Author page: Christine Krokauer

Freitags-Nachdenk-Input

Das Zitat von Rudolf Steiner ist über 100 Jahre alt. Steiner wünscht sich als soziale Grundtugend, dass sich die Menschen gegenseitig das Vertrauen schenken. Für einen Moment war das im Frühjahr vorhanden – die Menschen haben sich zurückgezogen und vertraut, dass Patienten gut versorgt werden, alles getan wird, um eine Katastrophe zu verhindern. Inzwischen machen wir eher die Erfahrung von Gräben, die wir zwischen uns ausheben, weil Meinungen unterschiedlich sind und Misstrauen statt Freundlichkeit toxisch unsere Adern durchströmt.

Vor den Erlebnissen dieses Jahres leuchtet das Zitat von Steiner für mich förmlich heraus. Wie oft erlebe ich das massive Leiden unter Vertrauensbrüchen in der Praxis. Die meisten Probleme der Menschen entstehen durch gestörtes Vertrauen. Ein Kind wird missbraucht – wem sollte es jemals wieder trauen können, wenn es das Schlimmste erfahren hat, wenn Menschen seine Integrität überrennen und ihrem Schutzauftrag für ein Kind nicht nachkommen? Partner betrügen sich und missbrauchen damit das Vertrauen, das in eine Beziehung gesteckt wird. Im Geschäftsleben wird Vertrauen missbraucht durch Diebstahl, in die eigene Tasche wirtschaften, jemanden übervorteilen. Im Sozialen unterstellen wir Menschen, die Hilfe beziehen, Faulheit, sich in der sozialen Hängematte ausruhen und vieles mehr in allen Bereichen unserer Lebenswirklichkeit.

Es ist vollkommen richtig, dass es immer und überall Menschen geben wird, die das Vertrauen verspielen. Auf der anderen Seite stehen Millionen Menschen, die das nicht tun. Wenn ich den Tonfall betrachte, der in den Medien herrscht, das Gefühl von fehlerhafter oder mangelhafter Information, die Tatsache, dass wir keinen klar kommunizierten Fahrplan haben für den Herbst, was die Pandemie betrifft und die Bundesländer aus politischen Gründen eigene Suppen kochen, anstatt dass sich wenigstens innerhalb eines Landes die Menschen einigen, was gesunder Menschenverstand sein könnte, stelle ich fehlendes Vertrauen fest. Menschen trauen sich nicht einmal mehr selbst. Sie können weder ihrer Wahrnehmung vertrauen (was durchaus richtig ist, denn wir sehen die Welt nie, wie sie ist, sondern so, wie wir selbst sind) noch ihren Beziehungen (was tragisch ist) noch sich selbst (was uns in tiefste Verzweiflung stürzen kann).

Vertrauen beginnt mit einem Vorschuss in den anderen Menschen. Ich schenke ihm mein Vertrauen erst einmal ohne Grund und Anspruch. Damit bekommt der andere die Möglichkeit, das Vertrauen zu rechtfertigen oder zu enttäuschen. Enttäuschung bedeutet Ende der Täuschung, ich weiß also über den anderen Bescheid in der Zukunft. Ich ziehe jedoch daraus keinen Allgemeinschluss auf die Menschheit, sondern auf eine Person.

Wir werden immer mehr gezwungen, uns miteinander auf neue, gute und auf „gesundem Menschenverstand“ (falls ihn jemand findet, bitte melden) basierende Weise an einen Tisch zu setzen, um die Fragen der Menschheit zu lösen. Jeder, der an diesem Tisch sitzt (also alle Menschen auf dem Planeten) wird freundlich gebeten, Vertrauen mitzubringen, nur so können wir uns an unsere guten Seiten erinnern. Wem Misstrauen begegnet, handelt gemäß der selffullfilling prophecies „Hab ichs doch gleich gesagt, denen kannst du nicht trauen!“ Es braucht Ruhe, Besonnenheit, eine neue Form der Offenheit, sehr viel Lernbereitschaft und die Fähigkeit, mit dem Herzen zu lauschen, den Verstand einzuschalten und zu versuchen, wertungsfreier zu werden. Dann kann Vertrauen wachsen. Vertrauen braucht Raum, Fürsorge und ein paar Zutaten wie gegenseitige Wertschätzung, auch wenn die Ansichten divergieren, die Fähigkeit, das Ego zu beschneiden und den Mut, zunächst unvorstellbare Wege zu probieren.

