Author page: Christine Krokauer

An den Mond

An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz.

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh‘ und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud‘ und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluss!
Nimmer werd‘ ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuss
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist.
Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst.

Rausche, Fluss, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüst’re meinem Sang
Melodien zu,

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewusst
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 – 1832

Das Vollmondfoto hat Britta Leonhard-Kuschner gemacht. Vielen Dank dafür!

Auf dem Nachhauseweg

Am Wochenende hatte ich einen spannenden Kurs bei angehenden Coaches, die sich intensiv mit Fragen psychiatrischer Diagnosen befasst haben, um bei ihren Klienten ein Augenmerk darauf zu haben, ob es um eine Coachingfrage geht oder vielleicht mehr hinter einem Terminwunsch steckt. Das ist wichtig, denn wir glauben manchmal, wir könnten noch was reißen, dabei sind wir schon mitten drin in einer Spirale Richtung Depression oder anderes. Gern warten wir immer ab mit der These „es ist nur eine schlechte Phase“ und ehe wir uns versehen, wird aus der schlechten Phase ein Krankheitsgeschehen, das lange Zeit braucht. Wie oft würde ich mir wünschen, dass schneller auf so manche Entwicklung geschaut würde, doch unsere Ablenkungsmaschinerie verhindert das oft erfolgreich.

Wir haben viele Übungen gemacht, die uns mit unserem Wesenskern und unserer Lebensaufgabe verbinden und darüber gesprochen, wie man sich selbst schützt, wenn man mit hilfesuchenden Menschen arbeitet. Das ist eine wichtige Frage, denn Coaches und Therapeuten brauchen eine gute Selbstfürsorge, um stabil stehen und ihre Arbeit gut machen zu können. Wenige Lehrbücher befassen sich damit.

Als ich am späten Abend ins Auto zur Heimfahrt gestiegen bin, war es finster, stürmisch und regnerisch. Nachts sehen die Dinge oft sehr anders aus. Kaum wechselte ich bei Heilbronn die Fahrtrichtung, stand mit einem Schlag der volle Mond vor mir. Das war sehr beeindruckend. Um eine Kurve herumfahren und direkt über der Autobahn, als würde die Straße genau dorthin führen, der Mond, vollkommen wolkenfrei. Bis zu Hause blieb er meist neben mir und leuchtete gut die Straße aus, was für mich eine echte Hilfe ist, Nachtfahrten sind nicht mein liebstes Hobby, wobei die Autobahn eine Hilfe ist. Egal um welche Uhrzeit, da sind viele Menschen unterwegs und ich frage mich, wo all die Menschen in der Nacht hinfahren. Nach Hause? Ans Meer? Zur Arbeit? So viele,  nachts, am Wochenende? Die Fahrzeuge rasen so schnell an mir vorbei, dass man nicht sehen kann, wer oder wie viele Menschen drinsitzen. Gern würde ich sie einladen, vom Gas zu gehen, um den Mond zu sehen, durchzuatmen. Es macht nur Minuten aus, die man durch Rasen meint schneller zu sein.

Wir sind immer unterwegs von A nach B bis zu dem Moment, an dem das nicht mehr möglich ist. Dann wird uns bewusst, dass alles Reisen und Rasen dazu diente, nach Hause zu kommen zu uns selbst. Hilfreich, wenn wir dieses Zuhause dann auch wohnlich und einladend eingerichtet haben. Was tust du heute, um das vorzubereiten?

Der Dienstag steht unter dem Schutz des Mars, was bedeutet: Kraft und Energie fließt uns zu. Das können wir sicherlich alle sehr gut brauchen. Nutzen wir diese Kraft und Energie, um diesen Tag zu etwas Gutem zu gestalten.

Allen einen guten Tag und Freude mit Steffis beeindruckendem Foto.

Lebenssturmträume

Oktobersturm

Schwankende Bäume
im Abendrot –
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod –

Blättergeplauder –
wirbelnder Hauf –
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

Christian Morgenstern, 1871–1914

Das stürmische Wochenende malt die Wälder bunt. Danke an Steffi für das Foto!

Es gibt eine Zeit …

Zeiten

Es gibt eine Zeit zum Arbeiten und eine Zeit, um die Hände ruhen zu lassen.

