Monthly Archives: März 2021

So kalt ist die Flur

März

Und aus der Erde schauet nur
Alleine noch Schneeglöckchen,

So kalt, so kalt ist noch die Flur,
Es friert im weißen Röckchen.

Theodor Storm, 1817–1888

Oy-Mittelberg im Oktober 2020

Kommunikationswunder

Am letzten Wochenende ging es in einem Kurs um die spannende Frage, was denn der Mensch ist und was wir meinen, wenn wir Körper, Seele und Geist sagen. Ich fasse es mal griffig zusammen: Ein Kaleidoskop an Erklärungen, Glaubenssystemen, Überzeugungen und Vermutungen ergab sich rasch. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, schreibt Platon Sokrates zu und das trifft es gut. Wir wissen ziemlich wenig von ziemlich viel. Und genau das macht oft auch Probleme, denn wir tauschen uns über das Wenige, was wir wissen, dann leider auch nicht aus, so dass der eine unter Freundschaft was ganz anderes versteht als ein anderer und schon ist sie aufgekündigt.

Klare Begriffe – das scheint uns schwer zu fallen. Bei Zahlen ist es leichter, da sind 12 immer 12. Bei einem Dutzend ist der Spielraum schon größer, weil der Begriff nicht mehr so geläufig ist (es sind 12), aber wieviel ein Schock sind, muss man heute schon fast googlen (60), Mandel ist für uns ein Rosengewächs (das wären 15) und ein Pfund Mehl ist auch ein böhmisches Dorf für die meisten heute.

Auch unsere Sprache ist ein aussterbendes Wesen. Wir pflegen eine Menge Worte nicht mehr und das bedeutet zunehmend Armut. Wenn ich einen Text von Adalbert Stifter vorlese, fällt mir immer wieder auf, wie schlicht wir uns mittlerweile austauschen. Wer kennt noch Purzelbaum, Botschamber, Kabale, Sommervögelein, saumselig, Mumpitz oder macht sich Gedanken, woher manche Begriffe stammen? Ich habe Jahre gebraucht, bis ich das „dutzwitt“ meiner Mutter verstand. Damit meinte sie, ich soll schneller machen und im Französischunterricht kam mir dann „tout de suite“ unter, was „sofort“ bedeutet. Und aus dem Bottschamber wurde ein „pot de chambre“. Klar, wenn man an der Grenze zu Frankreich aufwächst, rutschen in die Sprache viele Ausdrücke der Nachbarn mit hinein.

Herzliche Einladung, an diesem Tag der Venus mal nachzudenken, ob wir, wenn wir kommunizieren, wirklich über die gleichen Dinge sprechen oder ganz andere Vorstellungen von etwas haben, also permanent erfolgreich aneinander vorbeireden? Und uns mal überlegen, was unsere liebsten alten Worte sind wie Kandelaber und Konsorten? Was ist dein Lieblingswort? Warum?

 

Dieter hat diese beiden uralten Baumherrschaften bei einer kleinen privaten Auseinandersetzung entdeckt J Danke für das Foto! So viel zum Wunder der Kommunikation.

Mit dem Wind treiben

Ihr seid nicht in euren Körper eingeschlossen, noch an die Felder oder Häuser gebunden. Das, was ihr seid, wohnt über dem Berg und treibt mit dem Wind.

Khalil Gibran, 1883 – 1931

Maike hat dieses wunderschöne Foto gemacht. Herzlichen Dank dafür!

Frühjahrsputz, innerlicher

Der Frühling inspirierte zu allen Zeiten Dichter und Denker. Vor allem in der Zeit der Romantik war das blaue Band, das durch die Lüfte flattert, ein wichtiges Symbol. Welches Symbol verbindest du mit Frühling?

Meine Nachbarin hat ihre Dekohasen aufgestellt. Eine Klientin berichtete mir, dass sie alles in diesem Jahr mit Primelchen vollgestellt hat und die Osterdeko schon steht, weil in ihr in diesem Jahr so eine Sehnsucht nach Frühling lebt. Offenbar regt der Frühling viele auch zum Fensterputzen und Vorhänge waschen an. Ich habe die Fenster wenigstens mal nach Saharastaub und Winterregen das erste Mal wieder geputzt, der Rest muss warten.

Was ich viel wesentlicher finde, ist der innere Frühjahrsputz. Für viele ist gerade Halbzeit im Fasten. Brennnesseltee und Birkenelixier sorgen für eine gute Durchspülungstherapie. Manche fasten Medien, andere Meckern, die Erfahrung zeigt – less is more. Alles, was wir bewusst loslassen, übt uns für das letzte große Loslassen im Leben.

In diesen Tagen gab es in der Praxis viele Gespräche über den Tod. Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, ist eine hohe Kunst. Mit dem Einschlafen üben wir es jeden Tag, auch mit dem bewussten Loslassen von Dingen, die wir für wichtig gehalten haben, die es vielleicht aber gar nicht sind, wie wir dann oft überrascht feststellen. Der Mensch braucht wesentlich weniger, als uns die Welt da draußen klarmachen will. Weniger Konsum in jedem Fall.

