Sollbruchstellen des Lebens

Vielen Menschen sieht man ihre Seelennot nicht an. Sie sind bedrückt, in Sorge, trauen sich nicht, damit nach außen zu treten, fressen es in sich hinein. Oder sie machen die Erfahrung, dass sie darüber sprechen und die Umgebung schaut sie verständnislos an, gibt „goldene Tipps“ wie den: „Reiß dich zusammen, allen geht es mal mies“. Das gilt für „normale miese“ Tage, aber nicht für ausgewachsene Krankheitsbilder wie Depressionen. Da helfen solche Ratschläge in keiner Weise.

So, wie ich bei einer schweren körperlichen Erkrankung schaue, dass ich zum entsprechenden Fachmann komme, so sollte das jeder auch bei einer psychischen Erkrankung tun. Und nicht zu lange damit warten! Wenn rechtzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird, kann man manches noch abwenden oder leichter behandeln, als wenn sich schon negative Dinge eingeschliffen haben.

Wo wir unsere Sollbruchstelle haben, im Körper oder in der Seele, hängt von unserer Gesamtheit als Mensch ab. Der eine hat einen Bandscheibenvorfall, der andere eine Depression. Das eine sieht man, das andere nicht, was oft dazu führt, dass jemand mit körperlichen Problemen leichter als Patient anerkannt wird al jemand mit psychischem Leid.

Wir sollten als Gesellschaft ein anderes Bewusstsein entwickeln für Leid. Wenn man offen über solche Themen sprechen kann, nimmt das Druck vom Betroffenen, hilft das gegen Stigmatisierung. Das holt hinein in das Leben anstatt dass es hinausstößt in die Einsamkeit.

Wir brauchen zudem einen neuen Umgang mit Krisen. Sie gehören zum Leben, zur Entwicklung dazu. Hier wäre ein Training in Resilienz, ein Training in Selbstführung und vor allem ein Training im Erkennen negativer Glaubenssätze im Grunde ab dem Kindergartenalter eine ausgezeichnete Prophylaxe. Erziehung muss Ermutigung beinhalten, dergestalt, dass wir Kinder stark machen, vieles auszuprobieren. Zu scheitern und es erneut zu versuchen. Fehler zu machen und sie als krasse Lernchance zu nehmen anstatt als Mahnmal des Versagens. Förderung hat mit fordern zu tun; wer Menschen stärken möchte, darf ihnen auch was zuMUTen, wenn es in einem liebe- und respektvollen Umfeld geschieht. Krisenmanagement ist für alle wichtig, ebenso die Erkenntnis, dass Krisen großartige Lernchancen sind, Wachstumsfaktoren, die unsere Selbstwirksamkeit gewaltig stärken können.

So, wie wir aus überwundenen körperlichen Krankheiten gestärkt hervorgehen können und vielleicht unsere Lebensweise anpassen, so geht das auch mit psychischen Krankheiten. Nehmen wir die Stigmatisierung weg und fördern wir unsere großartigen Fähigkeiten im Bereich Anpassung und Bewältigung. Wir sind allesamt wesentlich stärker als wir meinen. Allerdings braucht Stärke Training und das Vertrauen, dass wir es schaffen.

Was schaffst du im Moment, was dich enorm herausfordert? Bist du stolz auf dich, dass du das alles gerade bewältigst? Ich feiere dich, du Heldin, du Held der Stunde, Meister und Meisterinnen der Lebenskunst!

Allen einen tatkräftigen Dienstag.

Die Feder hat Sigrid fotografiert. Danke!

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