Es gibt eine Zeit zum Feiern und eine, in der wir uns daran erinnern.

Es gibt eine Zeit zum Trauern und eine, in der die Trauer in unser Herz eingewebt wurde.

Es gibt eine Zeit zum Lernen und eine, um das Gelernte anzuwenden.

Es gibt eine Zeit zum Essen und eine, um es zu verdauen.

Es gibt eine Zeit für Sonne und eine für Regen.

Es gibt eine Zeit für Licht und eine für Dunkelheit.

Es gibt eine Zeit der Angst und eine des inneren Friedens.

Es gibt eine Zeit für die Kälte des Winters und eine für die Hitze des Sommers.

Es gibt eine Zeit des Werdens und Reifens und eine des Versamens und Vergehens.

Es gibt eine Zeit, da wurzeln wir ins Leben ein und eine, da lösen wir langsam die Wurzeln.

Alles hat seine Zeit. Alles braucht seine Zeit. Nichts kommt vor der Zeit.

Das kann helfen, es kann auch traurig machen. Nichts bleibt, wie es ist. Trost und Herausforderung zugleich.

Lebe deine Zeit, die jetzt gerade ist. Sei. Und lass dich mitnehmen, wenn sich die Zeiten verändern. Bleib offen und gestaltungsbereit und versuche nie, etwas festzuhalten. Das Rad der Zeit nimmt uns alle mit. Was bleibt, ist das, was du an Liebe und Licht in die Welt gestellt hast.

Einen guten Start in die neue Woche mit Zeit für alles, was gerade ansteht, wünsche ich euch von Herzen.

 

Steffi hat diese herrlichen Herbstfarben am Wochenende entdeckt und schenkt uns dieses herrliche Bild. Dankeschön dafür.

 

PS Wer zur Glückswerkstatt am Montag, 19.30 Uhr kommen möchte, möge sich bitte bis Montag 12 Uhr anmelden. DANKE!

Abendstimmung am See

Abend

Der Abend wechselt langsam die Gewänder,

die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;

du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,

ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,

nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,

nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend

wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt –

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)

dein Leben bang und riesenhaft und reifend,

so dass es, bald begrenzt und bald begreifend,

abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Rainer Maria Rilke

Das wunderschöne Abendfoto hat Stephanie gemacht. Danke dir!

Grenzen sprengen

Schlangen häuten sich, wenn sie wachsen. Bei Menschen dehnt sich die Haut. Vielleicht kommt das Sprichwort „Aus der Haut fahren“ vom Häuten mancher Tiere. Wie oft würden wir gern aus unserer Haut fahren, weil sie uns begrenzen und einengen kann. Da wird uns etwas zu eng, wir wachsen aus etwas heraus und spüren, dass das Alte unflexibel macht und wir nun Grenzen sprengen müssen.

Wir haben einige Grenzen durch den Körper. Die äußere Umweltgrenze bildet die Haut. Sie schützt uns gegen Einflüsse von außen und „hält alles zusammen“. Die zweite Grenze ist die Lunge, denn mit diesem Organ stehen wir ebenfalls in einem spannenden Austausch mit unserer Umwelt. Ich atme ein, was jemand anderes ausatmet und umgekehrt, so verbinden sich die Menschen und wir nehmen etwas vom anderen auf. Das dritte Grenzorgan ist der Darm, der die von außen zugeführte Nahrung verdauen und umwandeln soll in Aufbaukräfte des Organismus.

Wenn Menschen mit ihrer Grenze ein Thema haben, kann es sein, dass Haut, Lunge oder Darm das Thema ausdrücken und uns wird das oft nicht bewusst, dass es um eine Grenzfrage im Leben gehen könnte. Wenn also jemand mit diesen Bereichen Schwierigkeiten hat, kann er sich einfach mal fragen, ob es eventuell um Grenzen, ihre Wahrung, Überschreitung oder Aufrechterhaltung gehen könnte. Vielleicht ist das ein Aspekt, der den nächsten Entwicklungsschritt möglich macht, bevor wir „aus der Haut fahren müssen“.

