Monthly Archives: September 2020

Still werden und lauschen

Samstag

Auf seine Vorstellungen (Gedanken) achten. Nur bedeutsame Gedanken denken. Nach und nach lernen, in seinen Gedanken das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Ewige vom Vergänglichen, die Wahrheit von der bloßen Meinung zu scheiden.

Beim Zuhören der Reden der Mitmenschen versuchen, ganz still zu werden in seinem Innern und auf alle Zustimmung, namentlich alles abfällige Urteilen (Kritisieren, Ablehnen) auch in Gedanken und Gefühlen, zu verzichten.

Dies ist die sogenannte „richtige Meinung“.

Sonntag

Nur aus begründeter voller Überlegung heraus selbst zu dem Unbedeutendsten sich entschließen. Alles gedankenlose Handeln, alles bedeutungslose Tun soll von der Seele ferngehalten werden. Zu allem soll man stets wohlerwogene Gründe haben. Und man soll unbedingt unterlassen, wozu kein bedeutsamer Grund drängt.

Ist man von der Richtigkeit eines gefassten Entschlusses überzeugt, so soll auch daran festgehalten werden in innerer Standhaftigkeit.

Dies ist das sogenannte „richtige Urteil“, das nicht von Sympathie und Antipathie abhängig gemacht wird.

Sigrid hat diesen unglaublich beeindruckenden Baum in der Rhön entdeckt. Danke!

Du schaffst mehr als du denkst!

Vom Leben lernen: Das ist eine harte Nummer. Wir lernen mühsam. Das Leben gibt uns oft einfache Aufgaben, die wir ignorieren, dann wird’s ein wenig heftiger, das stopfen wir unter den Teppich und irgendwann kommt dann halt das Brett, da müssen wir ran. Was Steiner meint, ist in meinen Augen, dass wir uns beim Handeln an Erfahrungen aus der Vergangenheit erinnern und lernen sollten, die ewig gleichen Situationen und Folgen zu vermeiden. E regt an, zu schauen, wie andere Menschen Dinge regeln und warnt davor, das mit lieblosen Blicken zu tun. Das ist unser Standard, wir werten und denken oft sehr abfällig über andere Menschen.

Wenn wir ehrlich sind, ertappen wir uns ab und an dabei, dass wir denken: Oh nein! Wieso macht er/sie das so und so? Das geht doch jedes Mal schief? Lernt er/sie denn nichts aus den Erfahrungen? Die Antwort ist: Da sind wir alle gleich. Mit unseren „Problemlösungsprogrammen“ versuchen wir, alles, was anflutet, gleich zu behandeln. Da gilt Watzlawick: Wenn du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus. Flexibilität ist gefragt und das ist die Anregung: Schau mal, wie andere mit Fragen im Leben umgehen, vielleicht kannst du daran etwas lernen, entweder, wie man es genial lösen kann oder es eben nicht funktioniert und gleiches gilt für unsere vergangenen Handlungen: Was war warum zielführend oder gerade nicht?

Besonders schön finde ich den Hinweis, auf die Kinder zu achten. Da sie nicht wissen, wie man Dinge macht, gehen sie unbefangen an Herausforderungen heran. Von Jorge Bucay gibt es eine wunderbare Geschichte. In einem Haus sind zwei kleine Kinder beim Mittagsschlaf, ein Junge mit sechs Jahren und sein Babybruder. Die Kinderfrau denkt, die beiden schlafen, geht fix aus dem Haus und schließt die Kinder ein. Es bricht ein Feuer in der Wohnung aus. Die Kinder sind im Zimmer gefangen, vor dem Fenster ein Schutz vor Herausfallen. Der Junge schafft es, das Gitter zu entfernen, seinen Babybruder in einen Rucksack zu stecken, aus dem Fenster zu klettern, auf einen Baum vor dem Haus zu steigen und von dort herunterzukommen. Ein alter Feuerwehrmann weiß, wieso das Kind das geschafft hat: „Niemand hat ihm gesagt, du kannst das nicht.“ Diese Geschichte liebe ich, denn sie zeigt, dass niemand kreativer und spielerisch-lösungsorientierter ist als Kinder. Sie finden immer einen Weg. Wir mit unserem Schlaubischlumpf-Verstand sind häufig nicht mehr kreativ, orientieren uns an unseren ach so großartigen Erfahrungen oder versuchen es „wie immer“.

Man kann von jedem Menschen lernen! Wenn wir diesen Satz im Herzen tragen, sind wir offen. Gespannt auf die Wundertüte, die vor uns steht. Bereit, die Welt mit den Augen unseres Gesprächspartners zu sehen und unseren Schmalspurgeist zu dehnen. Geschenke, die das Leben uns jeden Tag reichlich vor die Füße legt wie reifes Fallobst. Nehmen und was draus machen!

