Dienstags-Nachdenk-Input

Verworrene Wege der Wahrheit – ja. Was ist die Wahrheit? Spannende Frage. Eine Mail kommt an, jemand beschreibt eine Situation seines Lebens. Nach Jahren Beziehung tauchen zwei erwachsene Kinder auf. Peng! Was bisher geglaubt wurde, trägt nicht mehr. Schock, Verwirrung. Wie umgehen damit?

Das Leben schickt uns oft sehr knifflige Aufgabenstellungen. Wir sind verwirrt, überfordert, unsere Werte werden hart in Frage gestellt, unsere Emotionen fahren Achterbahn. Nur – wie sollen wir etwas beurteilen, bei dem wir nicht anwesend waren? Ereignisse, die lange her sind, wer kann darüber noch die wahre Wahrheit berichten? Sind nicht alle Erinnerungen überfrachtet mit Kenntnissen, die wir im Lauf der Zeit dazugewonnen haben? Und wer vermag etwas zu beurteilen, wenn er nicht in den damaligen Schuhen eines anderen steckte? Diese Erkenntnis ist auch schwer anzunehmen, braucht viel Geduld, viel Freilassen, die Erlaubnis, gekränkt, betrogen, hintergangen zu sein, das zu durchleben, anzuschauen und zu entscheiden – was fange ich mit all dem an? Es gibt keine richtige oder gute oder passende Lösung für das Problem, es kann immer nur so gelöst werden, wie es die einzelnen Menschen vermögen. Manche können das Herz öffnen und die Familie vergrößern, bei anderen zerbricht die Beziehung an so einem Geständnis. Würden wir selbst für uns die Hand ins Feuer legen, dass wir keine Fehler machen, Mist bauen, den wir bereuen? Würden wir selbst fernab jedes Urteils und jeder Wertung agieren? Beides wohl nur eine Aufgabe für Übermenschen. Für Normalsterbliche gilt: erstmal durchatmen. Erstmal ein bisschen Abstand zur Frage gewinnen und dann ausrasten, rumschreien, weinen und sinnfreie Warumfragen stellen, total in Ordnung. Um dann, nach einer angemessenen Zeit der Wut, Trauer und all der anderen Gefühle, genau zu schauen, was war und die Frage zu beantworten, was sein soll. Nur so können Menschen sich neu finden, neu aufeinander zugehen und Neues wagen. Es kann miteinander wieder gut werden. Und es kann gut sein, getrennte Wege zu gehen. Jeder, wie es für ihn machbar ist. Aber erstmal durchatmen und innerlich einige Schritte zurücktreten. Mit heißer Nadel Gestricktes passt selten gut.

Allen einen Marstag voller Kraft und den Mut, Dinge klar auszusprechen, aber auch zu wissen, dass das Gegenüber seine ebenfalls berechtigte Sicht der Dinge haben darf.

Danke an Christoph für das Foto aus der Eremitage Arlesheim!

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