Allen ein feines Wochenende mit guten Grenzen und der Erkenntnis, dass wir auf unsere Grenzen gut achten dürfen, wenn wir gesund bleiben und uns wohl fühlen möchten.

 

Die Mammutbäume hat Theresa in Amerika fotografiert. Wenn wir überlegen, wie lange ein Baum braucht, um so groß zu werden und wie alt ein Baum werden kann, bleibt uns nur eines – Respekt vor der Natur.

Wechselphasen

Die Schlange, welche sich nicht häuten kann, geht zugrunde. Ebenso die Geister, welche man verhindert, ihre Meinungen zu wechseln; sie hören auf, Geist zu sein.

Friedrich Nietzsche, 1844 – 1900

Diese Schlange hatte also Häutungsglück und hinterließ die zu kleine Hauthülle, die Theresa auf dem Jakobsweg entdeckt hat.

Tag des älteren Menschen

Am 1. Oktober ist der Tag des älteren Menschen. Es ist seltsam genug, dass wir einen solchen Tag offenbar brauchen. Ältere Menschen sind in diesem Jahr in den Anfangswochen der Pandemie ein wenig mehr in den Fokus gerückt. Inzwischen sind viele wieder aus dem Bewusstsein verschwunden, hinter Heimmauern aufgeräumt und von unterbezahltem Personal versorgt, andere werden im Familienkreis gepflegt, weil ihre Familienmitglieder ihre eigene Arbeit zurückstecken, um diesen Dienst zu tun.

An wenigen Themen entzündet sich die soziale Entwicklung der Menschen mehr als am Umgang mit sehr jungen, alten, kranken und behinderten Menschen. Wir haben die frühe Kindheit ebenso wie Krankheit, Behinderung und das Alter aus dem Familiensystem outgesourct. Früher war klar, dass die jüngere Generation die ältere versorgt, die ihrerseits Gemüse geschnippelt und Enkel in den Schlaf gesungen hat, solange das möglich war. Heute leben wir separiert. Alle fein getrennt. Es fehlt den Kindern das Vorbild des Alters, das wichtige Lernen von alten Menschen und damit oft der Respekt vor dem Alter, der Erfahrung und Weisheit und der Anschauung körperlichen und geistigen Abbaus, der zum Leben dazugehört. Den älteren Menschen fehlt der Anschluss, das noch gebraucht werden nach Jahren des Berufs, das Angebundensein und das Loslassen können nach Jahrzehnten Fürsorge, um selbst versorgt zu werden.

Man kann lange diskutieren, ob Großfamilien vorteilhaft sind. Alternativen wie Wohngemeinschaften, die großfamilienähnlich strukturiert sind, gibt es, freiwillige Zusammenschlüsse mit der Möglichkeit, sich emotional wesentlich schmerzärmer zu trennen, wenn es nicht mehr passt. Man kann auch darüber diskutieren, ob Geld, das in Urlaub angelegt wird oder für den Drittfernseher eine bessere Investition ist als das, was man nicht verdient, weil man die Mutter pflegt, die Welt ist nicht mehr die von 1800. Menschen verwirklichen sich heute selbst und das ist in Ordnung so.

Wenn Mütter vielleicht sehr viel Zeit in die Erziehung und Bildung der Kinder gesteckt haben, was die Generation der jetzt zwischen 50 und 65 Jahre alten Frauen getan hat, und sie nur ein kleines Zeitfenster haben, um ihre eigene Rente aufzubessern, erleben sie oft, dass die Kinder kaum aus dem Haus sind und die Eltern Pflegefälle werden. Es gibt also wenig Raum zur Selbstverwirklichung, geschweige denn zur eigenen Altersvorsorge, diese Lücke werden wir in wenigen Jahren vermutlich schmerzlichst spüren Dass das die Jugend anders möchte, kann ich gut nachvollziehen.

Die jüngere Generation löst das anders, da ist klar: wir werden nicht pflegen. Die Kinder gehen in die Kita, wir gehen arbeiten und Eltern werden versorgt, das lässt sich alles irgendwie organisieren.

