Author page: Christine Krokauer

Krass

Die Themen in der Praxis sind diese Woche erstaunlich. Gleich mehrfach geht es um den jede Vorstellung übersteigenden Verlust von Kindern, um Entscheidungen, die getroffen werden müssen, denen ethisch-moralische Konflikte zugrunde liegen, um Beenden von langjährigen Freundschaften. Der Umgang mit Verlust, Tod und Trauer ist schwer, da gibt es keine einfache Lösung, sondern ein stilles Raumhalten, Begleiten und Halten von Schmerz.

Vorgestern fragt eine Kollegin: „Wie gehst du denn mit dem um, was derzeit alles so los ist? Ich muss viel mehr Pausen einlegen.“ Das kann ich gut nachvollziehen, November ist oft ein Monat, in dem sich Müdigkeit und Erschöpfung vom Jahr bemerkbar machen. Ich habe festgestellt, dass Pflege enorm erdet. Wenn ich meinem Bruder die Zähne putze, ihn rasiere, wasche, wickle, schaue, dass er trinkt und sich beim Essen nicht verschluckt bin ich extrem präsent, sonst endet es im Chaos. Dieses permanente „Hier-und-Jetzt-Training“, so anstrengend es ist, hat das Potential, alles Dramatische herunterzubrechen auf basale Dinge. Das ist hilfreich für Tage, an denen ich an meine Grenzen stoße.

Farbhüllen

Pflanzenfarben wirken unglaublich hüllend. Treppenhäuser sind nicht unbedingt ein Ort, an dem man sich behütet fühlen mag. Am Goetheanum in Dornach ist das anders.

Psychoaktive Tage

Vor vier Wochen war ich im Schweigeretreat. Was ist geblieben? Erkenntnisse daraus sind psychoaktiv, entfalten weiter Wirkung. Ich lausche achtsam, nehme intensiv wahr und stelle die Tendenz fest, dass wir Menschen gern demontieren. Ob das Menschen in der Öffentlichkeit sind, in unserem Umfeld, ganze Völker. Eine Sache, die uns nicht passt, schon kommt alles in die Schachtel „persona non grata“. Dabei missachten wir Zusammenhänge, aus denen Äußerungen herausgenommen werden, Geschichten, die hinter Worten stecken und unbekannt sind und vieles mehr. Selbstverständlich ist eine klare Stellungnahme, eine deutliche Haltung absolut wichtig, wenn jemand sich vergaloppiert, wehret den Anfängen.

Wunsch in Bezug auf Haltung: Ich habe einen eigenen Standpunkt und kann mich auch in andere hineinversetzen, nicht nur emotional, sondern auch mit klarem Verstand, was wir mit Schaulogik bezeichnen. Ich habe Werte. Ich lausche mit Herz und Ohren und nehme wahr, was hinter Worten steckt. Ich erforsche mich und kann ruhig mein Statement abgeben, weshalb ich so oder so denke und handle. Ich kann klar adressieren und benennen, wenn mir etwas auffällt, als Frage formulieren, wie die andere Person das sieht. Möglicherweise lerne ich viel aus dieser Antwort über meine eigenen Aufgaben. Haltung ist, was mich hält – nicht einengt, nicht dichtmacht, sondern trägt, wenn es schwierig wird. Haltung bewährt sich nicht im Sonnenschein, sondern in der Rushhour des oft quirligen Alltags. Einen kraftvollen Marstag für dich heute!

Haltung statt Worten

Kein Ansatz, der sich auf Wissen, auf Training, auf die Annahme irgendeiner Lehre verlässt, kann auf Dauer von Nutzen sein. Haltung ist entscheidend, nicht Worte.

Carl R. Rogers

Ita Wegmans Büste in der Klinik Arlesheim. Auch sie ein Mensch mit (mich) beeindruckender Haltung im Leben.

Kurz eskaliert

Intensive Beschäftigung am Wochenende im Seminar mit Ken Wilbers integralen Gedanken. Kurz der Moment, in dem ich dachte „Wäre schön, wenn ich nur das jetzt als Thema hätte heute“. Mein Leben integriert viele Dinge – Pflege ist 24/7, an diesem Wochenende gab es Haushaltsaufgaben, Besprechungen verschiedener Art, Beantwortung von Anfragen, die letzten Arbeiten im Garten für das Jahr, Suche nach der Schneeschaufel zur Sicherheit und Vorbereitung der Woche neben Bügelwäsche und Flickarbeiten, die hier auch ständig anfallen. Der Gemahl findet eine Liste aus 2020, als wir unsere jährliche Zukunftsplanung gemacht haben für alle Lebensbereiche. Er legt es mir vor wegen meiner persönlichen Planung. Kurze Eskalation meinerseits. Die Lebensrealität eines Menschen, der pflegt und selbstständig ist, sieht anders aus als damals, als ich keinen Pflegefall hatte. Davon abgesehen hat sich unser Leben wie das aller anderen seit der Pandemie massiv verändert, was davor als Ideen für die Zukunft im Raum stand, ist heute obsolet. Spannend daran war in jedem Fall, wie krass sich Leben in kurzer Zeit auf vielerlei Ebenen verändern kann. Und ich denke, wir alle werden massivere Veränderungen in den nächsten Jahren erleben als wir uns das heute vorstellen. Daher Motto der Stunde: Gleichgewicht anpeilen, egal wie stark der Boden schwankt. Darauf eine Tasse grünen Tee.

