Freitags- und Wochenend-Nachdenk-Input

30 Meter hoch ist die Cristo Redentor (Christus, der Erlöser)-Statue in Rio de Janeiro. 28 Meter misst die Spannweite der Arme, Einweihung war 1931. Steffen hat dieses unglaubliche Foto gemacht. Er berichtete, dass sich die Nebel binnen Minuten auflösten und das übliche Bild der Stadt erschien. Ich finde das Foto großartig. Vorne die Statue, im Hintergrund ragen die Metallspitzen der Zuvielisation heraus.

Uns geht es oft so, dass die vertrauten Dinge mit einem Mal verschwinden, nicht mehr greifbar sind. Irgendetwas ist geschehen und das, was so real, ganz unser Leben schien, trägt nicht mehr, ist entschwunden. Noch ist Neues nicht sichtbar, erschließen sich uns die künftigen Wege nicht, der Nebel verdeckt alles, das macht vielen Menschen Sorge. Wenn sie nicht den nächsten Schritt sehen können, werden sie innerlich sehr unruhig. Sie wünschen sich Sicherheit im Leben.

Es gibt wenig sichere Dinge. Alles, was lebt, stirbt eines Tages. Das ist die eine Sicherheit. Die andere dürfte sein – nichts bleibt, wie es ist, alles ist in ewigem Wandel. Kein Haus ist sicher, kein Konto, keine Beziehung. Alles ist Veränderung unterworfen, im besten Fall Entwicklung und oft genug bedeutet das, Zeiten der Unklarheit, des Nebels, des Nichtwissens auszuhalten, wie Rilke dem jungen Dichter schrieb: „Leben Sie die Fragen!“

Wer weiß, in welche Antworten wir hineinwachsen werden. Lassen wir immer wieder mit innerer Ruhe zu, dass die Nebel des Lebens alles verdecken und nichts mehr greifbar scheint, wie weit weg, nie mehr erreichbar. Keine Sorge, es taucht wieder auf. Zumindest eine Menge davon. Aber vertrauen wir immer wieder darauf, dass sich die Nebel lichten und wir Altes neu sehen können. Uns freuen, wenn Vertrautes auftaucht und vielleicht Neues uns überrascht. Der Hamster im Rad fühlt wenig Möglichkeiten der Veränderung, es sei denn, er lässt los. Eine nicht ganz geklärte Situation im Leben, in der die Nebel wallen und der Kopf, in Watte gewickelt, um sich selbst rotiert und keine Lösung findet, ist eine wunderbare Möglichkeit des Loslassens. Vielleicht erwächst dann Klarheit auf anderen Ebenen als gedacht. Möglicherweise erleben wir die tiefe Gewissheit, dass „einer ist, der dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“, wie Rilke das beschreibt.

Ein junger Klient hat mir das mal wunderbar erklärt: „Schau mal, ich glaub, es ist so mit dem Leben: Du bist auf einem gewissen Level. Du hast ne bestimmte Ausstattung. Klar?“ „Ja.“ „Also, mit der Ausstattung kannst du halt auch nur bestimmte Monster töten.“ „Aha.“ „Und wenn du das geschafft hast, kommst du auf ne neue Ebene. Und da bekommst du megafette neue Waffen, größere, du bist schlauer, hast mehr Zugriff auf haufenweise Sachen und so!“ Er strahlt mich an. „Und jetzt kommts – damit kannste doch auch die ganz fetten Monster erledigen. Die Monster sind immer nur so groß wie die Waffen auf dem Level, gecheckt?“ – Logisch, oder?

Also rein ins Vergnügen. Habt einen wunderbaren Venustag und mögen alle, die bei diesem Wetter draußen arbeiten müssen, vor Wetterunbill geschützt sein, damit sie ein gutes Weihnachten haben. Ich hoffe, dass mein feuerroter italienischer Sportwagen brav zur Akademie Vaihingen fährt und ich dort die drei letzten Kurstage des Jahres froh verbringe. Mit dem einen oder anderen „Monster“ in jedem Fall.

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