Monthly Archives: September 2021

Mein und Dein, das ist hier die Frage

Das Leben bietet jeden Tag eine Fülle an Überraschungen. Gute und weniger gute, bunt gemischt. Eine bislang noch nie dagewesene erlebten wir, als wir neulich aus dem Fenster auf den Pflaumenbaum schauten und feststellen durften, dass er sich über Nacht seiner Pflaumen entledigt hatte. Sie waren nicht auf dem Boden. Die Wespen haben genug mit den Äpfeln zu tun, die waren es auch nicht. Der eingedrückte Minizaun und die plattgetretenen Rosen zeugten eher von anderem. Nun, seit acht Jahren warten wir auf die erste Ernte, denn der Baum ist etwas Besonderes – er ist eine Züchtung zwischen Pflaume und Schlehe. Dieses Jahr hing er das erste Mal wahrhaft voll und wir freuten uns auf den Kuchen daraus. Wir vermuten, dass jemand anderes nachts überraschend Besuch bekam und schnell einen Zwetschgenkuchen machen musste. Wir hoffen, dass das ein Versehen war und aus Not, denn auch wenn jemand keinen meterhohen Zaun mit Flutlichtanlage und Sirene auf seinem Grundstück hat, um klarzumachen, wo Mein und Dein beginnt, gehört es sich absolut nicht, anderer Menschen Gärten als Selbstbedienungsladen zu betrachten. Unrecht Gut gedeihet nicht.

Werte – wie oft haben wir an dieser Stelle darüber schon geschrieben. Werte sind das Skelett einer Gesellschaft. Nur wenige Prozent der Bundesbürger befassen sich mit Werten (wie man leider sieht). Frage ich Menschen, welche Werte ihre wichtigsten sind, kommt oft wenig an Antworten. Dinge wie Gleichheit und Fairness, wenn jemand Sportler ist, das wird geantwortet. Oder es kommt die vorsichtige Frage: Was für Werte meinst du? Dax, Aktien? Öhm, nee, sowas wie Authentizität, Freundlichkeit, Demut, Respekt … ach so! – Darüber habe ich noch nie nachgedacht.

Neben „Wie sorge ich für Glück und Zufriedenheit“ gehören die Fächer „Werte“ und „Würde“ auf jeden Schulplan. Wissen pumpen wir uns in Zukunft mehr und mehr online und im Selbststudium hinein, aber die Grundlagen einer menschenwürdigen Welt müssen wir von klein auf legen. Dann ist mehr Frieden und Wertschätzung allerorten.

Einen kraftvollen Marstag allen.

Herbst!

Dies ist ein Herbsttag!!

 

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.

 

Christian Friedrich Hebbel, 1813-1863

Das erste Mal

Jedes Mal ist es etwas Besonderes, wenn Menschen zum ersten Mal Aufstellungen erleben. An diesem Wochenende gab es gleich zwei Premieren: Wir hatten das erste Mal auch in der Therapeutenausbildung das Thema Spiral Dynamics (beim WeltenWandlerProjekt ist das immer mit dabei) und die ersten Aufstellungen. Mir fällt auf, wie selbstverständlich für uns der Umgang mit vielen Themen wie Spiral Dynamics, Integrale Arbeit von Ken Wilber, Wertemodelle, Persönlichkeitsentwicklung ist. Ich darf immer umdenken, wie sich das alles anhört, wenn man das noch nie gehört hat. Das ist hilfreich, denn dadurch beginne ich jedes Mal mit dem Thema erneut, erstaunlicherweise lerne ich dadurch eine Menge. Wiederholung hat noch nie geschadet, wenn man etwas vertiefen will.

Am Abend kam dann ein weiterer Baustein in meiner eigenen Fortbildung dazu, so langsam baut sich etwas auf, das auf solidem Boden gründet und sich immer weiter verfeinert. Das Meiste, was mir bislang noch nicht bewusst oder auch neu war, fließt ohnehin gleich mit in die tägliche Arbeit ein, besser kann ich es nicht haben. Was ich neu erlerne gleich anwenden können und auf offene Klientenohren dafür stoßen macht einfach tiefste Herzensfreude.

