Author page: Christoph Krokauer

Freundliche Mittel

Das Wasser ist nicht böse, es ist ein liebliches, ein freundliches Mittel der Besserung und Heilung.

Sebastian Kneipp, 1821–1897

Dieses herrliche Armbecken steht im Garten von Primavera.

Bist du freundlich?

Morgenstern, dessen Galgenlieder ich sehr schätze, war dem Gras gegenüber schonungsvoll beim Darübergehen, denn ihm war bewusst, dass die meisten Menschen darauf nicht sonderlich achten. An dieser „Grausamkeit der Menschen“ hat sich nichts verändert. Morgenstern allerdings bemerkte auch die Grausamkeit der Natur, die gnadenlos sein kann. Auch das ist ein bedeutsamer Umstand, denn die Natur kann sich heftig zeigen in Wind, Sturm, Wasser, Erdbeben und Feuer. Dann sind wir Naturgewalten hilflos ausgeliefert, denn dagegen können wir uns nicht schützen.

Ein schonungsvoller Umgang mit allem wäre ein Verhalten, das wir heute so fein mit dem Begriff der Achtsamkeit umschreiben. Achtsamkeit ist eine wunderbare Alltagsübung übrigens. Dieser Tugend frönen wir bei unserem neu startenden „Mittekurs“, bei dem es an den Kurstagen um die Frage nach der eigenen inneren Mitte geht, die bei vielen Menschen in den letzten Monaten verloren gegangen ist. Unsere Mitte wieder finden – mit kleinen Alltagsübungen und Bewegungseinheiten, die uns helfen, wieder mehr ins Bewusstsein für uns selbst und die Welt zu kommen auf eine ruhige, unaufgeregte Art. Wir sind oft zu schnell auf 180 in dieser Welt, das muss gar nicht sein und bringt auch wenig. Mehr innere Ruhe, Eingemittetsein, Kraft wahrnehmen ist hilfreich und genau das geht uns immer wieder und immer mehr verloren.

Ab und an dürfen wir uns erinnern. An unsere Kraftquellen, unseren Weg, unser Sein. In Ruhe, in Freude, in Freundlichkeit uns selbst gegenüber.

Bist du freundlich dir selbst gegenüber oder nur zweckbestimmt gegenüber anderen? Bist du echt, authentisch oder schillert deine Oberfläche und spiegelt, was dein Gegenüber sich vorstellt? Folgst du dem Wahren, Schönen und Guten im Leben?

 

Allen einen freundlichen Gruß zu einem hoffentlich guten Wochenende mit einem Bildergruß vom Primaveragarten in Oy-Mittelberg, wo wir kürzlich zu Gast sein durften.

Schonungsvoll sein

Wer die Grausamkeit der Natur und der Menschen einmal erkannt hat, der bemüht sich, selbst in kleinen Dingen wie dem Niedertreten des Grases schonungsvoll zu sein.

Christian Morgenstern, 1871 – 1914

Es ist zwar kein Gras, aber faszinierend, dass an diesem Schilfrohr die Samen wie Löwenzahnblüten hervorquellen.

Immer schön aktiv bleiben …

Meer und Strand! Oh ja. Manchmal wünscht man sich einfach mehr Meer. Das ist natürlich wenig sinnvoll, wenn man relativ mittig im Land wohnt und das nächste Meer so rund acht Stunden Fahrtzeit entfernt ist. Da helfen dann Steffis Fotos schon ein wenig und für diejenigen, die im Sommer am Meer waren, können sie eine Erinnerung an die eigene Wassererfahrung sein.

Wir machen derzeit andere Wassererfahrungen, nämlich auf den Spuren von Sebastian Kneipp und wir gießen mindestens den halben Tag irgendeine Körperregion. Schenkelguss und verstärkter Knieguss. Wechselguss. Abguss nach dem Saunabad. Armguss. Brustguss, Gesichtsguss, Königsguss und vieles mehr stehen auf dem Stundenplan. Jeder bekommt den Guss selbst und gießt dafür einen Kurskollegen. Wir waren selten so sauber wie in so einer Ausbildung. Dazu kurz mal die Wiederholung der Waschungen – zack, das raue Linnen in Essigwasser getaucht (leitungskalt, wie ihr wisst) und ab geht’s, nach oben, nach unten, hin und her. Alles unter Ines‘ Argusaugen und vor der gesamten Gruppe, die dann kollektiv laut einschreitet, wenn man an der falschen Stelle weitermachen will. Das ist bei der Masse Güsse und Anwendungen im Kneippschen Repertoire gar nicht so einfach. In wenigen Wochen wird die Prüfung sein und da sollten wir das alles aus dem Ärmel schütteln können.

