Übergangszeiten

Das letzte Ausbildungswochenende der angehenden Cardea-Therapeuten vor ihrem Abschlusswochenende ist vorbei. Damit sind auch für diesen Kurs die letzten Aufstellungen vorbei. Wenn die Teilnehmer im Dezember zum Aufstellen mit dazu kommen, sind sie schon nicht mehr nur übend, sondern helfen ihren Nachfolgern mit, sich mutig in die Arbeit mit dem Feld einzufinden. Der Staffelstab wird weitergetragen. Ich mag diese Übergangsmomente.

Übergänge prägen unser Leben. Dinge beginnen. Dinge enden. Dazwischen ist eine Spanne Zeit, von der wir oft nicht wissen, wie lange die Spanne umfasst. Endlichkeit schafft Kostbarkeit.

Übergänge holpern und bringen uns oft aus jedem Takt. Die Phase des Chaos‘ entspricht den Geburtswehen des Neuen, das geht nicht so einfach und ist oft sehr turbulent. So, wie Geburt ein gewaltiger Einschnitt ist, ist der Tod ein gewaltiger Einschnitt. Dazwischen sind die Übergänge oft genug dramatisch und mit viel Aufregung verbunden.

Der Herbst ist eine Zeit, in der wir das Loslassen von der Natur gezeigt bekommen, in der wir oft ernten, doch bedenken müssen, was wir neu einsäen, damit es wieder eine Ernte geben kann. Es braucht eine Zeit des Erntens, dann eine des Ruhens und des Dankens, der Neuorientierung und des Mutfassens für den Beginn.

All diese Übergänge rufen nach Riten und Ritualen, bewusst gestaltete Momente. Altes bewusst hinter sich lassen, Neues bewusst anfangen. Sich zum Westen hin verabschieden und zum Osten hin öffnen sind die Himmelsrichtungen, die seit alters her mit Abschied und Neubeginn verknüpft werden.

Gestern bin ich nachts unterwegs gewesen und habe den abnehmenden Vollmond ganz tief am Himmel stehend bewundert. Seit ich Kind bin, frage ich mich, was denn der Mond erzählen würde, wenn er sprechen könnte. Ich fand es unbegreiflich, dass er älter ist als jeder Mensch, so alt, dass mir das nicht fassbar war. Ich nahm an, dass er so dick und rund war, weil er all diese Geschichten behalten musste und dachte ewig, wenn der Mond nur eine schmale Sichel war, dass das dann sein „Aufschreibgesicht“ sei, scharf wie ein Messer oder ein seltsamer Federkiel, der auf Himmelspapier alles festschreibt, was berichtenswert ist. Mir erschien das Leben des Mondes als hocherstrebenswert – Geschichten sammeln und aufschreiben.

Meine Arbeit ist genau das. Ich darf Geschichten sammeln, die mir die Menschen berichten. Aufgeschrieben werden sie von mir nicht, aber dennoch weiß ich tief im Herzen, dass alle Geschichten, die wir Menschen jemals erleben, in einem riesigen Buch festgehalten werden, denn keine geht verloren. Nicht die von kleinen unbedeutenden Menschen, nicht die von Weltbekannten. Jede einzelne Geschichte ist die eines gelebten Lebens und damit des Aufschreibens wert.

Schreibst du deine eigene Geschichte ins Buch des Lebens? Welche Kapitel liegen dir am meisten am Herzen?

 

Allen einen sanften Montag.

 

Silke hat im Wald die bunten Blätter gefunden. Dankeschön!

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