Allen einen Venustag voller Vertrauen. Beginnen wir wie immer bei uns selbst: trauen wir uns heute selbst über den Weg. Trauen wir uns zu, heute so zu handeln, wie die beste Version von uns handeln würde. Was würde das Vertrauen tun? Was würde die Liebe tun? Was tue ich?

Manuela hat die Hummel im Bild festgehalten. Dankeschön dafür!

Vertrauen in den Menschen

Notwendig ist, dass in der Zukunft vergrößert werde dasjenige, was man Vertrauen des einen Menschen zum anderen nennen kann. Es wäre eine soziale Tugend, eine soziale Grundtugend. In unserer Zeit der sozialen Forderungen ist diese Tugend am wenigsten vorhanden, denn die Menschen fordern, dass für die Gemeinschaft gelebt werde, aber keiner hat das Vertrauen zum anderen. In unserer Zeit der sozialen Forderungen walten die allerunsozialsten Instinkte.

Aus einem Vortrag von Rudolf Steiner, gehalten in Dornach am 14. Dezember 1929

Danke an Sigrid für das feine Foto aus dem Norden.

Donnerstags-Nachdenk-Input

Auf Hebbels interessante Aussage zur Kultur bin ich gestoßen. Viele Schritte führen zur Höhe einer Kultur, nur einer nach unten. Kultur kommt von colere, das lateinischen Wort bedeutet urbar machen, bebauen, pflegen, ausbilden. Unter Kultur verstehen wir heute alles, was die Menschen selbstgestaltend tun im Gegensatz zur Natur. Kultur und Zivilisation bedeuten zweierlei, beschrieben hat es Immanuel Kant so: „Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die Civilisirung aus.“ (in: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784).

Ich dachte die letzten Tage viel über das nach, was wir unter Kultur verstehen, denn es ist sehr unterschiedlich, was Menschen alles Kultur nennen. Dabei ist mir wieder aufgefallen, dass wir viele Begriffe haben, sie oft im Alltag nicht sauber definieren. Ein Klient hatte letzte Woche gesagt, wenn wir so weitermachen, sei das der Untergang unserer Kultur. Er meinte vermutlich unserer derzeit gepflegten Lebensform und ich bin mir nicht sicher, ob das nicht gar ein Vorteil wäre.

„Civilisiert bis zum Überlästigen“ nannte es Kant und bemängelte fehlende Moral. Begriffe wie „ehrbarer Kaufmann“, „zu seinem Wort stehen“, „per Handschlag besiegeln“ sind nicht mehr im Gebrauch bei vielen und die, die sich daran halten, erleben oft genug Ausnutzung ihrer „Gutmütigkeit“.

Immer wieder kehren wir in der Frage, wie wir unser Leben leben möchten, zu Grundwerten zurück. Dass wir bei dieser Menge Menschen auf dem Planeten permanent jemandem begegnen, der in keiner Weise unsere Weltsicht teilt, liegt in der Natur der Sache. Dass mich „das Andere“ verunsichert, verängstigt und verwirrt, ist klar. Ich empfinde das weniger als negativ, eher als Bitte an den anderen, mir seine Weltsicht zu erklären ohne missionarischen Eifer. Wahrscheinlich hat er aus seiner Sicht genauso Recht wie ich aus meiner, beide sind wir garantiert nicht im Besitz einer Wahrheit.

Kultur basiert auf Werten. Werte teilen wir mit vielen Menschen. Sie zu achten, nach ihnen zu handeln und das Herz und den Geist offen zu halten für den anderen, der ganz anders denkt und fühlt und von ihm seine Welt erklärt zu bekommen, ist ebenfalls ein Stück Kultur. Werte sind unveräußerlich. Ignoranz, Beleidigungen, Rechthaberei und Niedermachen gehören für mich nicht zu einer irgendwie gearteten Kultur. Ich muss niemandes Meinung teilen. Niemand muss meine Meinung teilen. Aber haben dürfen wir verschiedene Meinungen. Diese verändern sich durch Begegnung, Austausch, Erkennen, Verstehen und Begreifen. So kann Neues wachsen. Wiederholungen des immer Gleichen machen dies noch nicht zur Wahrheit.