Unsere Entscheidungen, die wir in Bezug auf die Entwicklung unserer Schule vor einer knappen Woche getroffen haben, runden sich. Wir nehmen uns immer wieder unsere Notizen vor, vertiefen, verfeinern, die ersten konkreten und wegweisenden Schritte sind unternommen. Jetzt kommt die Konzeptarbeit für zwei große Ausbildungen. Die Programme stehen nun, jetzt darf alles auf umsetzbare Einheiten heruntergebrochen werden. Die müssen gut in sich machbar und abgeschlossen sein, einer Struktur und inneren Ordnung folgen und sinnvoll nacheinander kommen. Das macht mir wirklich Freude, aus dem, was ich alles vermitteln möchte, die entsprechenden Themenblöcke und Sequenzen festzulegen. Wenn das geschafft ist, besteht meine Arbeit darin, die Inhalte zu schreiben. Der letzte Schritt ist die Umsetzung, der Unterricht. Das sind meine Beiträge in unserer Schule. Christoph denkt über seinen Anteil nach, seine Aufgaben beziehen sich auf die technische Umsetzung, grafische Gestaltung meiner unleserlichen Skizzen und vieles mehr, was man erstmal nicht wirklich sieht und dennoch die halbe Miete ist.

„Und allem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“, heißt es bei Hermann Hesse. Das merke ich, wenn ich ans Neugestalten eines Kurses gehe. DAS ist reine Freude. Und dann richtig, richtig viel Arbeit, damit es hinterher leicht und locker ausschaut. Was habe ich für ein Glück, dass ich genau das tun darf, was mir am Herzen liegt. Das wünsche ich allen Menschen!

 

Einen guten Start in eine neue Woche. Für viele Kinder nun auch wieder Beginn des neuen Schuljahrs, die Azubis haben die ersten harten 14 Tage geschafft. Habt Freude bei eurem Tun und von Herzen wünschen wir allen beste Lehrer, Ausbilder und Mentoren.

 

Haus Duldeck. Beton muss nicht langweilig sein.

Harmonie

Architektur ist (…) Harmonie und Einklang aller Teile, die so erreicht wird, dass nichts weggenommen, zugefügt oder verändert werden könnte, ohne das Gesamte zu zerstören.

Leon Battista Alberti in: De Re Aedificatoria, 1452

Im Treppenhaus des Goetheanums in Dornach kann man nachvollziehen, was Alberti gemeint hat.

Schwere Geburten

 

Das erste Kurswochenende steht vor der Tür. Wir freuen uns, es ist ein vorgezogenes für die Teilnehmer, die bald ins zweite Cardea-Jahr starten und wir möchten vorab das Thema Aufstellung/systemische Arbeit praktisch angehen. Brett und Kissen, Zettel und Team – wir werden uns durchprobieren und jeder kann seine Fragen auf vielleicht unerwartete neue Weise anschauen.

Die Lerngruppe ist letzte Woche wieder losgegangen, damit auch alles rechtzeitig vor der Oktoberprüfung durchgegangen werden kann. Wer noch mitmachen will, kann sich gern melden.

Die Herbstkurse füllen sich – wer mit einsteigen möchte in die Cardea-Ausbildung oder den als Selbsterfahrung bestens geeigneten „Carl Rogers“-Kurs belegen mag, darf sich sehr gern anmelden, es gibt nur noch wenige Plätze. Wir arbeiten in kleinen Gruppen, damit wir intensiv arbeiten können.

In der Praxis geht es nahtlos weiter. So viele Menschen sind er-schöpft, leer, ausgebrannt und wollen sich doch gut ausrichten, bevor der Winter kommt und das Hamsterrad überall wieder im Schwung ist. Verunsicherung ist spürbar. Wo geht es hin mit diesem Land, der Welt, einem selbst? Das sind großartige Fragen. Wir sind in einem großen Prozess der Entstehung von Neuem, schöpferische Prozesse sind schwere Geburten. Wir sind nicht geübt im Neugestalten der Welt und das macht vielfach Angst.

Wichtige Helfer im Moment: Viel und ausreichend schlafen. Möglichst gute Ernährung, viel bewegen. Weg von zu vielen Medien und Beeinflussungskanälen, die nur unser Gehirn erweichen. Lesen, Nachdenken, bei sich ankommen. Ruhe üben und Mitte spüren. Natur, Natur, Natur. Gut atmen. Sich mit Menschen austauschen, die einem eine Quelle der Freude und Inspiration sind. Keine Energievampire ins System lassen. Dankbarkeit und Mitgefühl sowie Freude und Stille kultivieren. Der Sehnsucht nach dem Schönen, Wahren und Guten folgen.