All diese Fragen sind nicht lösbare Konflikte. Es sind ethisch-moralische Fragestellungen und hängen mit dem zusammen, was und wie die Welt gerade funktioniert. Eine heutige Frau mit Abitur, Studium und Karriere mit 30 Jahren wird ihren Weg nicht massiv verändern wollen oder können, nur weil im Familiensystem Hilfe benötigt wird. Sie lebt mit der Mehrfachbelastung anders als die Generationen davor. Sie wurde freier erzogen, ihr Ding zu machen. Die Senioren um die 80 hingegen sind aufgewachsen mit dem Vorkriegsmodell: Pflegen bis zum Tod daheim, ja kein Heim!

Es sind unlösbare Fragen, die jede Familie nur für sich selbst lösen und entscheiden kann. Viel, sehr viel Leid entsteht durch enttäuschte und eventuell nicht gerechtfertigte Erwartungen der Älteren und durch Forderungen an die Jüngeren. Viele Jüngere setzen sich für Oma und Opa ein und gestalten Arbeitszeiten flexibler, aber auch sie können nicht 24 Stunden auf den dementen Opa aufpassen, der aufgrund der Erkrankung nachts um drei draußen herumirrt, weil er es für Mittag hält.

Der Tag der älteren Menschen möge dazu dienen, dass wir die Einsamkeit der Menschen respektieren. Ihren Wunsch nach Teilhabe am normalen Alltagsleben, das es heute aber leider nicht mehr gibt, tagsüber ist kaum mehr irgendwo jemand zuhause. Er möge dazu dienen, dass wir das Alter wieder wertschätzen, die Erfahrung, oft Weisheit, die Gelassenheit der älteren Menschen. Wir brauchen sie, um zu lernen, wie man würdig altert, wie man Wissen und Weisheit erwirbt. Wir brauchen alle Menschen. Unterstützen wir lieber die Modelle, die Familien finden können, um das für sie Beste für die ganz Jungen und die Älteren umzusetzen, anstatt hier auszugrenzen und zu werten.

Alter ist oft beschwerlich, manchmal wunderbar. Es ist ein Prozess, vor dem wir alle stehen wollen und es dann doch nicht so haben wollen, wenn es soweit ist. Machen wir uns bewusst: Gesellschaft umfasst alle. Nicht nur die Arbeitenden, sondern auch die, die erst hineinwachsen werden und die, die ihren Anteil geleistet haben und nun berechtigt ausruhen dürfen. Seien wir achtsam, aufmerksam, hören wir hin und grenzen wir nicht aus. Unterstützen wir alle, die innerhalb von Familiensystemen pflegen möchten und ermöglichen wir so menschliches Handeln. Unterstützen wir alle, die in der Pflege sind, mit angemessenem Gehalt und investieren in Freude, Unterhaltung und bestmögliche Pflege für die Generation, die uns den Weg geebnet hat.

Allen einen respektvollen Tag voller Liebe für unsere älteren Menschen, die wir alle mal werden wollen.

Danke an Steffen für das herrliche Landschaftsfoto aus China.

Perfekte Möglichkeiten

Natur fühlen – für manchen klingt das nicht erfreulich, denn wenn es kälter, nasser und nebliger wird, melden sich auch gern morsche Knochen. Die großen Wetterverschiebungen im Jahr machen sich bei empfindlichen Menschen bemerkbar, der Blutdruck schwankt und so mancher friert im Inneren.

Es kommt die Zeit der Teetassen, Wolldecken und Socken, auch wenn der Oktober durchaus golden und damit sehr warm werden kann. Leugnen lässt sich der Herbst nun nicht mehr, was wir am Farbspiel in der Natur gut sehen können. Vieles reift, gedeiht und wächst noch wie die Quitten, die jetzt fein zulegen dürfen.

Tage derzeit, die mich überraschen von dem, was die Menschen bewegt. Ich habe zur Zeit viele Aufstellungen in Einzelsitzungen, bei denen Menschen Themen angehen, die seit Jahren vor sich hinschwelen, nie greifbar waren und nun durch die Pandemiezeit hochdrängen und gelöst werden möchten. Das sind so wunderbare Momente, wenn klar wird, wie mancher Zusammenhang ist, wo was wie gelöst und damit auch wieder ganz werden darf. Sternstunden.

