Tür 4: Nervennahrung

Als ich 14 Jahre alt war, bekam ich zu Weihnachten mein allererstes Teeservice. Damit begann die Geschichte einer hoffentlich endlosen Liebe zu Tee. Es gibt keine Situation im Leben, die eine Tasse Tee nicht noch schöner machen würde. Mein Traum damals: Eingeschlossen werden in einer Buchhandlung. Mit einem dicken Ohrensessel. Einer Wolldecke. Und der größten, nie leer werdenden Kanne Tee. Mit Kluntjes, Keksen und Milch. Na gut, bis heute einer meiner Lieblingsfilme im Kopf.

Was mich permanent seit Jahrzehnten durch den Tag begleitet, ist die Tasse Tee. Von grün oder schwarz am Morgen bis hin zu Kräutern und Früchten. Ich nehme fast alles, es sei denn, es ist Chai. Dazu bin ich dann doch selbst zu hitzig, den überlasse ich lieber frierenden Menschen.

Wenn ich wach werden will, darf es ein fein gerührter Matcha sein. Ich trinke der Wirkung wegen Sencha. Ich freue mich, zu Sternstunden kostbaren weißen Tee zu verkosten. Aus meinen getrockneten Äpfeln bereite ich feinen Apfeltee. Der griechische Bergtee aus dem Garten ist nicht so groß wie unter der Mittelmeersonne und doch stärkend. Zitronenmelisse fährt meine Nerven herunter, das kann auch Lavendeltee. Brauche ich sanften Anschub, ist es Zitronenverbene, was in der Tasse schwimmt. Mit Thymian kann ich gegen Husten und Viren aller Art vorgehen. Lindenblüten vertreiben Infekte und helfen beim Schwitzen. Weißdorntee stärkt mein Herz. Pfefferminze macht mich wach und den Kopf klar, ebenso wie Rosmarin. Johanniskrauttee ist Sonne für die Seele.

Ich habe schon mein ganzes Leben Teetassen geliebt. Ich habe alte Kneipptassen mit Einsatz für die Pflanzen. Japanische Tassen, Grünteeschalen für xfachen Aufguss.

Am liebsten mag ich Tee in einer Halblitertasse. Möglichst vergessen, also kalt. Ich entdecke die lange vorher griffbereit gestellte Tasse und der Vorhang zum Paradies geht auf! Lebenselixier Tee. Der Moment, um bei mir anzukommen. Ich denke an die zauberschönen japanischen Tassen, die zerbrochen waren und mit Hilfe von Kintsugi, einer Goldverbindung, wieder hergestellt und geehrt werden. So wird aus Teetrinken Wabi Sabi. Vielleicht, und das denke ich mir so oft, ist das gesamte Leben eine Auffächerung von Aspekten des Wabi Sabi.

Nutzen wir die Heilkraft in den Pflanzen, die oft genug unbeachtet bei uns vor der Haustür wachsen. Wie oft bewährt sich die Weisheit, dass wir das am nötigsten haben, was direkt vor unserem Fenster wächst.

Wer Tee trinkt, taucht ein in die Weisheit der Welt, in die Stille und die absolute Präsenz. Dazu noch „Enigma Machine“ von Kevin Graham und ich bin jenseits aller Welten für 3:15. Das ist an manchen Tagen ein Göttergeschenk.

Allen einen liebevollen Tag.

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