Wer bist du wirklich, wirklich?

Zwei Häuser soll man errichten, rät Katharina von Siena im 14. Jahrhundert in einem Brief einer Freundin. Ein äußeres, in dem man lebt und nicht dauernd umherziehen muss und ein inneres, geistiges. Das ist das Haus der Selbsterkenntnis, die bei Katharina letztlich der Einsicht in die Güte Gottes entsprach. Viktor Frankl war es, glaube ich zumindest, der feststellte, dass die tiefen Fragen des Menschen immer metaphysischer Natur sind. Die Frage „Wer bin ich“ und „was ist der Sinn meines Lebens“ läuft immer auf den geistigen Urgrund hinaus, aus dem wir entstammen und zu dem wir wieder hinstreben, was Novalis so beschrieb: „Wohin gehen wir? Immer nach Hause“.

Gestern Nacht habe ich mir einen wunderbaren Film über 100 Jahre anthroposophische Medizin angeschaut (https://www.kunst-des-heilens.de/ Alle Filme finden sich auf youtube, https://www.youtube.com/watch?v=Pez2Uf-sU8k). Ein Eintauchen in eine vertraute Welt, in der der Mensch als Ganzheit betrachtet wird, Grundlage auch unserer Arbeit hier in der Praxis und der Schule. Ein Heimkommen in einen vertrauten geistigen Urgrund und ein Geschenk des Wiedersehens mit Orten, an die man derzeit nicht reisen kann.

Wir legen oft viel Wert auf die Ausstattung der äußeren Heimstatt, doch die geistige, innere Heimat wird vernachlässigt. Die Welt bietet Ablenkung in Form von Fernsehen, digitales Leben, jenseits von Corona natürlich hunderttausend Dinge mehr. Ein Jahr Pandemie war ein Jahr die Chance, seine Innenwelt zu renovieren. Sich dort wohnlich einzurichten im tiefen Bewusstsein, wer man selbst ist, wo man sich hinbewegen möchte geistig-seelisch und welche Richtung wir in unserem inneren, hoffentlich würdevollen, Kompass einschlagen möchten.

Was ich im Alltag eher sehe: Der Innenraum wird gemieden, denn dort wird man mit Angst konfrontiert. Da lauert der innere Schatten, der als Bedrohung, nicht als Schatz angesehen wird. Wir wollen nicht nach innen lauschen, denn dort hören wir nicht selten eine Kakophonie an Tönen, die unseren Ohren wenig Freude bereitet. Dort hinein zu tauchen, sich dem zu stellen und in der Mitte des inneren Seelenlabyrinths dem Minotaurus ins Auge zu schauen und verwandelt hervorzukommen, wagen wir selten. Lebenskrisen, Krankheiten und tiefe Erlebnisse werfen uns immer wieder an genau diesen Punkt. Deshalb ist es so wichtig, diesen innersten Wesenskern zu kennen, zu gestalten, sich dort wohnlich einzurichten.

Wer bist du wirklich? Wer bist du jenseits, wirklich jenseits der Maske, die du der Welt zeigst und die deine Persona ist, das, wodurch du hindurchklingst (was per sonare heißt)? Was ist dein persönlichster, innerster, absolut unzerstörbarer Wesenskern, der dich immer wieder daran erinnert, wer du sein sollst? Kennst du dich schon oder läufst du vor dir noch immer davon?

Allen einen freundlichen Wochenstart mit der Sanftheit des Mondes, die dem Montag ihren Stempel aufdrückt.

 

Steffis Foto ist so schön! Wie ein Gemälde wirkt es. Danke für dieses Bild, Steffi!

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