Die beste Therapie!

Der Blick in die Natur, befand Beethoven, beruhigt unser Gemüt in Bezug auf unsere to-do-Listen. Dem kann ich gut folgen. Ich halte Dr. Wald und Dr. Garten für die besten Therapeuten gegen jede Unbill im Leben. Wer in und mit der Natur lebt, hat jede Medizin um sich. Unsere Lebensweise verhindert recht erfolgreich, dass wir mit den Jahreszeiten leben. Wäre da nicht die Helligkeit oder besser gesagt die Tatsache, dass die meisten von uns nun wieder im Dunkeln aufstehen und es abends immer früher dunkel wird, würden wir vielleicht nicht zu viel bemerken, Klimaanlagen und ähnlichem Technikschnickschnack sei Dank.

Wer regelmäßig im Wald oder in seinem Garten unterwegs ist, hat viele Gelegenheiten, sich mit den Rhythmen der Natur zu befassen und in ihnen zu schwingen. In der Waldorfschule gibt es die Jahreszeitentische. Das sind kleine Eckchen oder Ständer, deren Dekoration eng mit der Jahreszeit zusammenhängt. Jetzt sind es vielleicht schon die Zierkürbisse oder die Lampionblumen, die bereits in vollen Rottönen leuchten, bald kommen die Kastanien dazu, die Nüsse, duftet eine pralle Quitte, liegt dort wie zufällig ein kleiner gebastelter Drache, wenn die Herbstwinde anheben.

Für mich bedeutet der Jahreskreis die Taktung durch die Festzeiten wie die Sonnwenden, Frühjahrs- und Herbstäquinox (Tag- und Nacht-Gleiche), dazwischen Maria Lichtmess, 1. Mai, Schnitterfest, Michaeli, Allerheiligen/Allerseelen mit ihren uralten Ritualen und Geheimnissen. Ich erlebe den Jahreskreis intensiv und bewusst und bin dankbar für die Erinnerung durch meinen Garten, dass wir stetig im Jahreslauf voranschreiten.

Ein Eimer herrlicher Zwetschgen fand am Wochenende den Weg zu mir, zudem Äpfel, alte Sorten mit Geschmack, den unser heutiger Einheitszuchtbrei nicht schaffen kann. Zwetschenkompott ist eingemacht, im Winter ist jedes Glas ein Spätsommergruß. Der Dörrautomat surrt rund um die Uhr und beschert uns Apfelringe. Daraus lässt sich vieles machen. Von Apfeltee über Müslizutat bis feine Knabberei zwischendurch. Das alles macht sehr viel Arbeit, das stimmt. Eine gefüllte Speisekammer erfreut mein Herz, weil ich weiß, dass die Mühen des Sommers und Herbstes belohnt werden. Einfach ein Glas aufmachen und genießen. Etwas, das direkt vor dem Fenster oder bei lieben Freunden gewachsen ist, verspeisen. Sich an die Stunden des Gießens, Jätens erinnern. Wenn eine Saftflasche geöffnet wird, wissen wir, wie heiß es war, als wir kurz vor Mitternacht Berge von Johannisbeeren abzupften fürs Entsaften. Dass die Brombeerernte ein Kampf gegen Stacheln und Wespen war, auch die Stachelbeere hat sich gut gewehrt, während der Holunder geizig war. Das sind Momente, in denen etwas von dem spürbar wird, was man unter „eigener Scholle“ versteht.

Wir sehnen uns alle nach Verbundenheit. Dass Verbundenheit bedeutet, sich auf etwas oder jemanden einzulassen, die Bereitschaft, den oder das Andere, vielleicht sehr Fremde, in sein eigenes Leben einzuladen, die Komfortzone zu verlassen, ist uns oft zu viel Arbeit. „Man ist zeitlebens für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat“, belehrt der Fuchs den kleinen Prinzen. Wenn ich Verbundenheit erleben will, ist meine Aufgabe im Sinne von Saint-Exupéry, dass ich mich auf den Prozess des Zähmens einlasse, Verantwortung übernehme und damit belohnt werde, dass mich das Blond eines Menschen an ein Weizenfeld erinnert, über das die Sonne ihre Strahlen schickt.

Womit bist du verbunden? Welche Ernte wirst du in diesem Jahr einfahren können, sei sie ganz real im Glas, in Flaschen, im Tiefkühlfach, sei es im übertragenen Sinn? Worauf soll die Sonne noch einmal scheinen, damit die Trauben reifen?

Allen einen belebten Merkurtag.

Steffi schickte dieses wunderbare Foto unserer Natur. Danke.

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