Von Werten und Ehre

Nichts im Außen, schildert Fontane, kann uns zur Ehre gereichen. Alles, was uns ausmacht, muss in uns selbst leben. Wir suchen oft sehr lange Zeit im Außen nach Anerkennung, Ruhm, Erfolg und vielem mehr, ackern uns dafür endlos ab in der Hoffnung, dass jetzt doch mal der große Durchbruch kommen muss.

Die Frage ist, ob ein Durchbruch zum innersten Wesenskern nicht eher das Entscheidende im Leben ist. „Erkenne dich selbst“ ist seit der Antike ein vielzitierter Auftrag, doch die wenigsten nehmen ihn für sich ernst und an. Selbsterkenntnis ist wenig ruhmreich, spektakulär und mit großem Soundtrack. In den einsamen Stunden des Lebens wird uns bewusst, wo wir vom eigentlichen Weg abgebogen sind, aufgehört haben, unserer inneren Stimme zu folgen, die wir für verrückt gehalten haben. Dann treffen wir not-wendige Entscheidungen im Angesicht der Katastrophe.

Lebenskrisen oder auch Zeiten wie diese sind eine Einladung, den Weg nach innen anzutreten und zu prüfen, was uns in Wahrheit hebt und hält im Innersten. Es sind unsere Tugenden und Werte, die wir LEBEN, nicht die, die wir uns auf die Wunschliste schreiben. Die wenigsten Menschen entwickeln eine Werteliste für ihr Leben oder haben einen Ehrenkodex, dem sie folgen. Menschen, die Werte leben und ihren Kodex formuliert haben, sind selten marktschreierisch unterwegs. Sie wirken an dem Ort, an dem sie sind und senden tiefgreifend Vertrauen, Kraft und Mut in die Welt, das zieht dann durchaus seine Kreise. Die Power dazu liegt in jedem von uns. Es ist eine Entscheidung, die wir treffen und dafür müssen wir durchaus auch ein wenig Zeit und Raum opfern, also mal zurücktreten von unser Gier nach Ablenkung und Zerstreuung.

Für die meisten sind Begriffe wie Gerechtigkeit, Mut, Ehre, Vertrauen, Authentizität, tiefes Menschsein, Geduld, Respekt, Würde, Anstand und Freundlichkeit im Umgang miteinander leere Worte.

Wir werden die gelebte Variante für die Welt der Zukunft brauchen. Künftig wird es nicht mehr darum gehen, dass wir uns alle über etwas einig sind, uns alle verstehen, möglichst gut – vieles davon ist eben leider nicht wahr, ehrlich und trägt. Fakt ist, dass wir alle verschieden sind und die Meinungen weit auseinandergehen. Das dürfen sie auch! Die zu lösenden Themen der Menschheit allerdings müssen wir jenseits solcher Befindlichkeiten angehen. Dafür brauchen wir Menschen, die sich auf Werte und ehrenhaftes Verhalten einigen. Wenn sie Ja sagen, muss Verlass darauf sein, dass sie es auch meinen. Wenn sie versprechen, etwas zu tun, tun sie es auch. Sie sind verbindlich, stehen zu ihrem Wort und sind nicht wankelmütig. DAS ist der Unterschied zu der Welt, die wir gerade erleben. Komm ich heut nicht, komm ich morgen ist das Motto und ein Ja ist doch nur aus dem Moment entstanden und kann am nächsten Tag sehr wohl ein Nein sein, denn wenn das Wetter schön ist, sagt man durch kurzfristig etwas ab, um wandern zu gehen. Egal, was das für andere bedeutet, die sich auf gemeinsam verbrachte Zeit eingestellt haben. What? Ist DAS erwachsen und angemessen?

Wer Zukunft mitgestalten will, kommt an Werten nicht mehr vorbei. Vergessen wir die flauschig-idyllische „Alle müssen sich doch liebhaben und nicht streiten“-Zwangsbeglückungspseudorealität (ein Grund, warum ich meine Muttersprache liebe). Wir müssen uns nicht alle mögen. Respekt und Achtung voreinander darf man erwarten und die Bereitschaft, persönliche Animositäten zugunsten des großen Ganzen, das auf neue Wege MUSS, zurückzustellen. Jenseits dieser Ablenkungsmanöver wartet die Erde darauf, dass wir unser bedingungsloses Ja zu ihr abgeben und unsere heilige Verpflichtung, uns für ihre Genesung, ihren Erhalt und die Würdigung der von ihr ausgehenden Wunder einsetzen.

Der Weg führt erst in unser tiefstes Inneres, das Erkennen unserer Schatten und das Ausbilden unserer Werte und unseres Ehrenkodex‘, dann nach Außen, denn dort muss sich bewähren, was wir im Inneren erkannt und postuliert haben. Worte auf dem Papier sind wenig wert. Worte, die wir ins Herz schreiben, verändern alles.

Allen einen liebevollen Venustag.

 

Das Kneippmuseum in Wörishofen hat ein hübsches kleines Gärtlein versteckt.

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