Allen einen wunderbaren Tag, dessen Energie am Freitag von der Venus kommt, sie ist liebevoll und freundlich. Schön, oder?

 

Steffi notierte zu diesem Foto: Wenn ich beim Laufen nach hinten schaue. Ist das nicht erstaunlich, vorne der corn moon des Septembers und hinter ihr die aufgehende Sonne, die den Tag durchlichten und durchwärmen wird. Danke für diese beiden Bilder!

Vom Leben lernen

Freitag

Das Streben, möglichst viel vom Leben zu lernen.

Nichts geht an uns vorüber, das nicht Anlasse gibt, Erfahrungen zu sammeln, die nützlich sind für das Leben. Hat man etwas unrichtig oder unvollkommen getan, so wird das ein Anlass, Ähnliches später richtig oder vollkommen zu machen.

Sieht man andere handeln, so beobachtet man sie zu einem ähnlichen Ziele (doch nicht mit lieblosen Blicken). Und man tut nichts, ohne auf Erlebnisse zurückzublicken, die einem eine Hilfe sein können bei seinen Entscheidungen und Verrichtungen.

Man kann von jedem Menschen, auch von Kindern, viel lernen, wenn man aufpasst.

Man nennt diese Übung auch „das richtige Gedächtnis“. das heißt sich erinnern an das Gelernte, an die gemachten Erfahrungen.

Steffi ist am Morgen gelaufen und hat zwei Bilder gemacht. Zu diesem schrieb sie: Wenn ich beim Laufen nach vorne schaue.

Komm in deinen Flow!

„Das menschliche Streben“ – Steiner beschreibt in der Donnerstagsübung etwas, was die moderne Forschung bestätigt. Wir sind dann am besten im Flow, am meisten angeregt und herausgefordert, wenn wir unsere Komfortzone verlassen und uns der Grenze nähern, die uns von einer Überforderung trennt. Steiner hat das so wunderbar geschildert, dass wir nichts tun sollen, was unsere Kräfte übersteigt, aber auch nichts unterlassen sollen, was innerhalb unserer Fähigkeiten liegt.

Ein weiterer Punkt, der eine hilfreiche Leitlinie im Alltag sein kann, ist das out of the box-Denken, das Verlassen des berühmten Tellerrands, um sich Zielen zu stellen, die Steiner mit Idealen verbindet. Er verknüpft die Ideale des Menschen mit Aufgaben, die wir in den Dienst der Gemeinschaft stellen, auch wenn das vielleicht nicht schnell umsetzbar ist. Nicht nur, dass diese Übung den Donnerstag zu einem der spannendsten Tage der Woche macht, sondern die Kraft des Jupiter, der als weise und Freude bringend gilt, stützt uns zudem in diesem Bemühen.

Oft habe ich da Vinci zitiert: „An welchen Stern willst du deinen Lebenskarren binden?“ – das ist mit der Vision, dem Ideal gemeint. Das darf etwas Großes, vielleicht Unerreichbares sein und davon brechen wir die bewältigbaren Ziele herunter, die uns allerdings durchaus aus dem vertrauten Trott holen müssen und dürfen, wenn Entwicklung geschehen soll. In der Komfortzone entwickelt sich nur ein Bauch, aber wir uns nicht als Persönlichkeiten.

Vom Ich zum Wir – in der Donnerstagsübung ist dieser Weg vor das Auge gestellt. Unsere eigene Entwicklung möge so verlaufen, dass sie dem Wohl des Ganzen dienen mag. Das ist eine sehr große Aufgabe! Zudem folgt der Zusatz, die Übungen, die wir schon kennen gelernt haben, zur Gewohnheit werden zu lassen. Nur was Gewohnheit wird, ist uns im wahrsten Sinn des Wortes in Fleisch und Blut übergegangen, selbstverständlich geworden.

Viel Freude mit dieser Übung. Kleiner Nebeneffekt: Wenn man seinen Geist mit solchen Aufgaben füttert und sich auf den Weg damit macht, hat man viel weniger Zeit zum Jammern, Klagen oder zur Unzufriedenheit, denn wir erfahren, dass es an uns liegt, etwas für oder gegen die Not in der Welt zu tun und dass wir sehr wohl etwas bewegen können.

 

Steffi hat dieses Foto gemacht, das für mich den Übergang vom Sommer zum Herbst perfekt einfängt.

 

Das menschliche Streben

Donnerstag

Das menschliche Streben. Man achte darauf, nichts zu tun, was außerhalb seiner Kräfte liegt, aber auch nichts zu unterlassen, was innerhalb derselben sich befindet.

Über das Alltägliche, Augenblickliche hinausblicken und sich Ziele (Ideale) stellen, die mit den höchsten Pflichten eines Menschen zusammenhängen, zum Beispiel deshalb im Sinne der angegebenen Übungen sich entwickeln wollen, um seinen Mitmenschen nachher umso mehr helfen und raten zu können, wenn vielleicht auch nicht gerade in der allernächsten Zukunft.