Dazu kamen am Wochenende Didaktik und Methodik und die Aufgabe, in einer Stunde zu dritt ein flottes Referat mit diversen Medien zu gestalten. Das haben wir geschafft – erkläre in 10 Minuten die fünf Säulen der Kneipp-Lehre. Tschakka! In die zehn Minuten haben wir echt fünf Übungen reingepackt. Geht doch!

Die Herausforderung wird das Rollenspiel werden. Ein Arzt, ein Patient und ein Bademeister. Spontan vorgegebenes Thema, Darstellung mit Indikationen, Kontraindikationen und dann das praktische Anwenden. Alles so, dass sich keiner langweilt. Davor Bürstenmassagetechniken. Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich darauf freue.

Gehirn ist ja relativ endlos dehnbar. Die Kneipp-Anwendungen sind auf jeden Fall mehr als einen Blick wert in unserer heutigen überreizten Zeit. Dazu Ines‘ Spezialität, die Original-Kneippzitate aus den Originalwerken des 19. Jahrhunderts (so man die Schrift lesen kann). Deftig, würde ich mal sagen wie beispielsweise: Beim Gießen halt’s Maul, sonst ist die Wirkung faul. Achtsamkeit auf bayerisch. Wir haben jedenfalls Spaß. So wir am Abend überhaupt noch fähig sind, erzählen wir uns unsere Lebensgeschichten und die sind allemal auch sehr spannend. Allerding stellen wir fest – alles nach 21 Uhr ist dann leider schon „too much“, wir gehen brav mit den Hühnern ins Bett, denn am nächsten Tag geht es wieder los mit Tautreten, Güsse wiederholen, ein kleines Quiz zu Pfarrer Kneipp zum Wachwerden oder irgendwelchen neuen Anwendungen, die wir testen und üben.

Diese sehr praktische Woche hat ihre Reize. Ist nur kurz seltsam, wenn man im strömenden Regen im sehr nassen Gras, von Schnecken überrascht bestaunt, steht und fühlen soll, wie die Körperwärme das Gras warm macht. Macht es. Und dann das feine Erlebnis, wie sich der Körper im Haus dann bei guter Bewegung fast wie von Zauberhand erwärmt. Tut er. Wider Erwarten. Naturwärme eben, wie der Wörishofener Ortspfarrer erfreut feststellte im Kampf gegen Weicheier und andere Folgen moderner Lebensweise.

Allen einen aktiven Dienstag mit Energie und Schwung, wie ihr es braucht, mit besten Grüßen aus dem Garten.

Urschreitherapie, anders

Hätte mir jemand vor Wochen gesagt, dass ich freiwillig in ein kaltes Bad springen würde, hätte ich das erstaunt zur Kenntnis genommen. Klar ist die Ice Bucket Challenge genauso wenig an mir vorbeigegangen wie die vielen Einladungen, ein Eisbad zu nehmen oder mich wenigstens im Frühling in irgendeinen gerade aufgetauten See zu stürzen. Sagen wir es so – ich war bislang noch nicht so weit. Wim Hoff-Videos fand ich super, keine Frage, aber das selbst probieren eher nicht.

