Ein gutes Team werden

Was glaubst du? Woran glaubst du? – Zwei ähnlich klingende Fragen. Zwei sehr schwierige Fragen.

Manchen Menschen glauben nur, was sie sehen oder selbst überprüfen können. Sie halten Materie für Realität. Eine Zeitlang habe ich Artikel gesammelt über ungewöhnliche Vorkommnisse, also Ereignisse wie „Kind wird vom Laster überrollt und Mutter hebt Laster an, um das Kind hervorzuziehen.“ „Mann springt auf einen Baum auf der Flucht vor einem Tier und als man ihn rettet, stellt man fest, dass der erste Ast auf fünf Metern Höhe ist.“ „Ein Mensch mit geistiger Behinderung (was an sich rein gar nicht geht, aber das ist ein anderes Thema) hebt einen Viertürerschrank voller Geschirr mit einer Hand an“ und vieles mehr. Ich fand es faszinierend, dass wir in bestimmten Situationen im Leben einen anderen Zugang zu dem finden können, was wir unter Materie verstehen. Also war das abgehakt, Realität ist nicht Materie, Materie nicht Realität.

Die Frage ist oft an ein bestimmtes Gottesbild gekoppelt. Ein älterer Herr mit Rauschebart versus lächelnder Mann unter dem Bodhi-Baum plus x. „Du sollst dir kein Bildnis machen“, heißt es in der Bibel. Der Begriff Gottesbild ist also an sich verwirrend. Da bin ich schon eher mit dem Begriff des „großen Geistes“ verbunden oder dem Gedanken, den Rilke beschreibt: „Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“.

Klienten frage ich manchmal, ob es etwas gibt, woran sie glauben. Es ist gelegentlich einfacher, wenn Menschen an etwas glauben, weil sie dadurch Halt und Stärkung in ihren Alltagssorgen bekommen. Viele Menschen haben einen kleinen Altar daheim und gestalten ihn nach ihren Vorstellungen. Er erinnert sie daran, dass wir als Menschen Bestandteil eines Systems sind, in dem es viel mehr gibt als das, was wir sehen und wahrnehmen können. Es hilft ihnen, sich nicht verlassen zu fühlen, beschützt und behütet zu sein.

Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem besonderen Jahr die Worte „beschützt“, „behütet“ und „geborgen“ gebraucht habe. Selten waren sie so wichtig, so bedeutsam, so ein Halt für Menschen. Wenn sich alles verändert, nichts mehr ist wie vorher, braucht es ein Gefühl des Beschützt- und Behütetsein in etwas Größerem. Das Vertrauen darauf, dass alles sinnvoll sein kann, auch wenn wir es im Moment weder sehen noch verstehen können. Eine Geborgenheit, weil wir Bestandteil einer Menschenfamilie auf dem Planeten sind.

Wenn ich nachts unterwegs bin heim von Vorträgen oder Kursen, fahre ich gern Autobahn. Es fühlt sich für mich beschützt an, wenn auf der rechten Spur Laster an Laster dahintuckert. Ich denke mir – in jedem dieser Lastwagen sitzt ein Mensch, der vermutlich sehr viel im Leben gesehen hat. Wenn irgendwas ist, wird er mir helfen. Wenn ich das erzähle, höre ich nur: Wovon träumst du nachts? – Wenn ich etwas glaube, dann das, dass wir viel mehr Vertrauen haben dürfen in unsere eigenen Fähigkeiten, die der anderen und dass wir alle auf diesem Planeten sind, um füreinander da zu sein. Irgendeiner wird halten und helfen (oder habt ihr schon skelettierte Wartende neben defekten Wagen auf Autobahnen gesehen? Irgendjemand hat geholfen, und wenn es die gelben Engel waren).

Es wird immer eine Lösung für ein Problem geben, denn kein Problem wird ohne seine Lösung geboren. Das Gefühl, verbunden und eingebettet zu sein in ein großes Ganzes ist es, woran ich glaube. Ich glaube daran, dass jeder Mensch auf dieser Welt ist, um sein Bestes zu geben. Zu wachsen, zu werden, zu sein, was er ist und werden wird. Ich glaube an die Vernunft, die Liebe, die Freundschaft und dass wir es schaffen, für Probleme gute Wege zu entwickeln. Ich glaube, dass wir Grenzen sprengen und alle Hürden überwinden können. Ich glaube, dass jeder Mensch ein Meister ist, wenn er den Zweifel zur Seite schiebt und darauf vertraut, dass jeder, der sich zeigt, auf ein offenes Herz treffen kann.

Ich glaube, dass wir das lernen werden. Dass wir die Herausforderungen dieser Zeit schaffen. Dass wir ein gutes Team auf diesem Planeten sein können. Und dass es gelingt, uns der Kraft der Phantasie, der Kreativität und des Geschenks der geistigen Freiheit gegenüber bewusst zu werden. Es braucht dafür nur eines – ein Erwachen im nächsten Level. Hass, Kampf, Krieg, Zwist hatten wir alles, war wenig erfolgreich aus Gesamtsicht, für Einzelne schon. Zukunft ist aber ein Gemeinschaftsprojekt, keine One-Man-Show. Erwachen wir. Besinnen wir uns auf unsere Kraft. Unseren Humor (den werden wir sowas von brauchen), unsere Werte und öffnen wir endlich diese Herzenstüren, die wir haben. Es ist jetzt an genau der Zeit.

Allen ein freundliches Wochenende mit vielen Momenten des Beschützt-, Behütet- und Geborgenseins.

 

Könnt ihr in Silkes Foto die Vögel auf den Ästen erkennen? Toll, oder? Danke für dein Foto, liebe Silke!

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