Bei anderen ist das Gras immer grüner

Gestern fragte mich jemand, was ich denn so eigentlich den ganzen Tag mache. So ein paar Klienten und so, das ist ja echt entspannt. Sie überlege, ob sie das nicht auch machen soll. So ein Leben fände sie total cool, weil sie acht Stunden am Tag im Homeoffice einen doofen Job habe. Ich staune, wie man das 20 Jahre machen kann.

Als Kind habe ich oft den Satz gehört: „Man schaut an die Menschen hin, aber nicht hinein“ und ich glaube, das trifft es gut. Wir wissen nichts von anderen Menschen, auch wenn wir meinen, sie zu kennen. Wir sind nicht 24 Stunden am Tag in ihren Schuhen. Vielleicht kennen wir ihre Lebensgeschichte gut, sind befreundet, die Kinder haben miteinander zu tun. Wissen wir dennoch, wer unsere Mitmenschen sind? Ich denke nicht. Wissen wir um ihre Ängste, Träume, Freumomente? Ihre Höhen und Abstürze?

Oft genug sind es Projektionen des Eigenen, was in der Begegnung mit anderen Menschen auffällt. Sie projizieren Dinge auf uns, die sie selbst haben möchten oder an sich selbst sehr ablehnen. Meistens sagen Menschen damit mehr über sich als über mich aus.

Sehr beliebt in meinem Ranking sind Aussagen wie: „Du hast es doch schön! Du hast so einen tollen Garten!“ – ja, haben WIR. Wenn du bereit bist, jeden Tag als Megaallergiker im Morgengrauen (was derzeit vier Uhr morgens ist) aufzustehen über den Sommer, damit du im Garten arbeiten kannst, weil du sonst totgestochen wirst, dann ist es schön mit Garten.

„Du musst ja nur für zwei Leute kochen!“ Oh ja. Täglich. Und ob ich für vier, 14 oder zwei Menschen koche, ist nur ein Zeitfaktor fürs Schnippeln, erleichtert aber nicht die Tatsache von drei Mahlzeiten am Tag. Und wenn wir Gruppen im Haus haben, koche ich nicht für zwei, sondern für viele.

„Du hast ja volle Unterstützung von deinem Mann!“  Richtig. Wir haben beide im gleichen Haus unseren Arbeitsplatz. Da ich einen enorm gewissenhaften Partner habe, kann es gut sein, dass der Postbote mehrmals klingelt und er dennoch nicht fünf Meter zur Tür geht, weil er gerade eine Schulung hält, mit Kunden spricht oder die geniale Fähigkeit besitzt, wenn er sich einem Problem widmet, alles andere komplett (und er meint damit wirklich 100 Prozent) ausschaltet. Körperliche Anwesenheit bedeutet für ihn ganz sicher nicht, von mir jederzeit zugetextet werden zu wollen. Kann ich gern versuchen, bringt aber nie was. Wenn er arbeitet, arbeitet er. Wenn er nicht für die Firma arbeitet, macht er seine anderen Sachen. Er hat jede Menge zu tun und tut das auch. Und wenn wir gemeinsame Zeit haben, haben wir die. Dann ist der Rest außen vor. Klare Abgrenzung, klare Wahl. Quality time hat einen anderen Stellenwert als „24 Stunden am Tag zusammen in einem Haus leben“.

So ist es mit den Projektionen. Bei anderen ist das Gras immer grüner, die Partner immer liebevoller und hilfsbereiter, die Kinder weniger aggro, drogensüchtig oder zappelig, die Eltern pflegeleichter und was immer in dieser Art kommen mag. Frage: stimmt das wirklich?

Fakt ist: Unter jedem Dach ein Ach. Jeder Mensch hat gute und schlechte Tage. Freundliche und unfreundliche Begegnungen. Leichtigkeit und Schwere, Frohsinn und tiefe Trauer. Es gibt keinen Grund zu Neid und Vergleichen ist die Wurzel von zu viel Leid auf dem Planeten.

Sei dein eigener Maßstab. Mach dir bewusst, dass du im Leben an exakt dem Platz stehst, an dem du stehen willst, sonst wärst du ja weg, oder? Mach dir auch bewusst, dass du selbst die Wahl triffst in jeder Sekunde, wie du etwas bewertest und ob du überhaupt noch etwas bewerten willst, weil es ohnehin nur zu Leid führt.

Es gibt kein besser oder schlechter, meistens gibt es nur ein „so ist es“ und dann kann man damit was machen, oder?

In diesem Sinne einen freundlichen wahlfreudigen Tag. Es ist der Jupitertag der Woche! Ist das nicht großartig? Freude ist angesagt.

Manuela hat diesen Mohn bei seiner Geburt auf der Welt begrüßt. DANKE.

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