Was wir brauchen, sind Werte und ein neuer Blick auf das Thema Ethik sowie die Gelassenheit, uns in all dem zu üben (und kläglich zu scheitern). Aus Freundlichkeit zu uns selbst entsteht ein gewisser Seelenfrieden, der nach außen wirkt und so auch das Umfeld befriedet. Wenn ich aufhöre, meine inneren Themen in die Außenwelt zu projizieren, werde ich frei und das Umfeld ebenfalls. Raum entsteht. In diesem Raum kann vieles neu wachsen und gedeihen wie Liebe, Achtsamkeit und Freundschaft. Zu uns selbst und zu anderen!

Feiern wir also mit Freundlichkeit diesen Jupitertag, den ersten im März. Lassen wir uns überraschen, wie sich der Monat entwickeln mag. Richten wir das Augenmerk mal vom Problem weg zu Lösungsmöglichkeiten, das entspannt.

 

Die erste Primel kämpft sich durch im Garten.

Geht über’s Land ein wunderbares Wehen

Frau Venus

Was weckst du, Frühling, mich von neuem wieder?
Dass all‘ die alten Wünsche auferstehen,
Geht über’s Land ein wunderbares Wehen;
Dass schauert mir so lieblich durch die Glieder.

Die schöne Mutter grüßen tausend Lieder,
Die, wieder jung, im Brautkranz süß zu sehen.
Der Wald will sprechen, rauschend Ströme gehen,
Najaden tauchen singend auf und nieder.

Die Rose seh‘ ich geh’n aus grüner Klause
Und, wie so buhlerisch die Lüfte fächeln,
Errötend in die laue Flut sich dehnen.
So mich auch ruft ihr aus dem stillen Hause –
Und schmerzlich nun muss ich im Frühling lächeln,
Versinkend zwischen Duft und Klang vor Sehnen.

Joseph von Eichendorff 1788 – 1857

Im Garten der Klinik Arlesheim blüht es vermutlich in einigen Wochen auch wieder so zauberhaft wie vor einigen Jahren.

Deine stabile Mitte finden

Morgens Winter, mittags Frühling. Die Kleiderwahl in diesen Tagen besteht aus Schichtenlook. Wie oft bräuchten wir einen seelischen Schichtenlook, denn manche Tage zeigen einen erstaunlichen Ritt durch diverse Gefühlslagen. Genau das wird uns seit einem guten Jahr zum Verhängnis – wir sind es nicht mehr gewohnt, mit Unerwartetem im Leben umzugehen.

Der Steinzeitmensch muss große Sorgen gehabt haben. Er war durch Tiere bedroht, die mit ihm um die karge Nahrung im Wettstreit standen. Er hatte kein Haus mit Klo und Warmwasser, sondern musste schauen, wo er einen Unterschlupf findet, der noch nicht bewohnt war. Ackerbau und Viehzucht sind die Grundlage der Kultur. Erst damit begann die Sesshaftigkeit, bis dahin folgte der Mensch der Nahrung. Ein Gewitter war angstauslösend, weil man nicht wusste, warum die Götter erzürnt sind, wenn sie grollten und wütend Blitze schickten, aber auch Feuer damit auf die Erde kam.

Heute sind wir so gestresst wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Unser Gehirn hat im Bereich der Stressverarbeitung nach wie vor das Steinzeitgehirn: Fight or flight heißt die Devise, die Ausschüttung der Stresshormone erfolgt auch bei Telefonanrufen, Gemecker vom Chef oder der derzeitigen Mehrfachbelastung, wie sie nach wie vor in den Familien herrscht. Wir sind also dauerhaft im Betazustand unserer Gehirnwellen, auf Neurotransmitterdroge und Adrenalinjunkies geworden. Wenn man ohne Familie weniger Aufregung hat, weil alles seit einem Jahr ausgebremst ist, braucht es Ersatz durch Actiongames und anderes.

Wie immer geht es um eine Mitte, um wirklich gesund zu bleiben, zu werden oder zu sein. Ein guter Wechsel aus Bewegung, Anspannung, Entspannung. Ab und an die Metaebene, um die eigene Lebenssituation mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wie oft wäre es hilfreich, wie die beiden alten Herren aus der Muppetsshow in ihrer Loge das eigene Leben mit Abstand zu betrachten und dann zu entscheiden, ob man auf etwas reagiert und wenn ja, wie. Das wäre hilfreicher, als sofort das gesamte Stressprogramm ablaufen zu lassen. Da wir Stress nur durch Bewegung abbauen, die aber nicht haben, ist das ohnehin nicht die optimale Strategie mit der Daueraufregerei.