Allen ein inspiriertes und freundliches Wochenende.

 

Zauberhaft, oder? So kann ein Gebäude in einem Krankenhaus auch aussehen. Dieses hier steht im Garten der Klinik Arlesheim (Ita Wegman Klinik) und dieses Gelände ist mein wichtigster Kraftort auf dem Planeten.

Neuanfänge machen Spaß

Nun kommen der zweite Seminarherbst und –winter seit der Pandemie. Zeit also, die Erfahrungen der letzten Jahre und die Resultate aus sehr vielen Gesprächen und Bergen an Literatur zum Thema in den letzten Monaten zusammenzutragen.

Wenn wir Grundsatzentscheidungen zu treffen haben und den Metablick auf alles unternehmen möchten, gibt es für uns keinen besseren Kraftplatz als das Goetheanum in Dornach bei Basel, der Hochschule für Anthroposophie (und vielem mehr).

Am Ankunftstag stand erstmal ein Theaterbesuch an – Homers Odyssee hätte nicht besser passen können. „Take the long way home“, perfekt auf die Bretter der Welt gebracht von der wie immer grandiosen Jungen Bühne. Nach der Vorstellung sind wir sehr still lange im Garten des Goetheanums unterwegs gewesen, bis die Sterne blinkten, um alles sacken zu lassen, genug Abstand zu allem, was in unserem Leben gerade außenherum so los ist, zu finden und gut auszuruhen, damit der erste Arbeitstag gut startet.

Dank der Caféteria in der Wandelhalle und der Tatsache, dass man da restlos ungestört arbeiten, reden, denken kann, haben wir alle Lieblingstische durchgemacht. Einer stand für die Gegenwart, einer für die Zukunft, so dass wir gut von der Zukunft her arbeiten konnten. Da nutzen wir dann gern verschiedene Zeitfenster, nahe Zukunft und fernere, damit wir viele Blickwinkel haben.

Dann kommt ein Pausentag, den haben wir uns in Basel gegönnt mit gutem Essen, Museumsbesuch bei good old Böcklin, was sonst!!!, und dem Aufsuchen diverser Läden, um alle Bestellungen nach Tee und Leckerli abzuarbeiten. Als Krönung natürlich die Buchhandlung am Goetheanum (nachdem wir bereits bei Bider und Tanner Stunden verbracht hatten. Nimmt man nur die Zeit in Buchläden, waren es gute sechs Stunden, dazu vier im Museum und eine in der Stadt :-)) Soviel zu Prioritäten in unserem Leben). Während man so geht und schaut, klärt sich nochmal sehr vieles, wozu auch das Überschlafen zweimal beiträgt.

Der Mittwochmorgen stand nochmal im Zeichen der Reflektion: Haben wir einen klaren Blick? Sind die Aufgaben alle benannt? Konsequenzen best und worst case angesprochen? Ängste und Bedenken formuliert? Ist jedem klar, was zu tun ist? Das braucht nochmal einen halben Tag mit viel Gehen im Park. Danach war Mittagessen in der Ita Wegman Klinik der beste Abschluss (ich sage nur: Eclairs gibt es nirgendwo besser). Zur Krönung eine Ausstellung mit Bildern aus Mittelerde!!

Ab auf die Autobahn. Auf der Heimfahrt konnten wir dann alles nochmal fünf Stunden lang (Danke, Staus) sacken lassen. Dann ist der Kopf wirklich aufgeräumt. Sehr hilfreich. Und dank des Tee- und Eissortiments am Goetheanum und der Backkunst der Schweizer in Bezug auf Gipfeli aller Art ist jeder auf seine Kosten gekommen.

Jetzt können wir Schritt für Schritt an die Umsetzung gehen. Das ist viel Arbeit, großartige, weil die Fahrpläne geschrieben sind. Ihr könnt euch vorfreuen. Es wird nach und nach viel Neues geben und das Beste – das Nautilusprojekt steht als Bauplan. Die Inhalte sind festgezurrt. Jetzt geht es Step by Step voran. Wir hatten enorm viel Freude beim Ausarbeiten und hoffen, dass das beim Ergebnis bei euch so ankommt. Mehr Infos, wenn das Ei bebrütet ist. Gelegt ist es jedenfalls endlich in Ruhe.

