birnen nach und nach. Der Feldsalat, der jetzt hochkommt. Hört ihrs schon vorfreudig, wie es raschelt, das herbsttrockene Laub? Habt ihr eure Wolldecken herausgekramt und liegen die Socken bereit? (für die, die ab 21 Grad frieren)

Allen einen großartigen Merkurtag mit der Kraft der Beweglichkeit. Mögen wir uns aufmachen in eine Jahreszeit, die den Umschwung für die Welt bringen kann – nach all dem Sonnenschein, der müde und träge machen kann, kommen jetzt Klarheit und Fernsicht. Die Welt, wir, alle haben das sehr nötig.

Theresa hat einen Teil des Doms von Santiago di Compostela im Bild festgehalten. Danke!