 

Maike hat das wundervolle Bild in den Bergen gemacht. Lieben Dank dafür!

Frostig leeres Leben

So fühl ich erst die Welt

Die außer meiner Seele Miterleben

An sich nur frostig leeres Leben

Und ohne Macht sich offenbarend

In Seelen sich von neuem schaffend

In sich den Tod nur finden könnte.

Wochenspruch aus dem Seelenkalender von Rudolf Steiner.

Steffen hat diese zauberhafte Aufnahme gemacht. Vielen Dank!

Kurswochenende

Ein Wochenende ohne selbst Kurs halten, sondern selbst lernen ist ein Highlight. In den letzten Wochen war viel zu tun, da ist das eigene Lernen ins Hintertreffen geraten, insofern erhoffe ich mir, dass ich wieder mehr den Fokus aufs Fortbilden lenken kann. An Motivation hat es mir zum Glück noch nie gefehlt, in den letzten Jahren jedoch an Zeitfenstern. Das ist ein Bereich, in dem ich merke, wie viel Zeit Pflege wirklich jeden Tag bedeutet und vor allem im Verlauf, wie krass viel Energie das kostet. Wir gehen derzeit neue Wege mit dem Bruder in Bezug auf Aromatherapie und Kräuterabkochungen aus der TCM, um zu schauen, was jenseits von Antibiose sinnvoll machbar ist. Das kostet Zeit, Geld und Einarbeitung, denn bei Menschen mit vielerlei Handicaps können erstaunliche paradoxe Reaktionen auf Mittel erfolgen, mit denen keiner rechnet. Ich beobachte noch genauer als sonst schon, muss exakter dokumentieren, damit wir sehen können, was gut funktioniert und was wir nicht weiterverfolgen. Auch das sind Fortbildungen – in tiefer Wahrnehmung, Begleitung von Menschen mit speziellen Herausforderungen, abschätzen lernen, wann welche Abkochung zielführend ist und welche nicht. Irgendwie ist alles ein stetes Lernen im Leben.

 

Mächtig, dachte ich beim Anblick des Fotos von Annemarie, als Weitetyp sind Berge für mich immer wieder erstaunlich. Die Kombination Berg und See jedoch ist auch spannend.

Heimatseelenlandschaften

Spannende Erkenntnis eines Klienten, dass ein ihm wichtiges Lebensthema Heimat ist. Er reist, führt Gespräche, gestaltet Podcasts und am Fuß des Diamir/Nanga Parbat, 8125 Meter hoch aufragend im Kaschmirgebiet, wurde ihm bewusst, dass Heimat auch ein Gefühl sein kann, nicht nur ein geographischer Ort. Wichtige Punkte in seiner Biografie sind stets mit einem Ort verbunden, der wie ein Anker einen Lebensmittelpunkt darstellt, von dem er hinauszieht in die Welt, um Geschichten zu sammeln. Es war so schön zu erleben, wie dieser Ort mit einem Mal Erdungspunkt wird, Lebensraum, aber eben nicht wie ein „an der Scholle kleben müssen“, sondern die Freiheit bedeutet, von diesem Ort aus hinauszuziehen und wieder heimzukehren. Orte werden zu Kraftorten, zu einer Form von Homebase, wo man auftankt, sich versorgt, lebt, um dann erneut aufzubrechen, um in der Ferne zu erfahren, was Menschen dort Heimat, Zuhause ist und so die eigenen Wurzeln sind.

Das hat mich an Rüdiger Sünners bewegende Filmreihe über Seelenlandschaften erinnert (https://www.ruedigersuenner.de/meine-filme/), in denen er achtsam Orte aufsucht und ihrer Energie und Kraft nachspürt.

 

Eine meiner Seelenlandschaften ist der Goetheanumspark in Dornach.

Was isst du?

Ernährung – es ist ein Privileg, darüber nachdenken zu können. Es gibt aus meiner Sicht nicht DIE Ernährung, die für uns alle passt, sondern ist stets individuell. Ein Highlight für Annemarie war dieses Sushimahl, das sie mit Freude fotografiert und dann verzehrt hat. Danke für dein Bild!