Solche Momente gibt es mit Paaren, denn die Zeit war für Paare kein Sonntagsspaziergang, bei aller Liebe nicht. Es geht um Kommunikation, Vertrauen, ein zueinander hinwachsen und die Möglichkeit, innerhalb von Beziehungen eigenständig bleiben zu dürfen und sich zu entwickeln. Das wird oft als Bedrohung empfunden, doch gehört Entwicklung zum Leben dazu und manchmal prescht halt der eine vor und der andere bleibt gefühlt zurück, doch jeder zu seiner Zeit. Es findet sich. Beziehungen haben oft ja was von Hase und Igel. Während der Hase sich hetzt, hat der Igel gute Ideen und chillt vor sich hin. Temperamente reiben sich an Temperamenten, ein Choleriker und ein Phlegmatiker sind einfach unterschiedlich, zusammen sind sie  ein Team mit einer super Spannweite – wenn man gelernt hat, den anderen mit seinen Eigenheiten anzunehmen und nicht zu versuchen, ihn oder sie auf die eigene Seite zu ziehen. Ein tiefsinniger und langsam voranschreitender Mensch wird kein Springinsfeld. Höchstens kurzfristig und ungern. Lassen wir also manche springen und andere schleichen, die Vielfalt macht die Welt erst bunt.

Wir freuen uns am Montag auf die GlücksWERKstatt, die erste seit dem 17. Februar. Wer mit dabei sein will, kann sich gern anmelden.

Mit Dankbarkeit gehe ich in diese Tage hinein, denn die Menschen, die herkommen und ihre Themen angehen, sind für mich die stillen Helden des Alltags. Sie suchen Wege, um ihr Leben zu gestalten, in den Griff zu bekommen, die Vergangenheit nicht die Zukunft bestimmen zu lassen. Stück für Stück arbeiten sie sich durch und wagen so manchen mutigen Satz hinein in ein neues Leben. Krisenzeiten im Außen sind perfekte Möglichkeiten, sich zu trennen von allem, was einfach nicht mehr ins Leben passt und sich mutig auf neue Wege zu begeben. Rein ins Abenteuer. Die Welt braucht kreative Lösungen und begeisterte Menschen, gerade in solchen Zeiten! Nutzen wir die ermutigende Zeit rund um Michaeli dazu gut aus.

Allen einen freundlichen und fröhlichen Jupitertag!

Danke an Sigrid für das feine Radfoto. Es freut mich, wenn Menschen mit der Kamera unterwegs sind und ein Auge für die kleinen zauberhaften Details am Wegrand haben. Und wir freuen uns alle mit.

Den Drachen bezwingen

Der Michaelitag liegt hinter uns. Michael verbinden wir oft mit dem Bild des Kämpfers gegen den Drachen und mit dem Bild des Seelenwägers, der nach dem Tod des Menschen die guten und schlechten Taten aufwiegt. Diese Idee findet sich schon in einem ägyptischen Totenbuch (Papyrus des Hunefer), das die Prüfungen der Seele nach dem Tod beschreibt.

Warum ein Drachenbezwingerfest zum Beginn des Herbstes? Das ist einfach. Wir gehen nun mit großen Schritten in die sogenannte keltische Nacht, die dunkle Jahreszeit. Ab der Nacht zum 1. November sind die Schleier zwischen den Welten offen und damit wir gut mit den Herausforderungen von Kälte, Dunkelheit und Nähe der Welten zurechtkommen, ist es hilfreich, die inneren Dämonen, die im Bild des Drachens zusammengefasst sind, im Griff zu haben. Selten wird der Drache in den Michaeldarstellungen getötet, er wird gezähmt, manchmal hält ihn sogar eine Jungfrau lose an einem Seil.

Ein ähnliches Bild vermittelt das Labyrinth, in dessen Mitte sich der Minotaurus verbirgt, die maximale Konfrontation des Menschen mit seinen abgelehnten, verleugneten und ungemochten Seiten. Es beginnt nun die Vorbereitungszeit auf das Durchstehen der Dunkelheit und Kälte bis Lichtmess Anfang Februar, unterbrochen von der Geburt des göttlichen Lichts, des Mabonknaben, dem die Kirche später die Geburt Christi übermalt hat, um den „neuen Glauben“ besser annehmbar zu machen.

