Monthly Archives: Juni 2019

Feiertags-Nachdenk-Input

Der heutige Tag sei Dank des morgigen Feiertags ein kleiner Freitag, lese ich soeben. Vermutlich bezieht sich das auf Wochen von Menschen, die Freitag mit Wochenende = freie Zeit verbinden. Ich bin privilegiert, weil ich meine verschiedenen Arbeitsbereiche, Praxis und Kurse am Wochenende, liebe und von daher jeder Tag die besten Chancen hat, dass ich mich auf ihn freue. Spannender finde ich die Frage, ob ich immer wahrnehme, welche Qualitäten einzelne Tage haben. Ein Montag hat andere Einflüsse als ein Freitag und der heutige Mittwoch zeigt, was er drauf hat – er ist Merkur gewidmet, dem Götterboten, ist mit Quecksilber assoziiert und das springt bekanntlich in alle Richtungen davon, wenn man ein Quecksilberthermometer fallen lässt. An manchen Tagen kann man diese unterschiedlichen Qualitäten gut aufnehmen.

Ganz überraschend für alle kam heute die sechste Operation innerhalb von drei Wochen für meinen Bruder. Am Tisch brennt die Kerze, dass alles gutgehen möge. Natürlich kann man sich an vieles gewöhnen, auch an Operationen, aber sechs in der Zeit sind too much, zumal weitere OPs im Familienkreis anstehen. Es wird unser Rekord-OP-Jahr, wenn das so weiter geht und vermutlich hätten alle auf alle OPs gern verzichtet. Für mich spannend – was ergibt sich daraus? Werden Verbesserungen erzielt? Gelingt es, Prozesse aufzuhalten oder erweisen sich die Versuche mit dem Skalpell als ebensolche? Wie gut sind Immunsysteme und welche Rolle spielt die innere Einstellung? Bisschen viele Feldversuche im Moment, aber es nutzt nichts, Dinge sind, wie sie sind und verlangen von uns die Flexibilität, damit umzugehen. Manchmal gelingt das. An anderen Tagen nutzt auch die kreativste Haltung nichts. Dennoch werden die schwarzen Johannisbeeren reif, dreht sich Welt. Gelegentlich braucht es eine sehr weite Metaebene, um Abstand zu bekommen und nicht eingesogen zu werden. Da ist es ein hervorragender Plan, dass ich jetzt alles umkremple und (nein, keine Übersprungshandlung, sondern den morgigen Tag freischaufeln, um in die Klinik gehen zu können) und das Haus putze. So war der Plan nicht gewesen, aber so wird es sein.

Allen einen frohen Feiertag und kleine oder große Donnerstage und Freitage.

Danke an Theresa für das Foto vom Rathaus in Hannover!

Mutig gespannte Segel

Der Träge sitzt, weiß nicht ein noch aus, und über ihm stürzt ein das Haus; doch mit mutig gespannten Segeln munter fährt der Frohe das Leben hinunter.

Ludwig Tieck, 1773 – 1853

Danke an Theresa für das Foto!

Mittwochs-Nachdenk-Input

Spannend, was für eine Wundertüte Tage sein können. Manche enthalten Dinge, die einem gänzlich unbekannt sind, Thesen, die den Horizont erweitern oder einen sprachlos mit offenem Mund zurücklassen. Gespräche, die andere Wege nehmen als gedacht und zu erstaunlichen Erkenntnissen und Zielen führen. Vertrautes wie Staubsaugen, Boden wischen, Salat schnippeln. Anrufe gehen ein, Mails, verlangen nach Antworten, Termine werden gebucht und möchten bestätigt werden. Welke Rosen warten aufs Abschneiden. Blütenberge auf dem Weg wollen gefegt sein. Wäsche wird auf- und wieder abgehängt. Dazwischen erfährt man von Geburten und Todesfällen. Diagnosen werden berichtet. Manche sind gut, besser als befürchtet, andere sind schrecklich und es gibt kaum etwas darauf zu sagen. Ich sehe Babyfotos und werde gefragt, welchen Text ich für eine Trauerkarte wählen würde.

Die Welt an einem Tag. Die gesamte Bandbreite von Geburt bis Tod. Von Schmerz bis Freude.

