Donnerstags-Nachdenk-Input

Platons Zitat finde ich bedenkenswert. Im Werk „Phaidon“ geht es um die Frage, was die Seele sei. Platon schildert ein Gespräch zwischen dem kurz vor seiner Hinrichtung stehenden Sokrates und verschiedenen Menschen. Sokrates hat erkannt, dass das Leben im menschlichen Körper und der Körper selbst nicht alles sind, sondern der Körper sogar der Hemmschuh sein kann für eine gute Entwicklung der Seele. In dem Werk geht es um die Frage, ob die Seele unsterblich sei.

Warum ich das Zitat gewählt habe? Wenn man das alles als Gedanke annimmt, wird hier nicht mehr und nicht weniger gefordert als das Bemühen, ein gutes und gerechtes Leben zu führen, um sich von Negativem zu befreien. Dieser Gedanke gefällt mir gut, denn ich glaube, dass wir Menschen alle in unserem Herzen eine tiefe Sehnsucht nach dem Guten, dem Wahren und dem Schönen in uns tragen. Doch schon im ersten Lebensjahrsiebt, dem, in dem das Gute, Wahre und Schöne im Kind grundgelegt werden sollte, erfahren wir nicht immer viel davon. Es wird schlichtweg nicht vorgelebt, weil die Not-Wendigkeit nicht mehr im Bewusstsein der Menschen lebt, nur die Sehnsucht danach, die wir dann mit vielem füllen, was unser Bewusstsein abschießt, anstatt uns hierher zu holen.

In diesem Jahr fällt mir das immer mehr auf. Nach der Hitze kommt der Wind. Erneut steht eine Veränderung an, wenn wir von Sommer auf Herbst switchen, seit einiger Zeit mit Licht aufstehen, abends die Dunkelheit früh kommt und nun die Winde wegblasen, was durch die Sommerhitze keine Kraft mehr hat. So ist es auch mit den Menschen. Die Tage bis Monatsende sind mit einer besonderen Energie gefüllt, vieles möchte losgelassen werden. Weggerissen wird, was sich nicht stärken kann für den Winter. Eine nicht immer einfache Vorstellung. Deshalb finde ich, ist dieses Jahr ein einziger Appell an die eigene Entwicklung, um zu Stärke, Kraft und Ruhe im Inneren zu finden.

Unsere Seele – so schwierig diese Vorstellung sein mag – kann, wenn wir Platon folgen, nicht „reingewaschen“ werden durch den Tod, sondern nimmt wie eine Art Prägung mit, was wir an Gutem und Negativem getan haben. Ich finde diese Vorstellung hilfreich, weil sie uns immer wieder ermöglicht, darüber nachzudenken, WIE wir leben möchten. Keiner von uns ist fehlerfrei, nur gut oder nur schlecht, wir haben alle alle Anlagen in uns. Wir entscheiden zu jeder Sekunde unseres Lebens, wie wir leben wollen. Eine innere Stimme in uns weiß immer, was das Richtige ist, wir folgen ihr nur zu unserem eigenen Leidwesen oft genug nicht und handeln zutiefst gegen das, was in uns als Wahrheit lebt.

Vielleicht lassen wir mit dem Wind einige Vorstellungen davonwehen. Den Perfektionismus fliegen lassen kann befreiend sein. Sorgen und Nöte dürfen mit weggeblasen werden, damit Kopf, Herz und Hand frei werden, um sich neu auf den Boden der Tatsachen zu stellen, ins Leben. Wir sind in diesem Jahr alle viele Wege der Irrungen und Wirrungen gegangen, als wären wir schlafgewandelt. Es ist nun Zeit, aufzuwachen und sich für die Dinge zu entscheiden, die man als richtig und wesentlich erachtet. In dem Bewusstsein stets, dass meine eigene Freiheit immer dort endet, wo die eines anderen beginnt. Ich beziehe meine Aussagen sicher nicht auf aktuelles Pandemiegeschehen, falls das jemand annehmen sollte. Mein Fokus ist weiter gestellt. Sondern darauf, dass wir in jedem Moment viele Entscheidungen aller Größenordnungen (von der Wahl der Nahrung bis zum Kündigen einer Arbeitsstelle und vieles mehr) in unserem Leben treffen und wir damit anfangen könnten, die Entscheidungen nach unserem inneren Kompass auszurichten. Sollten wir bislang den Erwartungen anderer gefolgt sein – angefangen von den Eltern über Partner und Menschen, denen wir Einfluss auf unser Leben gewähren – wird es in diesem Wandlungsjahr Zeit, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Was wäre die liebevollste und beste Version meiner selbst? Was trennt mich von dieser Version? Wann nähere ich mich mir an?

Es geht nicht um Egozentrik, um Selbstverliebtheit oder das leicht überstrapazierte Wort Selbstfürsorge, das für die meisten darin besteht, sich schlichtweg alles zu gönnen, wonach das Ego giert (also das Gegenteil einer Selbstfürsorge ist). Es geht darum, bei sich auf gute Weise anzukommen. Rauszutreten aus dem Jammermodus, dem Beklagen verpasster Chancen und Ähnlichem. In der Zeit, die wir oft mit Lamentieren und Selbstmitleid (eine hohe Form der Verachtung übrigens) verbringen, laufen viele Chancen direkt an uns vorbei, bereit, ergriffen zu werden. Machen wir etwas für das Seelenheil, wenden uns weg von dem, was uns auf schlechte Wege führt und treten wir mutig aus dem Trott heraus. Der Wind darf mächtig unter Flügel gehen und Auftrieb geben. Es müssen nicht immer alle „durch den Wind sein“. Wir hier oben auf der Sturmhöhe schätzen den Wind (nicht immer), weil er uns zeigt, welche Kraft die Natur hat. Das erzeugt automatisch Respekt vor dem Leben, das einmalig ist und dem wir unseren eigenen Stempel aufprägen sollten anstatt zu versuchen, eine Kopie von etwas oder jemand zu werden.

Allen einen sehr kraftvollen Jupitertag mit dem Entdecken von neuem Gutem, Wahrem und Schönem im Leben.

Steffen hat von einer Chinareise viele Fotos mit Toren mitgebracht. Das ist eines davon, für das ich herzlich Danke sage.

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