Bist du am oder im Leben?

Als ich Steffis Wolkenfoto sah mit der Scherenschnitt-Baumreihe im Vordergrund, erinnerte ich mich an viele Scherenschnitte, dich ich als Kind in einer Rothenburger Galerie bestaunte. Feinste Details waren dort zu sehen und ich fragte mich, wie man das bewerkstelligen kann. Scherenschnitte begeistern mich noch immer wegen ihrer oft so filigranen Technik und Zartheit. Eine Reihe Balletttänzer als Scherenschnitte stehen mir noch vor Augen ebenso wie zahlreiche Blumenbilder – allesamt Meisterwerke und ein wunderbarer Versuch, die Natur nachzubilden. Scherenschnitte sind spannend, weil sie häufig aus schwarzem Papier waren und daher stets einen starken Kontrast darstellten.

Das fiel mir alles wieder ein, als mir gestern ein Klient in der Praxis sagte, er fühle sich wie aus- und abgeschnitten vor einer Folie, die sein Leben sei und er habe nicht das Gefühl, er wäre IN seinem Leben, sondern gefühlt wie ein Schauspieler auf einer Bühne, im Hintergrund der Film seines Lebens und im Vordergrund er als eine Art Pappfigur, die das Schicksal hin und her schiebt, ohne dass er selbst noch großen Einfluss auf die Aktionen habe.

Das ist spannend, denn das höre ich in diesen Tagen – mit jeweils typischen Bildern – in vergleichbarer Weise. Die Welt erblüht, die Sonne scheint, die Menschen backen Hasen, schieben ihre Mülltonne vor die Tür, putzen Fenster und bringen ihre Gärten auf Hochglanz UND schildern, dass das irgendwie automatisch sei, nicht mehr „echt“.

Angesprochen hier sind wesentliche Begriffe, die wir aus der Salutogenese kennen – Machbarkeit, Sinn, Kohärenz und Verstehbarkeit, wie es Aron Antonovsky benannte. Wir haben im Augenblick oft zu wenig Zugriff auf Verständnis, was an mangelhafter Kommunikation auf allen Ebenen liegt. Wer Geschehnisse nicht verstehen und damit auch nicht einordnen kann, fühlt sich hilflos, das Gegenteil von Machbarkeit, was besagt, dass wir handlungsfähig sind und Ideen zur Lösung entwickeln können. Am Sinn zweifeln derzeit viele, dabei liegt er vor unseren Augen: nach wie vor ist da ein Planet zu retten und gilt es, sich selbst gut ins Leben zu stellen und es zu gestalten, das ist ausreichend Sinn, den wir auch darin finden können, unser Leben in den Dienst anderer/der Welt zu stellen und somit sinnstiftend wirken können. Kohärenz entsteht, wenn wir so etwas wie einen roten Faden in unserem Dasein entwickeln können. Wesentlich empfinde ich zudem den Aspekt der Authentizität, dann wird für mich die Sache rund.

Nehmen wir diese Gedanken einfach mit in diesen Wochenteilungstag und stellen diese Fragen:

  • Welchen Sinn finde ich in meinem Dasein?
  • Wie kann ich die Welt verstehen lernen?
  • Was ist der für mich machbare nächste Schritt auf meinem Lebensweg?
  • Finde ich meinen roten Faden, mein Ikigai, den Grund, morgens aufzustehen, immer wieder neu in meinem Leben?
  • Bin ich, wer ich bin oder stelle ich einen Scherenschnitt vor das Panorama der Welt? Weshalb? Traue ich mir künftig zu, im Leben statt am Leben zu sein und mich ins Leben mit allem hineinzuwerfen?

Allen einen bewegten und beweglichen Merkurtag.

 

Danke an Steffi für das Foto!

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