Staunen wir mal wieder!

Wenn ein Mensch ein wahrhaft krasses Schicksal hat und es immer wieder schafft, sich aus tiefsten Abgründen ans Licht herauszuarbeiten, stehe ich da und staune über diesen Mut und diese Kraft, die da sichtbar werden. In meiner Praxis höre ich viele Lebensgeschichten. Ich schaue hinter so manche Kulisse. Mir werden Dinge anvertraut, die vielleicht sonst kaum jemand weiß. So unterschiedlich wie die Geschichten sind auch die Wünsche der Menschen an mich– der eine möchte therapeutisch begleitet werden. Andere haben eher eine Frage, die Richtung Coaching geht. Die nächsten möchten ihr Potential entfalten und immer wieder kommt jemand, der einfach nur einen Raum braucht, in dem er das Recht zu trauern hat, weil unsere moderne Gesellschaft am Freitag bestattet und am Montag hat der Alltag hoffentlich zügig weiterzugehen.

Am Ende einer Woche, wenn ich die Menschen Revue passieren lasse, die ich in dieser Zeit erlebt habe, merke ich, wie berührend vieles ist. Wie oft ich es erleben darf, dass das Leben sich durch dickste Betonschichten bohrt und eines Tages ausbricht, wächst, blüht und fruchtet. Wie verschlungen Lebenswege sein können und welches zauberhafte Muster sich zeigt, wenn man es aus einer Metaperspektive anschaut.

Wir verzweifeln oft an unseren Mitmenschen und ihren Macken. Erblickten wir, wie oft es unsere Macken in einem Spiegel sind, wären wir überrascht und dankbar, dass unsere Mitmenschen die schwere Aufgabe auf sich nehmen, uns bei unseren Lernschritten behilflich zu sein und wir wären wesentlich netter zu ihnen.

Wir alle sind Lernende in der Schule des Lebens. Wir sind Lehrende, denn wir müssen oft genug ein Kontrapunkt sein, auch wenn wir das vielleicht nicht wollen. Wir alle sind Übende, denn keiner weiß in jedem Fall und immer, wie man „richtig“ lebt. Wir sind Meisterinnen und Meister und zugleich Lehrlinge im Leben. Uns gelingt Unfassbares und im Alltag können wir bei kleinsten Dingen krass versagen. Wir sind Wundertüten, Kaleidoskope, die uns die Schönheit und das Chaos des Universums widerspiegeln.

Staunen wir doch einfach an diesem Tag der Liebe. Über uns. Über alle anderen. Über die Buntheit, die wir sind. Über die Kraft von Glaube, Hoffnung und Liebe, die die schwersten Hindernisse überwinden kann. Und darüber, dass wir zu den Wesen gehören, die nachts aufs Klo gehen und sich dann im Dunkeln am Bett den Zeh brechen. Mal ehrlich – sind wir nicht unfassbar wunderbar und wundersam?

Euch einen feinen Freitag, der alles mitbringt, was euch zum Wachstum dienen möge. Vor allem jede Menge Power und ausreichend Grund zum Lachen.

 

Ursula hat die geballte Kraft des Rhabarbers im Bild festgehalten. Ich danke dir und freue mich schon auf den ersten Rhabarbercrumble 2021.

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