Die zweite Ausbildungswoche bei Kneipp. Vor uns steht extrem durchtrainiert Diplomsportlehrerin Ines. Sie mustert ihre Rekruten kritisch. Wir können auf ihrer Stirn förmlich lesen, dass sie uns für Warmduscher hält, die nach einer Runde joggen durch den Park schon beatmet werden müssen. Deshalb fängt sie klein an. Alle Mann raus auf den triefnassen eiskalten Rasen zum Tautreten. Dumm, dass die Schnecken da noch die Herrschaft über den Rasen haben. Ohne Rücksicht auf Verluste müssen wir in schnellem Tempo übers Gras glitschen, stets in der Hoffnung, keine Schnecke zu erwischen, was allerdings schnell sinnlos wird. Danach im Kreis mit Gymnastikübungen weiter, dann erst ab ins Haus. Wer gedacht hat, dass jetzt Socken anziehen und sich einen heißen Tee holen angesagt ist – Fehlanzeige. Es geht weiter mit Zimmergymnastik. Wir müssen den Fuß bewusst abrollen, was dadurch erschwert wird, dass Ines uns auffordert, das auf der Stelle zu tun. Roll mal auf der Stelle bewusst den Fuß zu Elvis ab. Im Tempo der Musik natürlich. Spätestens nach einer Minute brennen die Waden wie Feuer. Ines freut sich, dass wir jetzt auch unsere Wadenmuskeln kennen.

Sie ist kein Freund von allzu viel Theorie, wir fegen in gutem Tempo durch die Skripten, weil plötzlich ein kleiner Sonnenstrahl draußen erkennbar ist und es jetzt endlich warm genug ist für die Güsse im Freien (es weht ein gut frischer Wind bis 15 Grad). Armguss. Knieguss. Schenkelguss. Brustguss (! Helden des Tages). Wie erwärmt man sich im Wind? Ganz einfach. Das Repertoire aus Jahrzehnten Weicheiertraining macht sich bezahlt. Ines schafft es, dass wir im kalten Wind schwitzen. Die Schnecken verlassen fluchtartig die Grasfläche. Jetzt kämpfen wir nur gegen rutschige Pilze und seltsame Zapfen, die sich auf nette Weise in die Fußsohlen bohren. „Ist das nicht toll, wie warm die Stellen dann schnell werden“, befindet Ines, ehe wir die letzte Runde zu Abba zur Freude der gesamten Umgebung traben, denn Ines freut sich, wenn wir alle unsere Lungen durch Mitsingen stärken (wir sind eine kleine Gruppe und haben sehr viel Wiese zur Verfügung, insofern alles Pandemie konform und gutes Lungentraining ist Abwehrtraining). Das ist das Beste für die Durchlüftung der Alveolen, lernen wir.

Erholung bei Theorie. Wir nähern uns dem Zitterthema aller (was wir uns vorher beim Mittagessen gestehen): Bäderkunde. Der nette Teil ist das Schnüffeln an Badezusätzen von Heuextrakt über Melisse und Fichtennadel, Rosmarin und allem, was fein ist.

Stunde der Wahrheit. Wir dürfen wählen zwischen Sitzbad, Halbbad und Wechselfuß- oder Armbädern. Einige entscheiden sich für die Arm- und Fußbäder. Ich suche seit Monaten eine Sitzbadewanne, finde keine und entschließe mich, zum Austesten wagemutig das Halbbad zu nehmen. Dabei sitzt man bis über den Nabel in der Badewanne mit frischem Wasser (leitungskalt nennt Ines das gern, es klingt viel besser als eisig und in Wahrheit ist das Wasser wirklich zwischen 16 und 18 Grad). Wir sind zu viert, da macht das Halbbad hoffentlich mehr Spaß. Einer kennt das schon und ist totaler Fan. Wir drei anderen sind eher skeptisch (Rubrik Warmduscher, wobei wir seit Monaten Wechselduschen und jede Menge Güsse üben, damit wir fit für die Prüfung im Oktober sind).

Ines sagt uns frohgemut, dass wir uns alle zum Wassertretbecken begeben sollen. Einatmen und beim Ausatmen ab ins Becken. Da wir zu viert sind und das Becken nicht gerade niedrig, halten wir instinktiv die Arme nach oben und atmen tief aus. Dann beginnt das Zählen von 21 bis 31 und fertig ist das Bad. Wir staunen. Das ist absolut der Oberknaller. Wir müssen alle lachen und freuen uns, dass das weder schlimm noch gruslig noch sonstwas war. Es war einfach nur super! Schnell raus aus den Badeklamotten (normalerweise macht man das ohne Textil am Körper), unabgetrocknet angezogen (da merkt man erstmal, wie das dann klemmt beim Anziehen) und ab auf die Liege mit dem dicken Wolltuch drüber zum Nachruhen. Binnen Sekunden ist Ruhe im Karton.

