Lob der Disziplin

Die Sonne scheint, die Menschen sollten stimmungstechnisch also fast von alleine besser drauf sein. Sind sie aber nicht. So langsam kommt eine Art Home-Office-Budenkoller auf. Es fehlen der Flurfunk, der Kollegentratsch, der kleine Pausenmoment vor der Kaffeemaschine oder dem Drucker und vieles mehr. Die Kinder spacen ab. Die Pubertiere verweigern in vielen Fällen gleich generell das Arbeiten, geben ihre Aufgaben entweder spät oder gar nicht ab und schließen sich regelrecht in ihren Zimmern ein, dort versinken sie inzwischen nicht mal mehr dauernd in virtuellen Welten, sondern lassen sogar teilweise das Handy links liegen. Kollektive Frühjahrsmüdigkeit, Lethargie und wenig Lust auf irgendwas ballt sich zu Ungutem zusammen.

Nachvollziehbar teilweise. Vielen fehlt der Sinn in ihrem Tun.

Nach wie vor ist da draußen eine Welt zu retten, kann man mit erstaunlich wenig Einsatz gerade gute Noten abstauben, weil Engagement und gute Leistungen positiv bemerkt werden. Wer sich jetzt gut aufstellt, hat den Sinn für sich erkannt: der kann sehr egozentrisch sein (Geld, Macht etc.), jedoch auch weltumspannend (Ökoprojekte, eigenes Potential entfalten, um weit in die Welt hineinwirken zu können etc.).

Was braucht es? Eine klare Entscheidung, etwas zu tun oder eben zu lassen und die Konsequenzen dafür verantwortlich zu tragen. Disziplin. Ein Olympiasieger trainiert jeden Tag, auch wenn er vielleicht wie alle anderen an 200 Tagen im Jahr nicht wirklich Bock hat, die Milchsäure in seinen Muskeln zu spüren. Er hat sein Ziel vor Augen, das erreicht werden möchte und ohne Fleiß geschieht wenig.

Disziplin ist kein negatives Wort. Es ist eine Lebenshaltung, die sich Jammern maximal fünf Minuten am Tag erlaubt (Wecker stellen). Ein Motivationsprogramm der Spitzenklasse, denn es nimmt einem das ewige Hirngedönse ab: soll ich noch eine halbe Stunde schlafen oder lieber meditieren? Wenn wir diese Überflüssigdiskussionen mit unserem eigenen Gehirn dadurch canceln, dass wir uns einfach entscheiden, um 5 Uhr aufzustehen und zu meditieren und das sieben Tage die Woche, haben wir begriffen, wie effizient, erfolgreich und zeitsparend das ist, wenn das Gemecker und Abwägen im Kopf entfällt, weil das Verhalten eine Mikroroutine geworden ist. Wir unterschätzen alle die Macht dieser Routinen.

Vor Jahren hieß es über Barack Obama, er habe nur schwarz, blau und grau als Anzugsfarben im Schrank und weiße Hemden, weil er ein Land zu regieren habe und deshalb keine Zeit vor dem Kleiderschrank verbringen will mit der Überflüssigfrage, was er anziehen soll. Das meine ich. Das ist kein stures Denken, sondern das Genießen der Flexibilität, die gute Routinen und eine klare disziplinierte Lebenslinie ermöglichen. Das ist keine Absage an Genuss, Freiheit, Selbstbestimmung. Disziplin ermöglicht solche Dinge oft sogar erst. Sonst sind wir Sklaven unserer Jeins und Abers und „morgen“, von „vielleichts“ und „keine Zeit“.

Wer willst du in einem Jahr sein? Was ist dein Einsatz dafür? Hast du dein Jammern schon zu Grabe getragen, weil es wenig nutzt? Sinn anvisiert? Der kann persönlich sein (ich möchte mit guter Arbeit mein Geld verdienen und eine Familie gründen, was immer) oder überpersönlich (mit meiner Arbeit/meinem Leben hinterlasse ich den Planeten in einem besseren Zustand als ich ihn vorgefunden habe). Definieren, aufschreiben, anvisieren und dann ab auf die Übungsmatte. Wer bestimmt bei dir? Du oder dein Gehirn, dessen Gedanken du glaubst?

Allen einen Donnerstag mit der weisheitsvollen freudigen Kraft des Jupiter.

 

Meine tägliche Inspiration: ein Blick auf ein Foto von Ita Wegman, deren Arbeitspensum gigantisch war und die mich antreibt, wenn ich gerade denke „och nö“. Auf dem Foto seht ihr das Holzhaus, in dem sie gelebt hat, auf dem Gelände der Klinik Arlesheim.

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