Pausenanker zwischendurch: Bücher. Sie helfen, mich wieder einzunorden, die Mitte zu finden. Oft sind es Sachbücher. Oft ein Band mit Rilke. Es gibt Bildbände, die habe ich tausendmal in der Hand gehabt, weil sie immer wieder schön sind. Eine restlos zerfledderte handgeschriebene Ausgabe des Tao te King. Hunderte Notizzettel in Boxen mit „wichtigem Inhalt“. Nach meinem Aufenthalt in der „blauen“ Welt gibt es dann wieder die rote Pille. Willkommen in der Realität. Gut, wenn man zwischen Welten wandern kann.

Was ist DEIN Lieblingsbuch? Gibt es eines, das dich lange schon begleitet? Warum?

Allen einen feinen Wochenteilungstag.

Danke an Theresa für das Foto vom Jakobsweg.

Dienstags-Nachdenk-Input

 

Wer einmal im Sommer lange wandernd unterwegs war und hat eine Quelle im Wald entdeckt, die aus dem Felsen springt, weiß um das Wunder von Wasser. Nicht umsonst wurden Quellen stets für heilige Orte und in höchsten Ehren gehalten, damit sie sauber und rein bleiben, denn jeder Tropfen, der an der Quelle seine Reise aufnimmt, hat als Ziel das weite Meer.

Für uns Menschen sind Quellen im übertragenen Sinn lebenswichtig. Aus welcher Quelle schöpfe ich meine Kraft? Was sind meine Inspirationsquellen, die meiner Seele Nahrung geben und sie stärken? Welche Quellen an Verbundenheit darf ich erleben in meinem Alltag, die mich auffangen, wenn ich falle?

Gern übersehen wird eine wichtige Frage: Wo bin ich selbst Quelle und wofür? Was habe ich der Welt zu geben? Was ist mein Geschenk an den Planeten und meine Mitmenschen? Wir sind ja gern im Anspruchsmodus, fordern nervtötend und machen andere für unser Glück zuständig. Dabei beginnt alles mit der Entscheidung, selbst Quelle zu sein. Im Badge des Fürsten of Wales (das ist derzeit Prince Charles) findet sich seit dem 14. Jahrhundert der Spruch „Ich dien“, geziert von drei Straußenfedern in einer einfachen Krone. Bis heute wissen wir nicht genau, auf was „ich dien“ zurückgeht, es gibt zwei Theorien. Die eine besagt, dass Edward of Woodstock diesen Wahlspruch dem Wappen von König Johann von Luxemburg übernommen habe, der als besonders tapferer Ritter galt. Die andere Theorie leitet es vom walisischen eych dyn ab, was wir mit „your man“ gleichsetzen können.

Mir gefällt „ich dien“ sehr gut, denn genau das ist es, was unsere Aufgabe ist. Dienen. Das hat nichts mit Hampelmann, sich klein machen oder sonstwas zu tun, sondern beschreibt einzig und allein, dass wir auf dem Planeten im Dienst einer inneren Aufgabe sind, der wir dienen. Wem oder was dienst du?

Allen einen spannenden kraftvollen Marstag.

 

Danke an Ursula für das feine Waldfoto.

Wasser ist Leben

Das Prinzip aller Dinge ist Wasser. Aus Wasser ist alles und ins Wasser kehrt alles zurück.

Thales von Milet, 625–545 v. Chr.

Danke an Sandra für das unglaubliche Delfinfoto.

Montags-Nachdenk-Input

Ab und an muss es das sein – das Abtauchen in andere Welten. Das Öffnen eines Buchdeckels (herrlich, ein Buch anzufassen, das einen Deckel hat, einen Umschlag, vielleicht ein Lesebändchen, einen Vorsatz, auf den man sein Exlibris kleben kann) ist der Sprung in eine möglichst spannende Welt, so weit weg, dass man weder das Läuten eines Telefons hört noch darüber nachdenkt, ob eine Mahl-Zeit wäre oder die Wäsche trocken auf der Leine hängt. DAS ist das Geheimnis guter Bücher. Manchmal vergesse ich die Magie bedruckten Papiers, vor lauter Sachbüchern, die ich seit Jahrzehnten lese. Doch immer wieder schafft es ein Buchbuch, also eines, das nur zur Freude geschrieben ist, in meine Hand und einer, der das regelmäßig schafft, was den Buchautoren meiner Kindheit fast immer gelang, ist Walter Moers mit seiner Zamonienwelt. Ob es Rumo ist, 13 ½, Die Stadt der Träumenden Bücher, Das Labyrinth der Träumenden Bücher oder das tragische Schicksal von Prinzessin Insomnia, stets gelingt es mit den ersten Sätzen, den berühmten Sog zu erzeugen, der die reale Welt ausschaltet und einen atemlos Seite um Seite umschlagen lässt, bis man seufzend wehmütig den hinteren Buchdeckel zuklappt.