Unsere Schattenanteile steuern unser Handeln häufiger als uns lieb ist. Es ist hilfreich, sich seine Schatten anzuschauen, Licht in die dunklen Seelenecken zu bringen, damit sich dort nichts einnisten kann, was nicht hineingehört. Da verstecken sich so manche Dinge wie Neid, Missgunst, kleine Bösartigkeiten, die jede für sich klein scheinen mögen und doch wie ein Schneeball zur Lawine werden können. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen ist diese Vorbereitungszeit bis zum 1. November gedacht.

Früher gab es um Michaeli herum das Geld für die Jahresarbeit und viele Messen, die heute noch mancherorts Michaelimesse heißen. Dort konnte das verdiente Geld gleich ausgegeben werden, oft für Stoffe, um über den Winter neue Kleidung fürs neue Jahr zu nähen und alles auszubessern, damit man in der arbeitsreichen Zeit ab dem Frühjahr alles beisammen hatte.

Mir gefällt der Gedanke, jetzt aufzuräumen im Inneren, um mich bewusst der Dunkelheit zu stellen, den Fragen, die nie im Sommer, aber jetzt auftauchen, der geistigen inneren Arbeit, um im Frühjahr nach einer Reinigung das neue Jahr unter die Füße zu nehmen und frei von Altlasten zu gestalten.

Vieles von diesem großartigen Wissen, das aus dem Ablauschen der Jahreskreisläufe entstand, ist uns heute verloren gegangen, dabei brauchen wir in Zeiten wie momentan mit der Pandemie sehr wohl diese Besinnung, den Rückzug zum Aufräumen und das neu Durchstarten mit frischer Kraft, unbelastet von Altem aus dem Schattenreich. Wer sich für das alte Wissen interessiert – am 22. Oktober wird es einen Praxisvortrag zum Thema „Das Labyrinth als Symbol des Lebenswegs“ in der Praxis geben (bitte anmelden).

Allen einen guten Start in die innere Arbeit, holt euch Begleitung, wenn es nötig ist und stellt euch innerlich ruhig den starken Erzengel an die Seite, der euch schützt und führt auf der Reise zur „dunklen Seite des Mondes“. Keine Sorge, man kehrt sehr gekräftigt und sich ruhend daraus zurück.

Der Mittwoch steht unter dem Schutz des Merkurs – er ist also in allen Ebenen und Richtungen beweglich. I like to move it!

Steffi hat den herrlichen Herbstnebel eingefangen. Danke!

… zu tragen mich in mir

Natur, dein mütterliches Sein,
Ich trage es in meinem Willenswesen;
Und meines Willens Feuermacht,
Sie stählet meines Geistes Triebe,
Dass sie gebären Selbstgefühl
Zu tragen mich in mir.

Michaelistimmung aus dem anthroposophischen Seelenkalender von Rudolf Steiner

Die kleinen Bergtrolle aus Slowenien hat Rebekka im Sommer zum Plausch getroffen. Danke dir!

Von Pessimisten und Optimisten

Emanuel Geibel hatte offenbar Probleme mit dem Herbst, doch das Lied des Zugvogels erinnerte ihn daran, dass die Gedanken frei sind. Uns geht es oft im Leben so. Etwas bedrückt uns, engt uns ein, nimmt uns die Freude und wir fühlen uns quasi von allen guten Geistern verlassen, bis uns irgendetwas daran erinnert, dass wir die Entscheidung darüber treffen, wie wir uns fühlen. Der Zugvogel hat Geibel an die Gedankenfreiheit erinnert. Wir dürfen uns auch oft daran erinnern, dass viele unserer Probleme vom Vergleichen stammen, hier wir, die vom Schicksal Benachteiligten, auf der anderen Seite die Glücklichen, die auch noch im Lotto gewinnen und denen alles gelingt.