Miteinander

Vieles sieht von Außen gut aus, blickt man hinter die Kulissen, erkennt man Schmerz, Leid, Trauer und vieles anderes mehr. „Unter jedem Dach ein Ach“ hieß es früher, wenn jemand sagte, dass das Gras beim Nachbarn grüner sei. Ich vermute, dass daran viel Wahres ist. Es gibt keinen Grund, einen anderen Menschen um sein Leben zu beneiden, wir wissen nie, was das konkret bedeutet. Die Frage wäre eher, wie man einander unterstützen kann. So mancher ältere Mensch würde gern jüngeren das Reparieren von Fahrradschläuchen zeigen, Waffeln miteinander backen oder sich austauschen. Startups profitieren von der Expertise älterer Mentoren. Die Power der Jüngeren und ihre Sicht auf die Welt, die zukunftsgerichtet ist, weil sie sie gestalten, mag sich gut verbinden mit Ruhe, Gelassenheit und Erfahrung der Älteren, die aus der Vergangenheit manche gelernte Lebenslektion mitbringen. Es braucht Räume des Miteinanders. Des gegenseitigen Lauschens mit wachem Ohr, offenem Herzen und angebotener Hand. Es ist keine Frage von Alter, Religion, Hautfarbe oder sonst etwas. Menschlichkeit entsteht, wenn wir uns selbst und uns gegenseitig die Möglichkeit schenken, menschlich zu sein. Es ist eine Art, das Leben zu leben, keine Attitude.

Bunte Vielfalt ist ein Zeichen von Widerstandsfähigkeit.

Hinauf und hinab

Immer weiter hochklettern auf den Leitern des Lebens, so das Paradigma. Manchmal muss man eine Treppe auch wieder ein gutes Stück nach unten gehen, um sich neu zu sortieren, dann mag das Hochsteigen einfacher sein.

In den Treppenhäusern im Goetheanum kann man so viele verschiedene Erlebnisse haben.

Desorganisiert

Tage sind verrückte Mischungen. Da ist die Arbeit mit Klienten unterschiedlichster Art in Therapie und Coaching. Die Vorbereitung von Seminaren, Vorträgen, Kursen. Das Schreiben von Texten, Dokumentationen, Beantworten von Mails, Terminkoordination, Rechnungen schreiben und vielerlei mehr. Semesterplanung Frühjahr-Sommer der Volkshochschulen. Dazu ein Haushalt mit allem, was dazugehört von Waschen über Putzen, Bügeln bis hin zu den jahreszeitlichen Dingen wie Obst einkochen (geschafft), Plätzchenplanung plus X. Da ist die Pflege des Bruders, bei dem man am Morgen nicht wissen kann, wie Mittag und Abend werden, schnell kochen Symptome hoch, braucht es Achtsamkeit, Bewusstheit beim Pflegen, sorgsame Ernährung und Beschäftigung. Letzte Arbeiten im Garten, der Rest bleibt, wie er eben ist. In- und Output unterschiedlichster Art von früh bis spät.

Ich schaue aus dem Fenster in den Garten. Wann sind die letzten Blätter abgefallen? Ich spüre das wechselnde Wetter in Kopf und Knochen. November. Dieses seltsam abrupte Kippen in den Vorwinter. Klientin gestern: „Ich hab den Weihnachtsbraten fertig. War im Sonderangebot, hab ich gleich gekauft und gekocht und eingefroren.“. Ich mache mir besser mal Gedanken über mein Leben, ich glaube, ich bin ein wenig desorganisiert 🙂

 

Rebekkas Foto gehört zu meinen unangefochtenen Lieblingsbildern. Danke dir!

 

In allen vier Ecken

Biographie – was unser Leben schreibt. In der Praxisarbeit ist die Beschäftigung mit der Biographie des Menschen immer wieder ein Bestandteil, um zu verstehen, wie Muster aus Kindheitstagen unser Leben bis ins Alter hinein beeinflussen. Da unser Gehirn bis zum letzten Atemzug neu vernetzen kann, bedeutet ein ungesundes Muster aus der Kindheit kein lebenslanges Schicksal. Kein negativer Glaubenssatz ist durch Erkenntnis durch einen positiven ersetzt, keine Wunde heilt, nur weil man ihrer bewusst wird. Geduld, Vertrauen, Liebe, gewusst wie und Übung sind Helfer auf dem Weg des Ganzwerdens, der Integration und Wertschätzung dessen, was das gesamte Leben mitgetragen worden ist und was man vielleicht nun ohne Groll zurückgeben mag.

Die Wege und Schicksale der Menschen sind so ungeheuer vielfältig und erstaunlich, demütig stehen wir als Begleiter vor manchem Bericht. Der Mut, etwas erzählen zu können, kommt, wenn der Raum, in dem gesprochen wird, behütet ist. Immer und immer geht es um den Raum zwischen uns, egal wo, egal in welcher Situation. Gelingt es, diesen Raum mit Klarheit, Ruhe und Offenheit zu füllen oder ist er bereits überfüllt mit (Vor-) Urteilen, Ablehnung und Hass? Im Poesiealbum gab es einst den Spruch „in allen vier Ecken soll Liebe drin stecken“ – da ist Wahres dran.

Ich wünsche dir an diesem Marstag offene Räume, lichtdurchflutet und sonnengewärmt, die es dir leichter machen, gut durch den Tag zu kommen.

 

Stephanies Fotos aus der Schweiz sind auch 2025 eine Augenweide.