Allen einen freudigen Jupitertag. Wer weiß, was uns an diesem Tag begegnet, das uns verwirrt, verändert, einlädt, gewohnte Wege zu verlassen und Neuland zu entdecken.

Den Termitenhügel hat Theresa in Australien entdeckt. Danke für das Foto!

Die Höhe der Kultur ist die einzige, zu der viele Schritte hinaufführen und nur ein einziger herunter.

Friedrich Hebbel, 1813 – 1863

Die Landschaft des Ayers Rock gehört zum Kulturgut der australischen Ureinwohner. Danke an Theresa für das Foto!

Mittwochs-Nachdenk-Input

Sich auf die Zukunft vorbereiten empfiehlt Perikles. Wie gelingt das? Vielleicht mit dem Lösen von Erwartungen, wie sie auszusehen habe. Ich halte es für bedeutsam, dass man weiß, an welchen Stern man seinen Lebenskarren hängen mag, wie es da Vinci als Aussage zugeschrieben wird. Gemeint ist damit die Vision, welcher der Mensch im Leben folgt. Die ist ein sehr hohes, übergeordnetes Thema und daraus resultieren dann Ziele, die ich erreichen kann. Sie dürfen eine gute Herausforderung sein, sonst ist uns schnell langweilig, aber nicht so schwer sein, dass Scheitern vorprogrammiert ist. Und dann gibt es noch das Unerwartete. Das, was von außen geschieht und nicht in unserer Hand liegt. Wir können das Verhalten anderer Menschen nicht einschätzen. Ebenso wenig wissen wir, wie das Wetter wird, ob es weitere Pandemien oder weltweite Stromausfälle gibt, wir uns schlagartig verlieben oder krank werden, Kinder bekommen oder Großeltern werden – all das liegt nicht in unseren Händen und kann von uns auch nur mit einem flexiblen Innenleben beantwortet werden. Wer aber eine sture Vorstellung hat, was wo wie zu sein hat, scheitert rasch und resigniert.

Die beste Investition, die meiner Meinung nach von einem Menschen getätigt werden kann, ist Bildung. Nicht unbedingt das Wissen, das ich auch nachschlagen kann, sondern Herzensbildung. Ein anderes Wort wäre Charakter. Er basiert auf unseren Werten, die sich im Feuer des Lebens immer wieder umschmieden lassen, sich verändern und bearbeitet werden möchten. Er basiert auch darauf, wie wir mit dem, was uns widerfährt, umgehen. Wachsen wir an Herausforderungen oder gehen wir in die Überforderung? Können wir lernen, Probleme zu lösen und so im Vertrauen sein, dass bei künftigen Problemen auch eine Lösung kommt (das wäre die sogenannte Mastery experience, das Vertrauen, dass uns was einfallen wird)? Oder erwarten wir stets den worst case und bekommen auch genau den, damit unsere Erwartungen auch gut erfüllt werden?

In seine eigene Entwicklung zu investieren ist kein Egoshooting, sondern vernünftig. Wer gut in sich ruht, sich vertraut, seine Fähigkeiten, Stärken und Besonderheiten ebenso wie seine Schwächen kennt, steht anders in den Wellen des Lebens. Er kann surfen, ans Ufer gehen oder sich einfach auch mal treiben lassen, weil er weiß – ich hab den Kompass in der Hand. Ich kann segeln und weiß, wo es langgeht von der groben Richtung her.