Da wird mir immer wieder bewusst, dass wir Menschen so dringend Geschichten brauchen. Geschichten, die uns fesseln, ermutigen, zum Lachen und zum Weinen bringen, irgendwie bessere Menschen aus uns machen, deren Worte uns Leben einhauchen und deren Esprit uns wachsen lässt. Da merke ich die Macht und Magie von Worten und landet beim Johannesevangelium – Am Anfang war das Wort. Ja, okay, gewaltiger Bogen, aber wenn wir bedenken, dass es oft Worte sind, die unser Herz jubeln lassen, uns in die tiefste Angst treiben, in Hass, in Not, ins Glück, wird klar, wie wichtig es ist, auf die Worte gut aufzupassen, damit sie keinen Schaden anrichten. Immer schafft man das nicht, aber vielleicht gönnen wir uns an diesem Montag mal die feine Übung, auf unsere Worte gut aufzupassen und die drei Siebe des Sokrates mitzunehmen – ist die Geschichte wahr, gut und wichtig? Allen einen wortstarken Montag.

 

Bücherdrachen-Wissen

„Wer einmal gelernt hat, in der Melancholie zu Hause zu sein, der kann es selbst in der schlechtesten aller Welten aushalten. Gute Lektüre, schwarzen Humor und gesunde, gut abgehangene Melancholie, mehr braucht man eigentlich nicht.“

Der Bücherdrache, in:  Walter Moers Roman „Der Bücherdrache“, ein Roman aus Zamonien von Hildegunst von Mythenmetz

Danke an Sandra für das Foto eines Fundstücks im Meer. Vielleicht direkt aus Zamonien angeschwemmt.

Wochenend-Nachdenk-Input

Leonardo da Vinci brachte es gut auf den Punkt – ein unbenutzter Geist verkommt. Offenbar ist Denken anstrengend. Die meisten Menschen besitzen ein Gehirn, haben aber die Vorstellung, dass es durch Benutzung schrumpfen könnte und schonen es deshalb. Die Natur kennt eine Regel: use it or loose it, also: benutze es, oder verliere es. Sprich: Das Gehirn ist unser effizientester Mitbewohner im Körperland. Es ist darauf perfektioniert, alle Abläufe in kürzester Zeit auf maximales Energiesparen zu bringen, sprich Gewohnheiten draus zu machen, die keinerlei Denkleistung mehr erfordern. Dann kann es alles auf Dauerschleife laufen lassen. Das ist einer der Gründe, warum Gewohnheiten so mächtig sind. Alles, was wir regelmäßig denken, läuft eingespurt in festen Bahnen und Neues wird grundsätzlich reingepasst. Sollte es sich nicht einfügen, legt das Gehirn ächzend neue Bahnen an, das ist mühsam und schwer, deshalb lassen es die meisten Menschen rasch wieder sein.

Was lernen wir daraus? Wenn wir Neues in unser Leben bringen möchten, müssen wir mit unserem Gehirn sprechen und ihm klar machen, dass wir auf dem Neuen bestehen, egal, wie sehr es seinen Glucosemehrverbrauch bejammert durch neue Bahnen legen. Stets neu vernetzen bedeutet, ein sehr lebendiges Gehirn zu haben. Verbinden wir die neuen Vernetzungen noch mit liebender Güte, katapultiert uns unser Denkwerkzeug in ungeahnte Höhen. Check it out. Und immer schön dran denken: dies ist NICHT die Generalprobe. Dies IST dein Leben. Also handle auch entsprechend.

Allen ein erkenntnisreiches Wochenende.

Danke an Manuela für das tolle Foto. Genießt den Anblick, wenn der Wind in Wellen über die Felder streicht.

Geist, verkommender

So wie das Eisen außer Gebrauch rostet und das still stehende Wasser verdirbt oder bei Kälte gefriert, so verkommt der Geist ohne Übung.