 

Auch die Homepage war Bestandteil unserer Arbeitsphase. Was wird wo sein? Was ändert sich, was bleibt? Auswertung von Zahlen und Fakten, Daten und persönlichen Eindrücken. So mancher Kaffee und Tee musste dran glauben in diesen Tagen. Da wir auf diesen Kraftort zum Entscheiden getrimmt sind, ist das System auch wahrhaft eingenordet an diesen Tagen. Da sind wir extrem fokussiert und konzentriert.

Finde die Kraft!

Ich kann in mir die Kraft finden, einen höheren Menschen aus mir erstehen zu lassen.

Rudolf Steiner, 1861–1925

Heizhaus und Glashaus am Goetheanum, beide 1914 fertiggestellt, im Abendsonnenlicht.

Ohne Rhythmus kein Leben

Alles im Leben ist Wandel, bewegt sich zwischen Ein- und Ausatmen. Das erleben wir rund 25920 Mal am Tag am eigenen Körper, dann ist ein Erdentag vorbei. Die Sonne braucht rund 25920 Jahre, um den Tierkreis zu durchwandern – das platonische Weltenjahr. Was die Sonne im Kosmos tut, macht unsere Lunge im Kleinen jeden Tag in uns. Die Geste ist unterschiedlich groß und dennoch vergleichbar, Mikro- und Makrokosmos entsprechen sich an vielen Stellen.

Wir merken nicht mehr, wie sehr wir als Menschen in die kosmischen Rhythmen, in Rhythmen überhaupt eingebettet sind. Wir agieren häufig unwissentlich gegen unseren eigenen Rhythmus und zwingen ihm einen langfristig tödlichen Takt auf. Wir schwingen in 90-Minuten-Rhythmen mit Pausen dazwischen durch den Tag. Wer gegen seine innere Natur arbeitet und statt der notwendigen Durchatemmomente mit Kaffee und anderem gegen ein Tief agiert, handelt gegen das, was in uns das Leben ausmacht, er schwächt sich körperlich, seelisch und geistig.

Alles ist Rhythmus, Rhythmus trägt Leben. Das ist kein stets gleicher Zeitraum, sondern lebendig, so, wie wir draußen Rhythmen erleben und doch nicht am 1. März alle Knospen aufbrechen und am 1. September die Blätter kollektiv bunt werden. Alles schwingt im eigenen Atem, hat seine Zeit und kann nicht beschleunigt werden, ohne dass es etwas kostet. Uns langfristig übrigens das Leben und die Freude daran.

Ein Wochenende ist ein schöner Zeitraum, in dem man den eigenen Rhythmen nachspüren kann. Schlafe ich genug? Wache ich frisch und munter auf? Kann ich mich 90 Minuten auf eine wichtige Sache fokussieren oder schweife ich permanent ab, wie wir es uns mit unserer Taschenkobold-vernetzt-mit-der-Dummheit-Welt angewöhnt haben? Pausen sind wichtig. Ausschalten aller Geräte macht Sinn. Die Grafik draußen ist besser.

Gönne dir zwei Tage, in denen du deinem inneren Rhythmus folgst. Atmest. Loslässt. Atmest. Bist. Atmest. Lächelst. Dinge in deinem Tempo tust. Lässt, was nicht unbedingt getan sein muss. Pausen sind Auflademomente für Körper, Seele und Geist. Frische Luft, Bewegung und viel Ruhe sind Geschenke, die du dir vielleicht machen kannst. Oder wo du schauen kannst, wenn du viel um die Ohren hast – wer kann für eine halbe Stunde übernehmen und du ruhst auf einer Bank aus und schaust in die Wolken?

Jeder Moment, in dem du bewusst atmest und immer wieder bei dir ankommst, in deinem Herzen und in unserem unruhigen Affengeist Stille einkehren kann, ist Leben.

 

Ein schönes Wochenende!

 

Steffi ist dem speziellen Morgenlicht in dieser Jahreszeit für uns begegnet. Vielen Dank!

Nicht wundern – erst am Donnerstag gibt es wieder Input an dieser Stelle. Bis dahin möchte wir über viele Dinge nachdenken, denn so viele Ideen kreisen im Kopf und brauchen nun Raum. Dazu braucht es Ruhe und Stille, dann kann sich vieles klären und finden.