Was sehe ich in diesem Jahr? Rumgedümpel. Jeder geht auf Warteschleife Marke „och, wenn ich jetzt was anfange und es kommt der nächste Lockdown“ oder „wozu investieren, lohnt ja eh nicht mehr“ und anderes. Oder es wird gejammert. Wegen ausgefallenem Urlaub (das scheint die größte denkbare Katastrophe zu sein. Nach wie vor denke ich: Wenn dein Leben so bescheuert ist, dass du nur für den Urlaub lebst, wäre es da nicht irgendwie intelligent, für ein besseres Leben zu sorgen anstatt alles in vier Wochen Abhauen zu investieren mit dem Wissen, dass die Erholung laut Statistik in exakt DREI Wochen aufgebraucht ist?). Wegen Chaos. Sorgen und Nöten.

Es gibt unfassbar viele hoch berechtigte Sorgen und Nöte, allem voran Gesundheit. Auch da bin ich aber als mündiger Mensch zum größten Teil in der Eigenverantwortung. Es liegt an mir, ob ich ausreichend schlafe, mich vernünftig ernähre (das ist keine Geldfrage), meine Gedanken freundlich und gelassen halte, nicht an Chefs, Kollegen oder meiner grauenhaften Vergangenheit oder der grauenhaften Zukunft. Und wenn mir meine Arbeit nicht passt, ist es doch ebenfalls meine Aufgabe, das zu verändern! Dann qualifiziere ich mich für etwas anderes oder lerne, das, was ich habe, zu lieben, das findet in meinem Kopf statt und wird mir nicht serviert von außen.

Deshalb wäre es schön, wenn wir uns auf gute Weise in den Fokus nehmen: Wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten in den Bereichen Bewegung, Ernährung, Schlaf, Lebensfreude, Gemeinschaft? Auf welche positive Zukunft möchte ich mich konzentrieren? Wie viel Ablenkung erlaube ich mir in meinem Alltag und was nutzt mir das? Entspannung ist super. Fernsehen und stundenlang Daddeln oder in den asozialen Medien unterwegs sein ist keine Entspannung, es ist Stress fürs System. Wir haben ganz schön verlernt, auf unsere gute innere Stimme zu hören. Im Herbst starten wir einen Kurs, der gegen Nervosität, Verzettelung und Chaosdenken stark macht. An vier Wochenenden werden wir uns auf den Weg in die innere Mitte begeben. Wer mitmachen möchte, ist herzlich willkommen, schaut mal hier: https://www.seelengarten-krokauer.de/mittefinden/

Allen einen guten Wochenteilungstag!

Dieses wunderbare Foto hat Steffi gemacht. Ich danke dir sehr!

 

Zukunft

Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie gut vorbereitet zu sein.

Perikles

Wohin dieser Weg führen mag? Sigrid lässt das mit ihrem Foto offen. Danke!

Dienstags-Nachdenk-Input

Es ist und bleibt ein sehr unruhiges Jahr. Terminplanung ist bei uns die halbe Miete, weil viele Kurse geplant und organisiert sein müssen, oft lange im Voraus. Das hat dieses Jahr in vielem nicht funktioniert. Die Folgen werden sich noch eine gute Zeit hinziehen, so dass sich Termine bis 2022 verschieben und noch nicht richtig festgemacht werden können. Eine gute Lektion in „Was ist sicher“ – nichts. Keiner konnte im Februar ahnen, was kommt und so wenig wissen wir jetzt im August, was im September sein wird. Insofern ist alle Planung ein Versuch mit der Herausforderung, flexibel zu bleiben. Es wird spannend, vor allem, wenn Menschen Hotelzimmer buchen möchten, aber es lässt sich einfach nichts „versprechen“.

Unruhe erlebe ich auch in den Herzen der Menschen. Wahrhaftig bis ins Körperliche hinein, sehr viele Menschen sind krank und nicht mit Kleinigkeiten. Das schwüle Wetterauf- und –ab erledigt seinen Teil dazu, dass vielen Leuten in diesen Tagen förmlich die Luft wegbleibt, körperlich und vermutlich nicht zu knapp auch im übertragenen Sinne.

