Nichts ist wie es scheint

Fotos aus Bornholm und von nebligen fränkischen Landschaften sind eingetroffen. Das freut mich sehr, denn meine “Außenaugen“ machen so großartige Bilder. Jeder Impuls entsteht auf diese Weise: zuerst kommt das Bild und dann entwickelt sich daraus die Suche nach dem passenden Zitat und dem Impuls. Maximal 12 Minuten darf es inklusive ins Netz stellen dauern, das ist die Challenge, die damit verbunden ist.

Annes Foto führte mich zum Zitat des in Würzburg geborenen Malers und Dichters Max Dauthendey und als ich es las, war mir, als würde der Künstler mit der Sprache malen. Als Kind fand ich Landschaftsbeschreibungen langweilig. Ich hoffte stets auf wenig Beschreibung und viele Dialoge. Die Freude am Landschaftsbeschreiben kam später, mit Stifters „Bergkristall“. Ich verstand, wie schwer es ist, Landschaften mit Worten zu beschreiben, so, dass man sie sich lebhaft vorstellen konnte.

Vor einigen Tagen saß ich eine Stunde lang Gabriele Münters „Kahnfahrt“ gegenüber. In Ermangelung anderer Ablenkung schaute ich mir das Bild an. Nach und nach entstand in meinem Kopf eine Geschichte dazu. In welchem Verhältnis standen die Menschen in diesem Kahn zueinander? Der Mann, die zwei Frauen, das Kind? Was mochte in ihren Köpfen vorgehen? Während ich das Bild betrachtete und mir meine Gedanken dazu machte, wurde es lebendig. Ich hörte das Eintauchen der Ruder, die Berglandschaft im Hintergrund wurde ebenso lebendig wie die sommerliche Atmosphäre. Die Menschen auf dem Bild bekamen eine Geschichte, eine Biografie und einen Zusammenhang. Der konnte so sein, aber auch ganz anders. Ich staunte, denn bislang hatte ich das Bild viele Male gesehen, aber irgendwie darüber hinweggeschaut. Nun, direkt einem Plakat mit exakt diesem Bild gegenübersitzend, zum Warten verurteilt, konnte ich zum ersten Mal etwas mit diesem Bild anfangen. Vielleicht, weil ich es das erste Mal wahrhaft angeschaut habe.

So ist es oft – manches langweilt uns und wir wollen es gern überspringen, bis wir bemerken, dass gerade diese Langeweile etwas in uns verändert: die Zeit wird eine lange Weile und das tut den Nerven gut. Bilder, die wir zu kennen meinen und von denen wir behaupten würden, dass sie uns schon alles gesagt haben, sind mit einem Mal lebendig, schicken Botschaften und interagieren mit dem Betrachter.

Fazit: Die Dinge sind oft nicht so, wie sie scheinen. Hinter langweiligen Sachen verbergen sich spannende Welten, wenn man sich darauf einlässt. Hinter Bildern, die man sieht, aber nicht wahrnimmt, verstecken sich Geschichten, eröffnen sich Perspektiven. Wie viel Welt, Leben, Menschen, was immer mag ich bereits übersehen haben bisher durch meine Unachtsamkeit?

Allen ein entdeckungsfreudiges Wochenende!

Danke an Theresa für das tolle Bornholmfoto, das sofort Lust auf mehr Meer macht.

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