Leonardo da Vinci

Danke an Christoph für das Foto der Flowforms

Freitags-Nachdenk-Input

Gelegentlich beobachte ich mich und Mitmenschen dabei, wie wir versuchen, Probleme auf eine Art und Weise zu lösen, wie sie schon viele Male nicht funktioniert hat. Es erstaunt mich doch, wie fixiert wir darauf sein können, Dinge auf eine Weise anzugehen, die wenig Erfolg verspricht in der irrigen Hoffnung, dass sie bei der hundertsten Wiederholung mit einem Schlag doch funktionieren könnte. Ich nenne das bei mir den false-Edison-Effekt, denn der Mann hat zwar auch viele Fehlversuche beim Entwickeln der Glühbirne gehabt, aber er wusste wenigstens, dass es funktionieren muss.

Wir neigen oft dazu, gewohnheitsmäßig zu agieren und so verbringen wir viel Lebenszeit in einer Art einlullendem Halbschlaf, denn Dinge anders machen würde bedeuten, aufzuwachen aus dem angenehm indifferenten Möglichkeitshoffen. Godot ist zuverlässiger.

Dazu dürfen wir die Komfortzone verlassen, die bei genauerer Betrachtung keinen wahren Komfort bietet, sondern nur wie eine gewohnte alte Couch ist, in der sich die Sitzkuhle eingeprägt hat und wir das als „gemütlich“ bezeichnen, was es sicher nicht ist. Das Verlassen der Komfortzone kommt der Vertreibung aus dem Paradies gleich, ganz sicher ist es tödlich, weswegen wir das ungern tun und erst das „schlimme Schicksal“ bemühen müssen, auf dass es uns aus unserer Glückseligkeit entferne. Wo bleibt denn unsere Abenteuerlust, unsere Neugier darauf, Dinge einfach mal ganz anders anzugehen als sonst? Wo schlägt denn unser Herz schneller vor Aufregung, weil wir endlich etwas wagen und unserem tiefen Wissen darüber, was uns wirklich Freude bereitet, folgen?

Also, weg mit falschen Komfortzonen, die uralten durchgesessenen grusligen Sofas gleichen. Her mit der Herzschlagzone, dem Abenteuer, der Herausforderung, die uns wachsen oder scheitern lässt. So what! In manchem Scheitern steckt der Keim für Erfolg und Wachstum.

Allen einen liebevollen Venustag.

Auch dieses feine Foto hat Manuela gemacht. Danke!

Donnerstags-Nachdenk-Input

Neulich beim Biographieabend entspann sich eine angeregte Diskussionsrunde um die Frage, ob Erinnerungen „wahr“ sind. Nein. Sind sie nicht. Sie sind das Resultat permanenter unbemerkter Updates, die wir bei neuen Erkenntnissen machen, die das Alte, Zurückliegende entsprechend einfärben. Wir definieren uns über die Geschichten, die wir uns den ganzen Tag über uns selbst erzählen, denn diese Gedanken formen unser neuronales Netz, spuren also die Autobahn, über die auch neue Erlebnisse sich einfädeln. Ist das Gehirn darauf trainiert, Negatives wahrzunehmen, wird es Positives ausblenden, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und so vermehrt sich die Wahrnehmung in die falsche Richtung.

Abhilfe schafft, wenn man diesen Teufelskreis erkennt und der negativen Gedankenspur einen Strich durch die Rechnung macht. Und zwar ganz bewusst – NEIN. Stoppschild aufstellen. Straße sofort sperren und den Hirnverkehr umleiten auf die andere Spur. Gelingt durch die bewusste Unterbrechung mit STOPP und Körper durch Atmen wahrnehmen und neu anfangen, aber auch durch ein Training positiver Dinge – Dankbarkeit. Wofür bin ich dankbar? Welche Erlebnisse am Tag bringen mein Herz zum Strahlen? Welche Menschen tun mir gut? Welche Musik? Genieße ich die grandiose Üppigkeit der Natur in diesen Tagen? Bringen wir das Gehirn auf Erfolgskurs und füttern es gut mit Freude, Humor, Leichtigkeit und Leben. Und ja – es ist eine bewusste Entscheidung und ein stetes Üben. Was wir Jahrzehnte fehlgeleitet haben, gewöhnt sich nicht über Nacht an die neue Strecke. Also mutig weiterüben.

Allen einen freudigen Jupitertag.

 

Innere Geschichten

Ob etwas wahr ist oder nicht, das Gehirn glaubt alles, wenn man es nur lange genug erzählt. Prüfe also deine inneren Geschichten.

Danke an Christoph für das Papaver-Palaver-Foto J