Es wäre wichtig, wenn wir wieder durchatmen und uns darin üben, länger aus- als einzuatmen, um das Nervensystem auf gute Wege zu bringen. Vieles läuft 2020 nicht wie gehofft oder gewünscht. Verwirrung ist zu spüren. Wir bemerken in der Praxis eine Zunahme an stiller Verzweiflung, an depressiven Zuständen, an Angst vor dem Herbst, jedoch auch einen Zuwachs an Egozentrik und Ichbezogenheit. Eines wissen wir hingegen auch: Normalerweise ist alles, was lebt, an einem Gleichgewicht interessiert. Wenn wir also zu viel von etwas auf der einen Seite haben, wächst auf der anderen Seite das Gegengewicht. Vertrauen ist ein guter Anfang.

Allen einen Start in eine schöne Woche. Eine Woche, in der wir genug Momente zum Durchschnaufen finden und uns darauf besinnen, dass Menschlichkeit die größte Qualität des Menschen ist. Vergessen wir die Dankbarkeit und die Freude für das nicht, was gut um uns herum ist.

Die Disteln sind das perfekte Hummelfutter. Danke an Sigrid für das schöne Bild!

Gesang des Meeres

Der Gesang des Meeres

Wolken, meine Kinder, wandern gehen

Wollt ihr? Fahret wohl! Auf Wiedersehen!

Eure wandellustigen Gestalten

Kann ich nicht in Mutterbanden halten.

Ihr langweilet euch auf meinen Wogen,

Dort die Erde hat euch angezogen:

Küsten, Klippen und des Leuchtturms Feuer!

Ziehet, Kinder! Geht auf Abenteuer!

Segelt, kühne Schiffer, in den Lüften!

Sucht die Gipfel! Ruhet über Klüften!

Brauet Stürme! Blitzet! Liefert Schlachten!

Traget glühnden Kampfes Purpurtrachten!

Rauscht im Regen! Murmelt in den Quellen!

Füllt die Brunnen! Rieselt in die Wellen!

Braust in Strömen durch die Lande nieder –

Kommet, meine Kinder, kommet wieder!

Conrad Ferdinand Meyer, 1825-1898

Die Wolken hat Sigrid fotografiert. Herzensdanke!

Montags-Nachdenk-Input

Die Landwirte ernten rund um die Uhr, um das Getreide vor den gemeldeten Gewittern nach Hause zu bringen. Es steht nicht so gut um die Ernte. Rund 42 Millionen Tonnen Getreide werden in diesen Tagen eingefahren und die Resultate sind unterschiedlich. Es gibt Gegenden, in denen hat es mehr geregnet. Woanders ist das dritte Dürrejahr und die dicken Frostnächte im Mai haben viel zerstört.

Uns ist das heute nicht mehr so bewusst wie früher – solche Jahre bedeuteten vor einigen Jahrhunderten noch Hungersnöte im Winter, Auswanderung und Zerstörung vieler Existenzen. Es fehlt nicht selten am Bewusstsein, dass wir alle nahrungstechnisch nach wie vor vom Wetter abhängen, egal, wie die Anstrengungen voranschreiten, im Supermarkt in beleuchteten Schränken auf Nährlösung Salate anzubauen. Ohne die Arbeit der Landwirte gibt es kein Brot, kein Gemüse, kein Obst. Das muss uns immer bewusst sein, denn alles hängt mit allem zusammen.

Doch selbst wenn am Baum die Früchte hängen, stellen wir fest, dass vieles angestochen wurde, so mancher Apfel ist innen zerstört, viele Bäume bleiben leer, verrieselt Einiges. Ich hoffe sehr, dass der Holunder nicht verrieselt und nicht wie in den letzten beiden Jahren nur Trockenfrüchte trotz Gießen produziert. Seit zwei Jahren haben wir keinen eigenen Holundersaft mehr, das ist schlecht für den Winter. Für uns sind solche Dinge bedeutsam, denn wir stärken das Immunsystem sehr gern mit den Sachen aus dem Garten. Was hier um uns herum wächst und die Tage mit uns teilt, hilft auch am besten, finden wir.

Zum Gesundbleiben braucht es neben einer guten Ernährung, Schlaf und gutem Wasser vor allem Lebenssinn und Freude. Ohne Sinn im Leben resignieren Menschen schnell und ich glaube, nach diesen Monaten seit der Pandemie sind viele Menschen sehr erschöpft und schnell gereizt. Halten wir unsere Baustelle zwischen den Ohren sauber und versuchen wir nach wie vor – für kein Jahr galt das so wie für dieses – in unserer eigenen Mitte zu bleiben.