In meiner Arbeit sehe ich in viele Herzen und Familien hinein. Ich lehne mich sicherlich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass der Spruch „Unter jedem Dach ein Ach“ stimmt. Überall erkranken Menschen, sterben liebe Familienmitglieder, treten Behinderungen auf, werden Arbeitsplätze gestrichen, Wohnungen an andere vermietet, was immer an Ungemach einem im Leben widerfahren kann. Manchem ist das Glas halb voll, dem anderen halb leer und beide haben auf ihre Art und Weise Recht. Ich finde nicht, dass Optimisten mehr Frust bekommen, weil sie oft enttäuscht werden und Pessimisten mehr Bestätigung, weil ihre Sicht oft zutrifft. Es gleicht sich aus und ist manchmal reine Zeitvergeudung, weil die Dinge sind, wie sie sind, nicht so, wie wir sie gern hätten.

Die spannende Frage ist: Warum gelingt es manchen Menschen scheinbar besser als anderen, mit schwierigen Lebenslagen klarzukommen? Die Antwort ist schlichter als man meint (wie immer): Sie wissen, dass du mal der Baum und mal der Hund bist. Wenn sie der Baum sind, ertragen sie es und wissen – es geht vorbei. Wenn sie der Hund sind, pinkeln sie ungeniert und wissen: auch das geht rum. Es ist ein Annehmen und das ist etwas ganz anderes als wenn wir mit Erwartungen in Situationen gehen. Ich erwarte dieses und jenes. Ich erwarte, dass ich immer gesund bin. Ich erwarte, dass der Partner mich immer liebt. Und was geschieht? Anderes. Das Problem ist nicht, dass sich Dinge anders entwickeln, sondern unsere enttäuschten Erwartungen. Wie das Wort schon sagt, sind Enttäuschungen vielleicht das Ende von Täuschungen. Wie oft lügen wir uns selbst in die Tasche, malen in Gedanken tiefschwarze Dinge rosarot mit Rüschen und wünschen uns, dass unsere Fata Morgana niemals weggehen möge und doch müssen wir eines Tages schmerzlich erkennen: das war leider nix.

Menschen, die gelernt haben, die Welt zu nehmen wie sie ist, den anderen zu akzeptieren, wie er ist und Teile an ihm gut finden können und andere eben nicht, kommen einfacher klar. Sie haben mehr Gelassenheit, weil sie ihre Erwartungen los-ge-lassen haben, sie sind viel näher an der Realität, weil sie auf irgendwelche Brillen verzichten, sondern klar und ruhig hinschauen.

Ob wir es wollen oder nicht: der Herbst kommt, der Winter naht. Und sie gehen vorüber und dann kommen Frühling und Sommer auch wieder. Kein Grund zur Panik also. Geld ist auch nicht weg, es ist halt leider oft woanders. Aber wir, wir sollten immer an genau einem Ort sein: in diesem Körper, den wir haben und zwar hier und jetzt. Nicht mehr, nicht weniger. Frohes Üben. Schönen Marstag!

 

Zur Zeit stellen wir viele Themen in Einzelarbeit mit Kissen oder Figuren, dem Familienbrett etc. auf, denn viele Menschen nutzen diese Tage, um einen Berg an Fragen zu klären, die das Jahr aufgedeckt hat. Ein Vorteil von Corona: nix passt mehr unter die Teppiche. Alles ist nach oben gekehrt und möchte gern weggeschaufelt werden. Beste Chancen, das zu tun! Respekt allen, die derzeit so super Klarheit in ihrem Leben schaffen. Willkommen!

Zugvogellied

Ich sah den Wald sich färben,

Die Luft war grau und stumm;

Mir war betrübt zum Sterben,

Und wusst’ es kaum, warum.

Durchs Feld vom Herbstgestäude

Hertrieb das dürre Laub;

Da dacht’ ich: Deine Freude

Ward so des Windes Raub.

Dein Lenz, der blütenvolle,

Dein reicher Sommer schwand;

An die gefrorne Scholle

Bist du nun festgebannt.

Da plötzlich floss ein klares

Getön in Lüften hoch:

Ein Wandervogel war es,

Der nach dem Süden zog.

Ach, wie der Schlag der Schwingen,

Das Lied ins Ohr mir kam,

Fühlt ich’s wie Trost mir dringen

Zum Herzen wundersam.

Es mahnt’ aus heller Kehle

Mich ja der flücht’ge Gast:

Vergiss, o Menschenseele,

Nicht, dass du Flügel hast!

Emanuel Geibel, 1815–1884

Die farbstarke Kombination hat Stephanie fotografiert, vielen Dank!