Atemholen

Aus dem West-Östlichen Diwan

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:

Die Luft einziehen

Sich ihrer entladen.

Jenes bedrängt, dieses erfrischt.

So wunderbar ist das Leben gemischt.

Du danke Gott, wenn er dich presst,

Und dank ihm, wenn er dich wieder entlässt.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832

Atem holen kann man hervorragend am Meer. Steffi hat zudem noch ein Foto mitgebracht. Danke!

Sei doch mal nett zu dir

Herzenshärte – ist das nicht ein wunderbar zutreffendes Wort? Manchmal begegnen uns Menschen, deren Herz hart geworden ist. Oft gibt es Gründe dafür, manchmal erfahren wir es nie. Die Menschen im Umfeld des harten Herzens tun sich schwer mit ihrem Mitmenschen, denn er kann lieblos, abwertend und verletzend sein. Letztlich schiebt er sich immer mehr selbst an den Rand und wird zu dem, was er immer befürchtet hat. Darum „achte auf deine Gedanken …“.

Es macht Sinn, immer wieder am Tag einen Moment inne zu halten und Seelenhygiene zu betreiben: Wo bin ich gerade im Herzen hart? Sehr häufig sind wir das uns selbst gegenüber, weil wir ja gern unser härtester Kritiker sind und uns tagein, tagaus gnadenlos bewerten und verurteilen. Ich gebe zu bedenken: Wenn du 24 Stunden am Tag mit dir in deinem Kopf zusammen bist, also verbunden ohne die Chance auf Ruhe: Weshalb verhältst du dich, wie es dein schlimmster Feind nicht tut? Aus welchem Grund hasst du dich so, dass du dich dauernd beschimpfst? Lass es sein, es gehört zu den Gewohnheiten, die aus Menschen hartherzige und gnadenlose Wesen machen. Wir schaden damit am meisten uns selbst.

Wie können wir zu einer guten Seelenhygiene kommen? Die Klöster zeigen es seit Jahrhunderten mit „ora et labora“ – es gibt Zeiten der Tätigkeit und Zeiten des Gebets. Wir würden das heute vielleicht Achtsamkeit/Meditation nennen oder mit dem alten Wort Seelenhygiene verbinden können. In diesen Augenblicken prüfen wir unsere Gedanken. Sind sie wahr? Sind sie gut? Sind sie von Bedeutung oder bewegen wir Gedankenpupse übelster Art, deren wir uns rasch entledigen sollten? Wir pflegen gern unsere „geistigen Negativblähungen“ und belästigen damit uns und andere. Weg damit.

Fangen wir an, wahrzunehmen, was wir denken. Prüfen wir: Bringen uns diese Gedanken weiter, machen sie uns fröhlich, ruhig, tüchtig oder verankern wir uns im Negativen, in der Angst, der Zerstörung letzten Endes? Wo wirst du deinen Gedankenanker werfen – am Ufer der Hoffnung, Zuversicht und des Vertrauens oder im Meckern, Ablehnen und dem Hass? Dem Anker ist es gleich. Die Konsequenzen trägst du.

Nimm den Besen und kehr die „Ja abers“ aus dem Kopf, die „eigentlichs“ und negativen Schleifen. Schaffe Raum für Ruhe, Stille und Dankbarkeit. Wer noch nicht geübt ist, kann schlichtweg statt der normalen Negativschleifen das Zauberwort „Danke“ wiederholen. Schau, was geschieht.

Allen einen liebevollen ersten Freitag im September 2021.

 

Sigrid hat den gelandeten Anker entdeckt. Vielen Dank!

Wider die Herzenshärte

Herzenshärte ist das Schändlichste von allem, weil sie keine Barmherzigkeit kennt, nichts von Liebe wissen will und weil sie nichts Gutes wirken kann.

Hildegard von Bingen, 1098-1179

Echinacea – Sonnenhut. Eine mächtige Medizin im Hausgarten. Sigrid hat genau hingeschaut mit der Kamera. Herzlichen Dank!

Schluss mit lustig

In diesen Tagen stellt sich bei uns Menschen innerlich etwas um. Wir spüren die Vorboten der nächsten Jahreszeit. Die meisten Bundesländer schicken ihre Schulkinder morgens wieder los, bald ist es auch hier soweit. Alltag kehrt vielerorts ein. Dennoch ist 2021 anders, anders auch als 2020.

