Silvester-Nachdenk-Input

Der Jahreskreis schließt sich langsam. Von allen Seiten werde ich freundlich aufgefordert, inne zu halten und zu überlegen, was ich denn ins neue Jahr mitnehmen will und was nicht. Seufz. Wenn ich nur einmal im Jahr innehielte, um meinen Kurs zu überprüfen, käme mir das sehr seltsam vor. Das mache ich regelmäßig. Für die kleinen Rhythmen meines Lebens jeden Tag und für die größeren Projekte und Themen dann, wenn ich Abstand zum Alltag habe, ganz bewusst und auch das regelmäßig. Ich brauche dazu keine guten Vorsätze einer Silvesternacht. Für mich ist das kein eminent wichtiger „Übergang“, sondern die Nacht zum Mittwoch in diesem Fall. Meine Standortbestimmung binde ich nicht an einen Silvestertag, sondern an ein regelmäßiges Beschäftigen mit dieser Frage.

Manche Dinge, die man vielleicht nicht braucht, kann man nicht abstellen, weil sie einfach sind, wie sie sind. Wir können Blinde nicht sehend, Lahme nicht gehend machen, nur weil Silvester ist und wir uns das wünschen. Die gegebenen Realitäten, die ich nicht verändern kann (weder mit Anstrengung noch mit Ignoranz oder gar Leugnen der Tatsachen) sind auch im neuen Jahr noch so. Schwerkraft bleibt Schwerkraft und die Umstände, zwischen denen ich das Koordinatennetz meines Lebens einspanne, sind am 1. 1. leider auch keine anderen, was immer ich mir dazu auch wünschen würde. Ich habe allerdings zu jeder Sekunde (auch dazu brauche ich kein Silvester) die Möglichkeit, Dinge nicht mehr zu tun, wenn ich denke, dass etwas beendet sein sollte, oder Dinge zu tun, die mir eine andere Sicht oder was immer machbar ist, ermöglichen. Ich kann immer etwas tun, verändern kann ich ausschließlich mich, nichts und auch niemanden im Außen.

Ich komme gut klar mit regelmäßigem Kursprüfen, mit täglichem kurzen Nachdenken über die Frage „passt der Weg oder was geht ganz und gar in eine falsche Richtung und was ist also heute zu tun?“. Dann kann ich kurzfristig eingreifen, wenn ich bemerke, dass etwas ungut ist und muss nicht warten, bis ich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet habe. Das erfordert ein wenig Disziplin, wenn es täglich geschehen soll, es ist eine Gewohnheit, die ich mir aneignen kann. Es gibt einen schönen Spruch: „Der Mensch bringt täglich seine Haare in Ordnung, warum nicht auch sein Herz?“ Rudolf Steiner beschreibt es so: „Von Zeit zu Zeit Blicke in sein Inneres tun, wenn auch nur fünf Minuten täglich zur selben Zeit. Dabei soll man sich in sich selbst versenken, sorgsam mit sich zu Rate gehen, seine Lebensgrundsätze prüfen und bilden, seine Kenntnisse – oder auch das Gegenteil – in Gedanken durchlaufen, seine Pflichten erwägen, über den Inhalt und den wahren Zweck des Lebens nachdenken, über seine eigenen Fehler und Unvollkommenheiten ein ernstliches Missfallen haben, mit einem Wort: das Wesentliche, das Bleibende herauszufinden trachten und sich entsprechende Ziele, zum Beispiel zu erwerbende Tugenden, ernsthaft vornehmen. (Nicht in den Fehler verfallen und denken, man hätte irgendetwas gut gemacht, sondern immer weiter streben, den höchsten Vorbildern nach.). Man nennt diese Übung auch „die richtige Beschaulichkeit“. Fünf Minuten können einem eine Menge Probleme ersparten. Und machen weniger Arbeit, als wenn ich an Silvester vor leeren Papierbögen sitze und aufschreiben soll, was ich „mitnehmen will“ – ich nehme nichts mit. Wir kommen mit leeren Händen und nackt und gehen auch so. Vielleicht schadet es nichts, das an Silvester auf dem Schirm und die Reife zu haben, auf überflüssige Böllerei und Geschwatze zu verzichten und sich Gedanken zu machen, was wirklich wesentlich im Leben ist. Das knallt und zwar nachhaltig. Allen einen feinen Silvestertag, ein schönes miteinander feiern und verzichten auf Alkohol, Böller, überflüssige Versprechen und Wunschzettel, Vorsätze und diverses andere mehr. Wunderkerzen her!

Das Foto hat Theresa vom Tafelberg in Kapstadt aus gemacht. Danke dir!

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