Ich suche keine Sitzbadewanne mehr. Das Halbbad ist so grundgenial, das wird ins Programm aufgenommen. Erweiterung des Tagesprogramms: Knieguss und Gesichtsguss hatten wir eh schon ebenso wie Armguss und Wechselduschen. Jetzt kommen zwei bis drei Halbbäder pro Woche dazu und für Helden der Brustguss (mal schauen, ob ich ein Held werden mag). Wenn da das Immunsystem nicht loslegt, weiß ich auch nicht.

Fazit: Wie kamen wir nur auf die Überlegung, dass warmes Duschen hilfreich sei, wo man doch viel frischer in den Tag starten kann, wenn das Wasser „leitungskalt“ ist, damit wir nicht leidenskalt werden. Schnell noch eine Runde Armkreisen, im Kreis zu Elvis hopsen (man gewöhnt sich) und eine Runde Urschreitherapie mit Hundehütte, Hundehütte wau wau wau. Jo. Da brauchst du nix mehr für den Tag. Ines wird mein persönlicher Lieblingstrainer. Sie ist die Erste, die es geschafft hat, mich wahrhaft zu motivieren, unglaubliche Dinge zu tun. Was daran liegt, dass ich mich einfach nicht traue zu sagen – oooch du, das Wasser ist mir heute echt zu kalt. Ganz ehrlich? Es ist echt nicht kalt, wenn man mal druntersteht. Echt nicht!

Allen einen frischen Start in die Woche. Beste Grüße aus dem Bootcamp. Im Hotel gibt es einen Warmwasserhahn. Liebe Güte, welche Weicheier steigen hier sonst so ab? Man braucht beim kalten Wasser ein wenig länger, bis der Schaum aus den Haaren geht. Aber Essigwasser soll eh gesünder sein, sagt Ines. Ich glaube, alles übernehme ich nicht. Ich hoffe, sie hat kein Internet (sie hat. Ebenso, wie ihr Mann einen Bioprenanzug hat. Ich hab auch einen jetzt).

 

Gruß aus dem Garten.

Sich heiterer fühlen

Alle Menschen werden die Wahrnehmungen machen, dass man auf hohen Bergen, wo die Luft rein und dünn ist, freier atmet und sich körperlich leichter und geistig heiterer fühlt.

Jean-Jacques Rousseau, 1712-1778

Maike kann das nur bestätigen – sie liebt die Berge und schickt uns diese blaue Version. Herzlichen Dank!!

Momente der Bedeutsamkeit

Seltene Momente von höchster Bedeutsamkeit und dazwischen Intervalle – Nietzsche hat klar erkannt, dass viele Menschen nicht wirklich mehr in der Lage sind, die unfassbar bedeutenden Momente des Lebens wahrzunehmen, sondern selbst zu Pausen und Intervallen werden. Puuh, ich möchte keine Pause sein. Nietzsche war ein genauer Beobachter und in den letzten Monaten frage ich mich oft, ob wir noch in der Lage sind, die jeden Tag sich vor unseren Augen vollziehenden Wunder des Lebens wirklich zu erfassen, oder ob wir uns in einer Blase aus Angst und Verweigerung eingeigelt haben.

Diese Welt ist ein einziges Wunder, unser Körper ist ein gigantisches Wunder. Es fehlt uns an jeder Wertschätzung dafür. Vieles halten wir für selbstverständlich – es ist nicht selbstverständlich, dass wir atmen, uns bewegen, etwas essen oder schlafen können. Es ist das größte Wunder, wenn aus einer Ei- und einer Samenzelle ein Lebewesen entsteht, das die Möglichkeit hat, die gesamte Welt zu verändern. Jeder von uns ist geboren, um die Welt zu bewundern und den Platz darin einzunehmen, der für uns vorgesehen ist. Wir sind aufgefordert, der Welt die beste Version von uns selbst zu schenken, was bedeutet, unser Begabungen zu erkennen, auszubauen und unsere Talente und Fähigkeiten zum Wohl des Planeten und all seiner Bewohner einzusetzen.

