Schluss mit lustig

In diesen Tagen stellt sich bei uns Menschen innerlich etwas um. Wir spüren die Vorboten der nächsten Jahreszeit. Die meisten Bundesländer schicken ihre Schulkinder morgens wieder los, bald ist es auch hier soweit. Alltag kehrt vielerorts ein. Dennoch ist 2021 anders, anders auch als 2020.

Die Menschen sind nervlich schlechter aufgestellt. Sie sind müder, zermürbter, immer weniger können die Fassaden des „Tschakka“ und „alles fit im Schritt“ dem genauen und aufmerksamen Blick eines liebevollen Gesprächspartners standhalten. „Ich habe keine Ahnung“, „ich weiß es nicht“ – solche Sätze hätten wir uns vor zwei Jahren kaum getraut. Jetzt können wir uns eingestehen, dass wir eben wirklich jede Menge nicht wissen. Manchmal ist es viel schwerer, eine schwankende Showfassade aufrecht zu halten als zu sagen: Ich bin gerade ratlos.

Den meisten Menschen macht es Angst, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir das zu keinem Moment im Leben. Wir glauben immer nur zu wissen, dass wir alle noch sooo viel Zeit haben, wenn erstmal der Urlaub, die Rente, bliblablubb am Start sind, dann starten wir sowas von durch und machen endlich das, was wir wollen. Am Ende liegen wir auf der Abschussrampe ins Jenseits und klammern uns ängstlich an den Lebensrest, weil wir bemerken, dass wir nichts von dem gemacht haben, was uns wirklich wichtig ist. Als die Kinder klein waren, waren wir mit Karriere beschäftigt, als die Enkel kamen, haben wir den dritten Beruf ergriffen und versucht, die Rente aufzustocken, im Sommer war es zu heiß für Garten, im Winter zu nass für frische Luft, Hamsterrad als Sicherheit, Augen zu und durch.

Zeiten wir diese enttarnen unsere potemkinschen Dörfer. Wir hören langsam auf, die Fototapete unserer Fantasiewelt für die Wahrheit zu halten. Die Sehnsucht nach dem Wahren, Schönen und Guten steigt. Second-hand-Leben ade, die Serienhelden sind keine Identifikationsfiguren mehr, die ein Leben leben, zu dem wir keinen Mut haben.

Ich finde, dass das eine wunderbare Chance ist. Machen wir uns ehrlich klar, wer wir sind. Was unsere Schwächen, Stärken sind. Unsere Werte. Wer uns wahrhaft am Herzen liegt. Mit welchen Menschen wir leben möchten und welche uns nur Nerven, Kraft und Lebensfreude rauben und wo vielleicht Abstand richtig wäre. Wenn wir im tiefsten Herzen ehrlich sind, entdecken wir die Stimme, die immer da war und uns gesagt hat – Mehr Schlaf. Mehr Bewegung. Trink nicht so viel, lass das Rauchen und die Süßigkeiten. Warum machst du diese Arbeit, wenn sie für dich nur ein Job ist? Reicht das für 48 Arbeitswochen im Jahr oder ist da mehr drin? DAS sind gute Fragen. Fragen sollten die gesamte Gesellschaft durchdringen – wie gehen wir mit dem maroden Schulsystem um, mit unserer Wirtschaft, dem Sozialleben? Was können weltweit neue Werte werden im Umgang mit anderen Menschen, Völkern, der Natur und dem Warenaustausch?

Entweder sind wir bereit zum großen Kassensturz und Neuanfang, der alles betrifft, oder das Schiff schwankt weiter über die Wellen des Weltmeeres und die müde desillusionierte Mannschaft schöpft mit Kaffeelöffeln das eindringende Wasser weiter aus. Es beginnt bei jedem Einzelnen, sich jetzt die richtigen zielführenden Fragen zu stellen. Richtige Fragen sind Entwicklungshelfer. Sie sind nicht bequem, sie zeigen, worum es wirklich geht. Was sind deine Fragen? Was in dir antwortet darauf?

 

Allen einen erkenntnisreichen frohen Jupitertag.

 

Bald leuchten die Herbstfarben so klar wie auf Steffis Bild. Klarheit tut vielleicht erstmal weh, ist langfristig jedoch hilfreich. Danke für dein Foto, Steffi!

Kommentar posten