Die Menschen sind nervlich schlechter aufgestellt. Sie sind müder, zermürbter, immer weniger können die Fassaden des „Tschakka“ und „alles fit im Schritt“ dem genauen und aufmerksamen Blick eines liebevollen Gesprächspartners standhalten. „Ich habe keine Ahnung“, „ich weiß es nicht“ – solche Sätze hätten wir uns vor zwei Jahren kaum getraut. Jetzt können wir uns eingestehen, dass wir eben wirklich jede Menge nicht wissen. Manchmal ist es viel schwerer, eine schwankende Showfassade aufrecht zu halten als zu sagen: Ich bin gerade ratlos.

Den meisten Menschen macht es Angst, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir das zu keinem Moment im Leben. Wir glauben immer nur zu wissen, dass wir alle noch sooo viel Zeit haben, wenn erstmal der Urlaub, die Rente, bliblablubb am Start sind, dann starten wir sowas von durch und machen endlich das, was wir wollen. Am Ende liegen wir auf der Abschussrampe ins Jenseits und klammern uns ängstlich an den Lebensrest, weil wir bemerken, dass wir nichts von dem gemacht haben, was uns wirklich wichtig ist. Als die Kinder klein waren, waren wir mit Karriere beschäftigt, als die Enkel kamen, haben wir den dritten Beruf ergriffen und versucht, die Rente aufzustocken, im Sommer war es zu heiß für Garten, im Winter zu nass für frische Luft, Hamsterrad als Sicherheit, Augen zu und durch.

Zeiten wir diese enttarnen unsere potemkinschen Dörfer. Wir hören langsam auf, die Fototapete unserer Fantasiewelt für die Wahrheit zu halten. Die Sehnsucht nach dem Wahren, Schönen und Guten steigt. Second-hand-Leben ade, die Serienhelden sind keine Identifikationsfiguren mehr, die ein Leben leben, zu dem wir keinen Mut haben.

Ich finde, dass das eine wunderbare Chance ist. Machen wir uns ehrlich klar, wer wir sind. Was unsere Schwächen, Stärken sind. Unsere Werte. Wer uns wahrhaft am Herzen liegt. Mit welchen Menschen wir leben möchten und welche uns nur Nerven, Kraft und Lebensfreude rauben und wo vielleicht Abstand richtig wäre. Wenn wir im tiefsten Herzen ehrlich sind, entdecken wir die Stimme, die immer da war und uns gesagt hat – Mehr Schlaf. Mehr Bewegung. Trink nicht so viel, lass das Rauchen und die Süßigkeiten. Warum machst du diese Arbeit, wenn sie für dich nur ein Job ist? Reicht das für 48 Arbeitswochen im Jahr oder ist da mehr drin? DAS sind gute Fragen. Fragen sollten die gesamte Gesellschaft durchdringen – wie gehen wir mit dem maroden Schulsystem um, mit unserer Wirtschaft, dem Sozialleben? Was können weltweit neue Werte werden im Umgang mit anderen Menschen, Völkern, der Natur und dem Warenaustausch?

Entweder sind wir bereit zum großen Kassensturz und Neuanfang, der alles betrifft, oder das Schiff schwankt weiter über die Wellen des Weltmeeres und die müde desillusionierte Mannschaft schöpft mit Kaffeelöffeln das eindringende Wasser weiter aus. Es beginnt bei jedem Einzelnen, sich jetzt die richtigen zielführenden Fragen zu stellen. Richtige Fragen sind Entwicklungshelfer. Sie sind nicht bequem, sie zeigen, worum es wirklich geht. Was sind deine Fragen? Was in dir antwortet darauf?

 

Allen einen erkenntnisreichen frohen Jupitertag.

 

Bald leuchten die Herbstfarben so klar wie auf Steffis Bild. Klarheit tut vielleicht erstmal weh, ist langfristig jedoch hilfreich. Danke für dein Foto, Steffi!

Es ist Zeit

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;

gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird in den Alleen hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

Seit Wochen freue ich mich auf diesen Post. Er muss einfach einmal im Jahr sein. Steffis Foto stimmt uns fein auf den Herbst ein. Dankeschön!