Jeder an seinem Platz zählt. Meine Schwiegermutter mit ihren fast 97 Jahren weiß, dass sie aus vielerlei Gründen wichtig ist und einer davon ist, dass sie für uns alle betet. Sie nimmt all unsere Klienten und Schüler mit ins Gebet auf, weil sie weiß, dass heute sehr wenig gebetet wird und sie somit eine wichtige Aufgabe hat. Sie hat eine kleine Gebetsecke und dort brennt eine Kerze, stehen stets frische Blumen. Sie tut etwas im Kleinen, das vielleicht sehr, sehr groß und bedeutsam ist. Es kommt nicht darauf an, ob wir eine Erfindung machen, die Millionen Menschen das Leben leichter macht, etwas entdecken, was ein wesentliches Problem der Zeit lösen kann oder für andere Menschen beten. Es kommt darauf an, dass uns bewusst ist, dass jeder Einzelne seinen Beitrag dazu leisten kann, dass diese Welt Herz zeigt. Dass wir Wunder feiern und sie erkennen und für einander da sind. Dann können alle Herzen dieser Welt tun, wofür sie geschaffen wurden: Schlagen, um ein gutes Leben zu ermöglichen. Lieben, wachsen und beste Energie in die Umgebung aussenden, das ist die Qualität des „herzlichen Magnetfelds“.

Allen ein Wochenende voller Wunder und Inspirationen. Mit Herz und Verstand. Mit Liebe und aus der Freude heraus, der Dankbarkeit dafür, zu leben und Bestandteil des kollektiven Weltwunders zu sein.

Dieser Igel ist Bestandteil der Natur und selbst ein Wunder. Theresa hat ihn entdeckt und mit einem Foto für die Ewigkeit festgehalten. Dankeschön.

Ganz zum Herzen reden

Das Leben besteht aus seltenen einzelnen Momenten von höchster Bedeutsamkeit und unzählig vielen Intervallen, in denen uns besten Falls die Schattenbilder jener Momente umschweben. Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie, das Gebirge, der Mond, das Meer – Alles redet nur einmal ganz zum Herzen: wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt. Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht und sind selber Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens.

Friedrich Nietzsche, 1844 – 1900

Ein Herz der sehr besonderen Art hat Steffi entdeckt! Danke!

Von der Natur lernen

 

Noch halten die Blätter manchen Regen auf, doch steckt der Herbst überall drin. Gestern habe ich einen Specht am Baum klopfen hören. Vielleicht braucht er auch noch ein Dach über dem Kopf, bevor der Winter kommt. Die Lindenbäume werfen ihre Samen ab. Da könnte ich stundenlang zusehen, wie die drei Kügelchen mit ihrem Schirm zu Boden trudeln. Das ist so großartig, was die Natur an Lösungen entwickelt hat. Ahorntänzer, Lindenblütentrudler, das Wunder der Schirmchen, die nicht nur Löwenzähne als geniale Methode nutzen – die Natur ist unfassbar kreativ.

Erinnern wir uns ruhig daran, dass wir Menschen Bestandteil der Natur sind. Nicht nur, dass uns das genaue Beobachten der Natur sehr viel helfen würde, um unsere Menschenprobleme zu lösen, sondern dass wir ebenso kreative Köpfe sein können.

Nehmen wir den Wald, der unserer modernen Welt sehr entspricht. Wie regelt der Wald seine Gesundheit, wenn man nicht von Menschenhand eingreift, um möglichst viel Holz oder anderes zu entnehmen? Wir haben eine enorme Vernetzung im Boden. Pilzgeflechte sind das älteste und bestens funktionierende Internet der Welt. Ein Pilz hat Fäden, die kilometerweit reichen können. Die Pilzfäden sind alle verwoben und geben Nachrichten weiter. Die Bäume kommunizieren mit Hilfe ätherischer Öle, ob Fressfeinde am Start sind, damit sich die Kollegen schützen können. Der Baum sondert Harz ab, wenn er verwundet ist und hat so das Pflaster und den Wundverband erfunden. Die Pflanzen wachsen dergestalt, dass jeder genug Licht hat – die einen im Frühling, wenn die Bäume drüber noch blattlos sind, die anderen brauchen weniger Licht oder nutzen eben die Lichtungen. Der Wald besitzt Unterholz, damit die Tiere ihren Lebensraum finden, deren Kot der Dünger und deren Nahrung alles ist, was sonst zuwuchern würde. Es ist ein perfekter Kreislauf, wenn man keine Monokultur betreibt. Ein System, das sich selbst hervorragend organisiert.

