
„Wie geht es dir?“ Diese Frage beantworten wir routinemäßig mit „gut“ im Wissen, dass der Gesprächspartner nichts anderes erwartet und mit einem Sermon über unsere Malesten wenig anfangen könnte.
Das Leben ist nie so, dass es uns dauerhaft gut geht. Wir haben Sorgen, Nöte, Krankheiten, Existenzangst, leiden an zerbrochenen Beziehungen, heftigen Kindheitserfahrungen, erleben Mobbing, Ausgrenzung und Scheitern. All das gehört zum Menschsein und ist der Sand, mit dem uns das Leben gewaltig abstrahlt, um eines Tages wie ein funkelnder Stern nach Hause zu gehen.
Schmerzen und Kummer erleben alle Menschen, das Ausmaß ist verschieden und unsere Reaktion darauf. Hier gibt es keinen Maßstab für „mehr Leid“, jeder Mensch erlebt das individuell, daher ist das aller Wertung oder Beurteilung enthoben. In einer Therapiestunde fragte mich eine Klientin, ob sie denn stresssüchtig sei, weil sie schwere Traumaerfahrung hat. Ich glaube nicht, dass sich jemand freiwillig so viel Stress wünscht, dass er daran fast zerbricht. Jemand mit krassen Erfahrungen hat jedoch eine andere Form der Gewöhnung auch im Bereich von Neurotransmittern, Hormonen und vielem mehr und steckt manches anders weg oder hat gelernt, Wahrnehmungen von Unwohlsein restlos abzutrennen. Das zu erkennen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg des Ganzwerdens.
„Wie geht es dir?“ „Gut!“ – manchmal benutze ich das für mich als Memo, dass vieles wirklich gut ist. Dass ich das oft vergesse, ins Opfer falle, undankbar bin. Mich erinnert genau diese Frage immer wieder daran, dass ich mir überlegen darf, wofür ich in diesem Moment dankbar bin. Vielleicht ist das einfach nur eine Erinnerungsweckerfrage in achtsamem Umgang mit mir, Mitgefühl und Dankbarkeit. Dann wäre diese Frage ein Geschenk im Inne-Halten. Einen kraftvollen Marstag für dich.
Stephanie hat dieses atemberaubende Foto in der Schweiz gemacht. Danke dir!