Das richtige Maß ist eine hohe Form der Lebenskunst. Wir brauchen den Wechsel zwischen An- und entspannung, Bewegung und Ruhe, Meditation und hellwache Begeisterung, alles kreist um eine stabile Mitte. So, wie die Woche um den Mittwoch kreist, die Mitte der Woche und Merkur gewidmet ist, dem Gott der Kommunikation, der zwischen den anderen Göttern mit Botschaften höchst beweglich hin und her flitzt und dem das Quecksilber zugeordnet ist. Allen einen bewegenden und beweglichen Wochenteilungstag!

 

Noch mehr Wege – beim Wandern finden sich viele mögliche Wege, so wie diesen, den Theresa auch auf dem Jakobsweg fotografiert hat.
Vielen Dank!

Wandelzeiten

Auch wenn jetzt wieder ein paar denken – hä? Ist doch erst Montag. Richtig. Damit man sich auf etwas einstellen kann und viele nicht direkt morgens lesen, sondern nachts, kommt in der Regel am Vormittag der Input für den Folgetag. Und heute noch früher, weil ich gleich im Auto sitze und zu meinen Eltern fahre. Dort stehen heute jede Menge Arzttermine an, die ich fahre, Betten müssen frisch bezogen werden und vieles mehr. Da steht mir dann der Kopf woanders und bis ich nach Hause komme, ist Praxis, da komme ich nicht zum Schreiben.

Diese Zeiten geben mir viel Gelegenheit, um über das Alter nachzudenken und wie unterschiedlich sich Alter zeigt, wenn jemand sich weitgehend gesund fühlt wie meine nach wie vor alleine lebende Schwiegermutter mit 96 Jahren (!) oder viele Krankheiten den Alltag belasten wie bei meinen 85 Jahre alten Eltern, die zudem noch meinen behinderten Bruder (51) pflegen. Wie sich das alles entwickeln wird, weiß keiner.

Da teile ich die Herausforderung mit vielen Frauen meines Alters. Die Kinder sind selbstständig und gut aufgestellt, man denkt – so, super, endlich kann ich mal ne Menge von dem umsetzen, was ich so vorhabe im Leben und schon kommt das Thema Wechseljahre-Altersbegleitung von Eltern. Es ist nochmal ne andere Hausnummer, wenn ein behinderter Mensch mit im System ist und es dann mit einem Schlag drei Pflegefälle werden.

Allein der Bürokram, der Kampf mit Krankenkassen um Windeln, Taxifahrten, Hilfsmittel und Orthesen wäre ein Fulltimejob. Menschen mit chronischem Nierenversagen brauchen dauernd Urinkontrollen. Mittlerweile transportiere ich in meiner Getränkehalterung längst keinen Kaffee mehr (würde eh nur Herzrasen erzeugen), sondern Pipidosen. Wo früher Kinderwindeln im Fond lagen, liegen heute Bügelbrett (meine Mutter bügelt bis heute auf dem Tisch mit einer Decke, ich nicht, also verstaue ich im Fiat Panda ungelogen ein Bügelbrett. Es geht!!) und Kochkisten mit dem Essen für mehrere Tage, das ich vorgekocht habe, damit sie es nur warmmachen müssen. Fensterputzen, Garten, all das werden heute Themen, die mich in den Wahnsinn treiben können, denn ich habe eine sieben Tage-Woche mit meiner Arbeit, finde saubere Fenster überschätzt und den Garten halte ich für Hausherrensache. Mit 85 hat man jedoch sehr genaue Vorstellungen, wie alles zu laufen hat und wo der Vater früher für einen vergessenen Liter Milch losgeschickt wurde, kaufe ich einmal die Woche groß ein und was vergessen ist, gibt es halt nicht. Da prallen Welten aufeinander.

Der Vorteil – ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es vielen Klienten in ähnlicher Situation geht. Leider ist das nach wie vor ein Frauenthema der Generation Frauen, die jetzt zwischen 45 und 65 Jahre alt sind. Ich sehe sehr deutlich, was die innere Haltung in Bezug auf würdevolles Alter ausmacht. Ich lerne, ich übe und trainiere Geduld und Gelassenheit im Bootcamp (alles geben die Götter ihren Lieblingen ganz).

Deshalb allen schon am Montag einen wunderbaren Marstag mit kraftvollen Energien!

 

Für viele Menschen ist das eine Sehnsuchtsbucht im Süden Frankreichs zwischen Wassersport und mondänem Flair. Annemarie hat das Foto gemacht. Danke!

Märzbeginn

März

Es ist ein Schnee gefallen,

Denn es ist noch nicht Zeit,

Dass von den Blümlein allen,

Dass von den Blümlein allen

Wir werden hoch erfreut.

Der Sonnenblick betrüget

Mit mildem, falschem Schein,

Die Schwalbe selber lüget,

Die Schwalbe selber lüget,

Warum? Sie kommt allein.

Sollt ich mich einzeln freuen,

Wenn auch der Frühling nah?

Doch kommen wir zu zweien,

Doch kommen wir zu zweien,

Gleich ist der Sommer da.

Johann Wolfgang von Goethe,1749 – 1832

Noch sind wir nicht vor Frost gefeit, das hat auch Ursula beim Fotografieren entdeckt. Danke für dein Foto!