Ein Ameisenhaufen ist ein perfektes System mit klarer Gliederung, hocheffizient, bestens organisiert, ohne dass dauernd irgendwer Bußgeldbescheide ausstellen muss, damit der Laden läuft. Jeder Bien ist ein 37-Grad-Konstanttemperaturwunder, egal, wie warm oder kalt es ist. Überall in der Natur schaffen es die Lebewesen, ihr System in keiner Weise zu zerstören, jedes ist wichtig und gibt seinen Teil im Spiel von Leben und Tod, Fressen und Gefressenwerden. Es läuft einfach.

Allerdings gibt es in der Natur jenseits des Menschen nicht ganz so viel ausgeprägtes Ego. Selbst der größte Löwe, der dickste Hai holt sich nur so viel, wie er braucht. Er legt keine Vorräte an, beutet nicht aus und hortet nicht. Und nein, die gehorteten Nüsse der Eichhörnchen, die sie gar nicht alle wiederfinden, sorgen dafür, dass immer irgendwo ein neuer Nussbaum entstehen kann. Sie sind also quasi Nussbauern und erhalten so für die nächsten Jahrhunderte die eigene  Art mit.

Lernen wir vom Leben in der Natur, wie Gemeinschaft, Netzwerken und Kommunikation geht. Jeder Baum kommuniziert angemessener als mancher Mensch, der sich in Haterkommentaren ergießt.

Und nutzen wir die Natur, um zu staunen. Jetzt im frühen Herbst erleben wir dort ein Wunder nach dem anderen. Allen einen liebevollen Venustag.

 

Windrad im Gegenlicht. Steffi hat fotografiert, lieben Dank!

Regen

Schnell ist der Mond

Die Blätter der Bäume

halten den Regen auf.

Matsuo Bashō.,1644 – 1694

Steffi hat das Himmelsschauspiel für uns festgehalten. Vielen Dank!

Vom Tagewerk zum Werktag

Die meisten Menschen lieben den Sommer. Ich bin ja eher der frostige Nebelfan. Aber das Büchnerzitat aus Leonce und Lena finde ich schön – sich in eine Wiese legen, die Wolken beobachten und umsummt werden gehört zu den schönen Erinnerungen der Kindheit.
Was ich dem Sommer sehr abgewinnen kann, ist das Rauschen der Blätter, wenn der Wind hindurchfährt, den nach und nach einsetzenden Vogelchor ab halb vier in der Früh mit zunehmendem Crescendo, den Sommerhimmel mag ich sehr (wahrscheinlich, weil es nachts gefühlt etwas kühler ist) und ich liebe es, auf Felder zu schauen, die wie Wellen im Wind bewegt werden beim Windstoß.
Die Zeit um Johanni ist für viele Menschen eine Zäsur im Jahr, da ist Pause, da werden Dinge vor den Ferien beendet, dann wird in den Ferien Kraft getankt, um nach den Ferien mit frischem Schwung die Projekte anzugehen, die an Maria Lichtmess vielleicht entschieden wurden. Beende also alles, was deinen Ferienfrieden in einigen Wochen stören könnte, damit dein Geist zur Ruhe kommen darf.
Wir haben so sehr vergessen, wie wichtig Rhythmen für uns Menschen sind. Gestern hörte ich einen sehr beeindruckenden Satz: Aus dem Tagewerk früherer Zeiten wurden Werktage.
Das hat mich sehr nachdenklich gemacht.
Früher haben die Menschen am Abend auf das geschaut, was sie bewerkstelligt haben – den Acker, der bearbeitet wurde, die Kühe, die zufrieden im Stall versorgt waren, die eingekochten Früchte im Weckglas.
Wir haben heute oft gar keinen Bezug mehr zu unserer Arbeit, können nicht mehr sehen, was wir getan haben. All das entfremdet uns sehr von dem, was wir tun, wofür wir unser Geld bekommen und wofür wir es auch wieder ausgeben. Wir leben oft ein second-hand-Leben in irgendeiner Realität, nur nicht der, in der wir wirklich sind.
Herzliche Einladung, den Dienstag, der von der Kraft des Mars beflügelt wird, als Tag zu nutzen, wieder einen Bezug zu dem herzustellen, was du als deine Arbeit tust. Die Beziehungen zu den Menschen in deiner Umgebung bewusst zu gestalten, weil es NICHT eine Sekunde selbstverständlich ist, dass wir liebende Menschen um uns haben.
Nehmen wir uns Mahl-Zeiten. Schauen wir auf unser Tagwerk – am besten schriftlich. Jeden Abend eine kleine Notiz dessen, was wir heute geschafft haben und wofür wir dankbar sind. Gehen wir täglich zur gleichen Zeit zu Bett, stehen wir zur gleichen Zeit auf. Nutzen wir die Rhythmen unseres Lebens und genießen die Pausenmomente in unserem Hamsterradalltag.
Wir haben immer eine Wahl.
Allen einen gelingenden Marstag.