Wenn ich Bilder vom Tag anschaue, überlege ich mehrfach, ob ich das soll, denn was ich sehe, erschreckt mich. Ich sehe Aggression, Hass, Aufeinanderprallen, Kämpfen um die eigene Meinung. Wir sehen nie die Welt so, wie sie ist, wir können sie stets nur so sehen, wie wir selbst und unsere Möglichkeiten sind, wahre Informationen zu bekommen, um etwas einzuschätzen. Und ich glaube nicht, dass wir mit Wahrheit in diesem Jahr schon reich gesegnet waren. Deshalb sollten wir für uns selbst immer wieder prüfen, was wir sagen. Für diesen Wochenstart könnten wir es mit liebevollen und freundlichen Worten versuchen – uns selbst und allen anderen gegenüber. Mit Hass und Wut ist die Welt noch nie besser geworden. Vielleicht gelingt das eher mit nachfragen, versuchen zu verstehen, Geduld und Freundlichkeit.

Allen einen guten Start in eine gesunde Woche und auf gute Weise Abkühlung, die dringend nicht nur der Natur not tut.

Unser Apfelbaum macht Freude.

Wochenend-Nachdenk-Input

Der Dörrautomat ist im Einsatz. Der Apfelbaum wirft die überzähligen kleinen Äpfelchen ab, die er nicht alle großwerden lassen kann. Sie fallen einem direkt in die Hand und werden zu Apfelringen für den Winter verarbeitet. Es duftet herrlich, denn einige Aprikosen sind auch gleich mit in den Dörrautomaten gewandert. Es ist wunderbar, im Winter einfach ein Glas aus dem Schrank zu holen und man  hat die Sommerfreude vor sich. Das erste Jahr, in dem der Apfelbaum über und über mit Früchten ausgestattet ist. Ich hoffe, ich kann viel dörren und bin gespannt, wie gut die Sorte lagerfähig ist. Soweit waren wir nie gekommen, weil wir die wenigen Äpfel bisher immer zu schnell aufgegessen haben.

Am Wegrand blühen schon die Zichorien in ihrem erstaunlichen Blau. So viele blaue Blüten gibt es gar nicht in der Natur. Jedes Mal habe ich das Märchen des Mädchens im Kopf, die auf ihren Geliebten wartet und er kommt nicht, so verwandelt sie sich in die Wegwart. Das fällt mir ein, wenn ich Zichorien sehe und ich denke daran, dass die Wurzeln früher geröstet, gemahlen und in Kriegszeiten als Muckefuck genutzt wurden .

Viele haben nun in den Ferienmodus geschaltet. Das überrascht mich jedes Jahr, dass Ende Juli, Anfang August gefühlt alle in eine Art Sommerschlaf kippen und davon ausgehen, dass alle anderen das auch tun. Nein, tun wir nicht. Wir schreiben jetzt am Wochenende, an dem jetzt keine Kurse sind, unsere Facharbeiten fertig und Montag geht es ganz normal in der Praxis weiter. Wer die Ferienzeit nutzen will, um sich für den Herbst gut aufzustellen, hat jetzt die besten Möglichkeiten dazu. Wir haben gesehen, wie schnell wir erschöpft sind und gefühlt am Rad drehen, wenn die Welt anfängt zu stolpern. Und was ich so beobachte bei den Menschen, sind sie sehr erschöpft, nach wie vor verwirrt, aus dem Tritt. Viele sagen: „Bei mir ist jeder Dampf raus“, „ich komm gar nicht mehr rein in den Alltag“, „ich hab zu allem keine Lust mehr“ oder gar: „Wozu der Aufwand? Es ist doch eh alles sinnlos.“ Das ist erschreckend und auch nicht hilfreich.

