Riechen und Schmecken

Geruchs- und Geschmackssinn sind eng verwandt, denn die Nase und der Mund sind in der Embryonalentwicklung verbunden, sie wachsen von zwei Seiten aufeinander zu. Verläuft diese Entwicklung nicht gut, kommt es zu Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten. Beide Sinne arbeiten auch eng zusammen.

Unser Geschmackssinn leidet unter der „Einheitlichkeit“, unter Geschmacklosigkeiten aller Arten, unter einer unästhetischen Umgebung, unter Taktlosigkeit, er wird angeregt durch den Eigengeschmack von Lebensmitteln, durch „Geschmackvolles“, durch eine ästhetische Gestaltung unserer Umgebung und durch viele verschiedene Erfahrungen, die uns Mund und Nase ermöglichen.

Während die Nase nicht verschließbar ist (Seehunde können das), ist der Mund ein geschlossener Raum, und wenn wir etwas probieren, müssen wir ihn „öffnen“. Geruch dringt herein, aber Geschmack braucht eine geöffnete Türe.

Im Geschmackserlebnis geht es immer um einen Austausch mit dem „Stoff“. Riechen wir an einer Blume, werden wir förmlich zu dieser Blume. Beim Geschmack ist es eher eine Geste des Austauschs. Durch das Kauen und Einspeicheln beginnt im Menschen der Verdauungsprozess und leitet somit die intensive Auseinandersetzung mit unserer Umwelt direkt in unserem Körper ein. Waren wir schwer krank und konnten nichts essen, bringt uns der Geschmack einer guten Suppe wieder auf die „gesunde Seite“. Im Grunde lehrt uns der Geschmackssinn die Unterscheidung zwischen „gesund“ und „ungesund“.

Salzig ist der konkreteste Geschmack, sauer, süß und bitter sind allgemeiner. Die Süße einer Karotte ist sehr verschieden zu der von Stevia oder einer Himbeere. Unsere Zunge schmeckt im vorderen Bereich sauer, süß und salzig, Bitteres im hinteren Bereich. In der Zungenmitte ist ein kreisförmiger relativ unempfindlicher Bereich.

Salziges vertragen wir nur in geringen Mengen. Beim Sauren zieht sich uns oft alles zusammen. Die „Süße des Lebens“ ist uns sehr wichtig. Ohne Salz aber wäre das Leben nicht möglich. Das Süße hängt mit unserem mittleren Seelenbereich zusammen: der Behaglichkeit, dem, was uns nicht wirklich bewusst ist. Das Saure erfrischt und Salz weckt vollkommen auf. Wie bedeutend für uns Menschen das Salz ist, wird uns klar, wenn wir hören, dass die römischen Legionäre nur dann in den Kampf zogen, wenn sie zum Sold noch ein Paket Salz bekamen.

Am Geschmack wird die Qualität geboren, ja unsere Kultur. Unsere Lebensprüfungen und –erfahrungen drücken wir auch oft im Geschmacksbild aus: Eine bittere Erfahrung, ein süßes Kind. Ein letzter Gedanke, der zwar etwas weit führt, aber dennoch Beachtung verdient: Bei Tisch begegnen sich nach Soesman drei Kulturen: „Für den Körper ist es die Kultur der Nahrungszubereitung. Sie kommt aus der Vergangenheit. Für die Seele die Kultur der Wohnungseinrichtung, unser Zimmer, das Tischtuch, der Tischschmuck sowie auch unsere Kleidung, unser Verhalten. Wir sind im Jetzt. Für den Geist es die Kultur unseres Gesprächs und das bedeutet: Vor allem Geselligkeit, Lebenserfahrungen austauschen, Pläne schmieden, befruchtend, impulsierend für die Zukunft.“ (Alfred Soesmann, Die 12 Sinne. Tore zur Seele).

 

Genuss und Geschmack – Ursulas selbstgemachtes Eis mit Früchten. Danke dir für dein Foto!

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