Einfach mal ins Gras legen

Ich werde mich indessen in das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen herausblühen lassen und romantische Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen, wie auf einer Rose.

Georg Büchner, Leonce und Lena, 1836

Schatzkiste Natur

Vor 200 Jahren erblickte ein armer Weberssohn in Stephansried das Licht der Welt – Sebastian Kneipp. Der Junge wünschte sich nichts mehr, als Pfarrer zu werden, doch war die Familie so arm, dass seine Hilfe am Webstuhl vonnöten war.
Er sparte sich jedes Geld, das er bekam und legte es auf den Dachboden, um eines Tages das Abitur machen und Theologie studieren zu können. Endlich war es so weit. Doch dann das Unfassbare: Das Haus der Familie brannte ab und Sebastian konnte sein Geld nicht retten.
Dennoch gelang es ihm, das Abitur zu machen und Theologie zu studieren, als er an Lungentuberkulose erkrankte – ein damals nicht heilbares Leiden.
In der Bibliothek entdeckte er ein Büchlein von Dr. Hahn über die Wirkung von Wasser, was Kneipp bewog, im November mit täglichen Bädern in der Donau zu beginnen und die Krankheit zu besiegen. Sein Traum wurde war, er wurde Priester und wurde einer der bekanntesten Heilpersönlichkeiten seiner Zeit.
Vieles von dem, was Pfarrer Kneipp wusste, erkannte und niederschrieb, bestätigt sich heute. Seine fünf Säulen (die er so nie benannt hat): Ernährung, Bewegung, Wasser, Heilkräuter und als Grundlage von allem die Lebensordnung, die im Osten Yang-shen, Lebenspflege, heißt, ist hochaktuell.
In diesen heißen Tagen kann es sehr hilfreich sein, morgens Tautreten zu versuchen oder am Abend einen kalten Knieguss, damit man gut einschlafen kann.
Die Natur ist eine Schatzkammer an Hilfen, wenn man sie recht einzusetzen weiß. Es wird Zeit, dass wir uns wieder an solche Dinge erinnern. Gerade in unserer Welt, die durch die Pandemie  aus ihrem schnarchenden Tiefschlaf aufgeschreckt wurde, könnte es sehr wichtig werden, sich selbst mit einfachsten Mitteln gut aufzustellen, um das Immunsystem ordentlich zu stärken, oder?
Entdecken wir die Wunder, die wir direkt vor der Haustür haben, denn wie schrieb es Kneipp einmal so schön auf: Gegen jede Krankheit ist ein Kräutlein gewachsen. In den meisten Hausgärten können die wichtigsten Heilpflanzen ihren Platz finden. Test the best.
Allen einen freundlichen Start in eine hoffentlich wunderbare Woche.

Danke auch für dieses Foto einer echten Meisterleistung der Natur an Sonja!

Gesundheit und Krankheit

Wenn die Menschen nur halb so viel Sorgfalt darauf verwenden würden, sich gesund zu ernähren, wie sie unbewusst Mühe verwenden, krank zu werden – die Hälfte der Krankheiten bliebe ihnen erspart.

Sebastian Kneipp

Danke an Sonja für das Foto mit Ausblick auf die neue Woche.