Viele Schulleiterkollegen berichten mir, dass alles zäh ist, kaum in Gang kommt, alles auf Warteposition. Auf was warten wir denn? Dass Godot erscheint? Man kann sich an den Spruch halten „Der Eine wartet, bis die Zeit sich wandelt, der Andere packt sie an und handelt“. Klar kann man warten, ich frage mich nur immer, warum wir das tun. Das macht bei vielem Sinn, nicht aber bei der Frage, wie ich mich persönlich in meine Kraft bringe, dafür sorge, dass ich gut aufgestellt bin und eine gute Form der Selbstfürsorge entwickle. Welche Bildungslücken möchte ich schließen? Wo sehe ich die Möglichkeit, etwas zu lernen, was für die Zukunft hilfreich sein kann? Es macht mehr Freude, sich solche Fragen zu stellen, anstatt sich zu beklagen, dass alles ganz furchtbar sei, das Leben so schwierig, die Zukunft so ungewiss. Sie war nie gewiss, in keiner Richtung! Leben ist immer ein Abenteuer. Die Welt ist nach wie vor ein Wunder. Kinder werden geboren – wie sollen sie denn aufwachsen? In einer Welt der Verzagten? Hoffnungslosen? Ängstlichen in Bezug auf eine garantiert schlechte Zukunft?

Allen ein Wochenende, an dem sie Mut fassen, Veränderungen anzugehen. An dem ein gutes Buch auf den Tisch kommt. Eine Wanderung in der Natur. Ein Gespräch mit Menschen, die gestaltungsfreudig sind in Bezug auf das, was kommen kann. Sich daran erinnern, wer sie inspiriert und begeistert. Lassen wir uns rote Backen vor Freude zaubern. Erleben wir das gute Gefühl, dass wir handlungsfähig sind, uns auf den Weg machen können und dürfen und dass wir zu jeder Zeit jede Menge Wahlmöglichkeiten haben. Nur Mut! Und losgehen. Der Weg entsteht stets nur beim Gehen.

Fröhliches Wochenende!

Die Jungfer im Grünen, ein Hahnenfußgewächs, hat sich für Sigrids Kamera schön gemacht. Danke!

Spazierengehen

Ich gehe viel spazieren, einmal einfach, weil strahlendes Wetter ist, dann auch, weil ich die kommenden Herbststürme vorausahne. So nutze ich wie ein Geizhals das aus, was Gott mir schenkt.

Marie de Sévigné

Die einladende Bank im erholsamen Grün hat Sigrid entdeckt! Danke!

Freitags-Nachdenk-Input

Selbstbeherrschung, die Albert Schweitzer anregt in seinem Zitat – eine sehr hohe Kunst, die zudem nochmal schwerer ist, wenn man eher zum sanguinischen oder cholerischen Temperament gehört, da zischt dann schon mal schneller etwas heraus, bevor das Gehirn gefiltert hat. Gestern Abend ging ein wunderbarer Eurythmiekurs zu Ende und wie üblich haben wir uns danach noch ordentlich verschwätzt. Da ging es unter anderem auch um die Frage der Disziplin und ob das ein Wert sei. Für einige Menschen ist das ein höchst negativer Begriff.

Grundsätzlich stammt Disziplin von disciplina ab, was Lehre oder Schule heißt und manchmal auch mit „Zucht“ übersetzt wird. Der Begriff ist natürlich negativ verbunden mit „Zuchthaus“, „Zucht und Ordnung“ und da schwingt jede Menge schwarzer Pädagogik mit.

Selbstdisziplin ist durchaus ein beachtlicher Wert, wie die Dunedin-Studie von 2011 belegen kann. Darin wurde geprüft, ob bestimmte Aspekte von Selbstkontrolle in der Kindheit wie Selbstdisziplin, Gewissenhaftigkeit, aber auch Ausdauer auf ein späteres erfolgreiches Leben Auswirkungen haben – sie haben es in den Bereichen Gesundheit, materiellen Wohlstand und Zufriedenheit, ganz frei von sozialem Stand und Intelligenz. Wer als Kind gelernt hat, auch mal an etwas dranzubleiben, sich durchzubeißen, sich geübt hat, nicht dauernd alles und sofort haben zu müssen und zu wollen und angehalten wurde, auch zuverlässig zu sein, tut sich später leichter.