Man kann das Gesagte auch zusammenfassen in: „Alle vorangegangenen Übungen zur Gewohnheit werden lassen“.

Steffi hat diesen herrlichen doppelten Regenbogen für uns eingefangen.

Wider Unruhe und Hast

In der Mittwochsübung sind wir eingeladen, unser Leben einzurichten. Wie erstaunlich, oder? Wir richten Häuser und Arbeitsplätze, Computer oder Kinderzimmer ein, aber das Leben? Bereits das ist ein spannender Punkt. Rudolf Steiner ist der Meinung, dass man sein Leben einrichten sollte. Ich teile diese Meinung. Wir leben oft so in den Tag hinein ohne Sinn und Verstand, lassen Timelines verstreichen, weil wir angeblich nur unter maximalem Druck gut arbeiten können und bringen so Unruhe und Hast ins Leben.

Am Wochenende zitierte ich Beppo Straßenkehrer in einem Seminar, weil die Schüler Sorge trugen, mit der Menge an Lernstoff nicht klarzukommen. Ja. Wenn man alles auf einmal sieht, mag das schnell geschehen, doch wenn ich mir das „einrichte“, einen Plan aufstelle und genügend kluge Puffer berücksichtige, erarbeite ich mir im Lauf der Zeit auch den größten Berg, schaffe ich auch schwierige Aufgaben. Beppo Straßenkehrer in Michael Endes „Momo“ ist ein Meister „der Einrichtung“, denn „dann kommt man nicht aus der Puste“, vermeidet im Steiner-Sinne Unruhe und Hast.

Das Leben als einen Entwicklungsweg sehen – das hat ebenfalls was. Früher gab es Mysterienschulen. Die Mysten durchschritten jahrelang Trainingseinheiten. Sie übten sich in vielem, was den Willen schult, die Demut fördert. Sie hatten Hierophanten, die ihre Entwicklung begleiteten und stets die Messlatte entsprechend der Entwicklung des Lernenden höherlegten, so dass die Herausforderungen wuchsen und damit nach und nach Kraft aufgebaut wurde. Am Ende gab es eine letzte große Prüfung, in der der Myste maximal auf seine innere Stärke getestet wurde.

Joseph Beuys hat vor Jahren gesagt, heute fände die „Einweihung am Hauptbahnhof“ statt, sprich: unser Alltagsleben darf durchaus als ein Einweihungsprozess verstanden werden. Was übrigens bereits im Wort Prozess enthalten ist, denn procedere heißt voranschreiten, es impliziert bereits eine Richtung.

Nicht im äußeren Tand aufgehen – zu Steiners Zeiten gab es gerade mal Telefon und elektrisches Licht, die Industrie befand sich im Boom. Kein Internet. Keine Handys, kein Fernsehen. Wie viel äußeren Tand bietet unsere Welt! Schrott in jeder Form, geistiger Müll, seelische Überfrachtung bei körperlicher Inaktivität – langfristig Verdummung und Entfernung von allem Wesentlichen auf sämtlichen Ebenen, wenn man es nicht schafft, sich entsprechend Freiräume von all dem (medialen) Wahnsinn zu gönnen. Hand aufs Herz: wie oft verlieren wir uns im äußeren Tand? Wie häufig gönnen wir uns das, anstatt an unserer eigenen Entwicklung zu arbeiten?

Die Mittwoche, die mit Merkur (wie viele Sprachen noch zeigen übrigens) verbunden sind, dem beweglichsten der Götter, laden dazu ein, unser Leben einzurichten. Schaffen wir uns Ecken der Meditation, der Würde, der Werte, einen Tisch für Gemeinschaft, ein Lesezimmer, einen Raum für Bewegung, einen für Kunst und Musik, einen für geistige Arbeit und einen, in dem wir komplett Platz lassen für alles, was werden mag und in dem wir uns mit unseren Schatten befassen dürfen. Richten wir unser Leben ein und achten wir darauf, an diesem Tag wenig dem Tand anheimzufallen.

Allen einen bewegenden Merkurtag.

 

Sigrid hat sich von der Wertheimer Burgruine begeistern lassen. Dankeschön!

Dein Leben einrichten

Mittwoch

Die Einrichtung des Lebens. Natur- und geistgemäß leben, nicht im äußeren Tand des Lebens aufgehen. Alles vermeiden, was Unruhe und Hast ins Leben bringt.

Nichts überhasten, aber auch nicht träge sein. Das Leben als ein Mittel zur Arbeit, zur Höherentwicklung betrachten und demgemäß handeln.

Man spricht in dieser Beziehung auch vom „richtigen Standpunkt“.

Rudolf Steiner

Der Apfel ist ein Geschenk der Natur. Sigrid hat ihn fotografiert, vielen Dank.