Ein hervorragendes Hilfsmittel zum Erüben dieser Werte stellt das Erlernen eines Instruments oder einer Sportart dar. Denn all diese Dinge wie Gewissenhaftigkeit, Ausdauer und Selbstdisziplin werden hier ganz selbstverständlich erübt. Nehmen wir Kindern diese Entwicklungsmöglichkeiten, ist das schade. Viele Erwachsene bedauern es sehr, wenn sie kein Instrument spielen können und je nach Sportart kann der Mensch bis ins höchste Alter hinein beweglich sein und wird so auch seinen Geist beweglicher halten.

Was das bringt, sieht man erst viel später. Ich bin schon mit drei Jahren ins Ballett gekommen, das waren früher noch ordentliche Drilleinheiten. Was habe ich mitgenommen aus fast 13 Jahren Ausbildung? Ein sehr breites Repertoire an Musik und Choreographien in meinem Kopf. Ein enormes Maß an Disziplin. Die Fähigkeit, mich komplett in mir selbst auszubalancieren. Aufrichtekraft und Haltung. Tiefen Respekt vor Menschen, die gute Selbstbeherrschung haben. Und allertiefsten Respekt vor der Leistung vieler Sportler, Musiker, Tänzer und aller, die immer wieder entweder ihren Geist dehnen oder sich selbst herausfordern, um im Grenzbereich flexibel zu bleiben. Und ein ganz tiefes Wissen darüber, dass wir immer und immer üben dürfen, denn etwas darf in Fleisch und Blut übergehen, sonst ist es nicht „verinnerlicht“.

Allen einen freundlichen und wertigen Venustag.

Das herrliche Bergseefoto stammt von Katja. Ich hatte beide Fotos nebeneinander und fand es sehr erstaunlich, wie anders ein Bergsee wirken kann. So hat jeder Fleck auf dem Planeten seine ganz eigene Schönheit. Danke für das Foto!

Seslbstbeherrschung

Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.

Albert Schweitzer

Gabi war am Staffelsee und hat dieses Bild mitgebracht. Dankeschön!

Donnerstags-Nachdenk-Input

Ich bekam eine tolle Mail. Eine Familie ist von Garmisch Partenkirchen bis Meran gewandert – 13500 Höhenmeter. Eine grandiose Leistung und mit Sicherheit ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Über 200 Kilometer ist die Strecke lang. Das ist in der Ebene gut machbar, aber nicht quer über das Gebirge.

Das erinnerte mich an eine Geschichte über Sebastian Kneipp, der einmal eine Anfrage von einem kranken Mann bekam, ob er nach Wörishofen kommen könne zur Genesung. Kneipp schrieb, er könne kommen, wenn er zu Fuß ginge. Der Weg war weit. Sehr, sehr weit. Als der Mann ankam, waren die meisten der Beschwerden verschwunden, so zumindest berichtet es die Geschichte. Ob sie wahr ist oder nicht, weiß ich nicht. Mir gefällt sie, weil sie die Aussage stärkt „Der beste Weg zur Gesundheit ist der Fußweg“.

Heute wurde ich nach Tipps fürs Immunsystem gefragt.Da gibt es viele Möglichkeiten. Die einfachsten Mittel sind: ausreichend schlafen. Viel bewegen. Singen. Tanzen. Tief in den Bauch atmen. Sehr gut und bewusst essen. Ein gutes Stressverhalten üben. Mit freundlichen Menschen arbeiten. Zu sich selbst freundlich sein. Genügend Wasser trinken. Einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Die Natur schützen, anderen dienen. Schauen, was im Garten oder am Wegrand wächst, es könnten die Heilmittel der nächsten Woche sein. Sich jeden Tag aus tiefstem Herzen freuen. Musik! Kunst! Und jede Woche mindestens einmal die Hände tief im Erdreich haben, um den Boden zu spüren. Sich mit möglichst vielen Pflanzen umgeben. Den Platz zwischen den Ohren freihalten von Hass, Neid, Zwietracht, Gier und Bösartigkeit. In Summe müsste das ausreichen, um gut aufgestellt zu sein. Für alle Fälle.

Allen einen freudigen und immungestärkten Jupitertag!

 

Für eine wahre Augenweide sorgt Steffis Foto! Danke dir!